Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst.
Statuen hat sich niemals, in so vielen Entdeckungen, die geringste Spur
gefunden, einige ganz kleine Figuren ausgenommen, weil Elfenbein sich in
der Erde calciniret, wie Zähne von andern Thieren, nur die Wolfszähne
nicht 1). Zu Tyrinthus in Arcadien war eine Cybele von Gold, das Ge-
sicht aber war aus Zähnen 2) vom Hippopotamus zusammen gesetzet.

Der erste Stein, aus welchem man Statuen machete, scheinet ebenV.
Hierauf in
Stein, und
erstlich in dem
jedem Lande
eigenen.

derjenige gewesen zu seyn, wovon man die ältesten Gebäude in Griechen-
land, wie 3) der Tempel des Jupiters zu Elis war, aufführete, nemlich
eine Art Toff-Stein, welcher weißlicht war. Plutarchus gedenket 4) eines
Silenus in diesem Steine. Zu Rom gebrauchete man auch den Travertin
hierzu, und es findet sich eine Consularische Statue in der Villa des Hrn.
Cardiuals Alex. Albani, eine andere in dem Pallaste Altieri, in Campi-
telli,
welche sitzet, und auf dem Knie eine Tafel hält, und eine weibliche
Figur, so wie jene in Lebensgröße, mit einem Ringe am Zeigefinger, in der
Villa des Marchese Belloni. Dieses sind die drey Figuren aus diesem
Steine in Rom. Figuren von solchen geringen Steinen pflegten um die
Gräber zu stehen.

Aus Marmor machete man anfänglich zu erst Kopf, Hände und FüßeVI.
In Marmor,
und anfäng-
lich die äußern
Theile der Fi-
gur. Von
übermalten
Statuen.

an Figuren von Holz, wie 5) eine Juno, und 6) Venus von Damophon,
einem der ältesten berühmten Künstler, waren; und diese Art war noch zu
des Phidias Zeiten in Gebrauch: denn 7) seine Pallas zu Plateäa war
also gearbeitet. Solche Statuen, an welchen nur die äussersten Theile von
Stein waren, wurden 8) Acrolithi genennet: dieses ist die Bedeutung
dieses Worts, welche 9) Salmasius und 10) andere nicht gefunden haben.

Plinius
1) Es hat jemand in Rom einen Wolfszahn, auf welchem die zwölf Götter gearbeitet sind.
2) Pausan. L. 8. p. 694. l. 32.
3) Id. L. 5. p. 397. lin. ult.
4) Vit. Rhet. Andocid. p. 1535. l. 14.
5) Pausan. L. 7. p. 582. l. 33.
6) Id. L 8. p. 665. l. 16.
7) Pausan. L. 8. p. 665. l. 16.
8) Vitruv. L. 2. c. 8. p. 59. l. 19.
9) Not. ad Script. Hist. Aug. p. 322. E.
10) Triller. Observ. Crit. L. 4. c. 6. Paciaud. Monum. Pelop. Vol. 2. p. 44.

Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt.
Statuen hat ſich niemals, in ſo vielen Entdeckungen, die geringſte Spur
gefunden, einige ganz kleine Figuren ausgenommen, weil Elfenbein ſich in
der Erde calciniret, wie Zaͤhne von andern Thieren, nur die Wolfszaͤhne
nicht 1). Zu Tyrinthus in Arcadien war eine Cybele von Gold, das Ge-
ſicht aber war aus Zaͤhnen 2) vom Hippopotamus zuſammen geſetzet.

Der erſte Stein, aus welchem man Statuen machete, ſcheinet ebenV.
Hierauf in
Stein, und
erſtlich in dem
jedem Lande
eigenen.

derjenige geweſen zu ſeyn, wovon man die aͤlteſten Gebaͤude in Griechen-
land, wie 3) der Tempel des Jupiters zu Elis war, auffuͤhrete, nemlich
eine Art Toff-Stein, welcher weißlicht war. Plutarchus gedenket 4) eines
Silenus in dieſem Steine. Zu Rom gebrauchete man auch den Travertin
hierzu, und es findet ſich eine Conſulariſche Statue in der Villa des Hrn.
Cardiuals Alex. Albani, eine andere in dem Pallaſte Altieri, in Campi-
telli,
welche ſitzet, und auf dem Knie eine Tafel haͤlt, und eine weibliche
Figur, ſo wie jene in Lebensgroͤße, mit einem Ringe am Zeigefinger, in der
Villa des Marcheſe Belloni. Dieſes ſind die drey Figuren aus dieſem
Steine in Rom. Figuren von ſolchen geringen Steinen pflegten um die
Graͤber zu ſtehen.

Aus Marmor machete man anfaͤnglich zu erſt Kopf, Haͤnde und FuͤßeVI.
In Marmor,
und anfaͤng-
lich die aͤußern
Theile der Fi-
gur. Von
uͤbermalten
Statuen.

an Figuren von Holz, wie 5) eine Juno, und 6) Venus von Damophon,
einem der aͤlteſten beruͤhmten Kuͤnſtler, waren; und dieſe Art war noch zu
des Phidias Zeiten in Gebrauch: denn 7) ſeine Pallas zu Plateaͤa war
alſo gearbeitet. Solche Statuen, an welchen nur die aͤuſſerſten Theile von
Stein waren, wurden 8) Acrolithi genennet: dieſes iſt die Bedeutung
dieſes Worts, welche 9) Salmaſius und 10) andere nicht gefunden haben.

Plinius
1) Es hat jemand in Rom einen Wolfszahn, auf welchem die zwoͤlf Goͤtter gearbeitet ſind.
2) Pauſan. L. 8. p. 694. l. 32.
3) Id. L. 5. p. 397. lin. ult.
4) Vit. Rhet. Andocid. p. 1535. l. 14.
5) Pauſan. L. 7. p. 582. l. 33.
6) Id. L 8. p. 665. l. 16.
7) Pauſan. L. 8. p. 665. l. 16.
8) Vitruv. L. 2. c. 8. p. 59. l. 19.
9) Not. ad Script. Hiſt. Aug. p. 322. E.
10) Triller. Obſerv. Crit. L. 4. c. 6. Paciaud. Monum. Pelop. Vol. 2. p. 44.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0065" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Ur&#x017F;prunge und Anfange der Kun&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
Statuen hat &#x017F;ich niemals, in &#x017F;o vielen Entdeckungen, die gering&#x017F;te Spur<lb/>
gefunden, einige ganz kleine Figuren ausgenommen, weil Elfenbein &#x017F;ich in<lb/>
der Erde calciniret, wie Za&#x0364;hne von andern Thieren, nur die Wolfsza&#x0364;hne<lb/>
nicht <note place="foot" n="1)">Es hat jemand in Rom einen Wolfszahn, auf welchem die zwo&#x0364;lf Go&#x0364;tter gearbeitet &#x017F;ind.</note>. Zu Tyrinthus in Arcadien war eine Cybele von Gold, das Ge-<lb/>
&#x017F;icht aber war aus Za&#x0364;hnen <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Pau&#x017F;an. L. 8. p. 694. l.</hi> 32.</note> vom Hippopotamus zu&#x017F;ammen ge&#x017F;etzet.</p><lb/>
            <p>Der er&#x017F;te Stein, aus welchem man Statuen machete, &#x017F;cheinet eben<note place="right"><hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
Hierauf in<lb/>
Stein, und<lb/>
er&#x017F;tlich in dem<lb/>
jedem Lande<lb/>
eigenen.</note><lb/>
derjenige gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, wovon man die a&#x0364;lte&#x017F;ten Geba&#x0364;ude in Griechen-<lb/>
land, wie <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Id. L. 5. p. 397. lin. ult.</hi></note> der Tempel des Jupiters zu Elis war, auffu&#x0364;hrete, nemlich<lb/>
eine Art Toff-Stein, welcher weißlicht war. Plutarchus gedenket <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Vit. Rhet. Andocid. p. 1535. l.</hi> 14.</note> eines<lb/>
Silenus in die&#x017F;em Steine. Zu Rom gebrauchete man auch den Travertin<lb/>
hierzu, und es findet &#x017F;ich eine Con&#x017F;ulari&#x017F;che Statue in der Villa des Hrn.<lb/>
Cardiuals Alex. Albani, eine andere in dem Palla&#x017F;te <hi rendition="#fr">Altieri,</hi> in <hi rendition="#fr">Campi-<lb/>
telli,</hi> welche &#x017F;itzet, und auf dem Knie eine Tafel ha&#x0364;lt, und eine weibliche<lb/>
Figur, &#x017F;o wie jene in Lebensgro&#x0364;ße, mit einem Ringe am Zeigefinger, in der<lb/>
Villa des Marche&#x017F;e Belloni. Die&#x017F;es &#x017F;ind die drey Figuren aus die&#x017F;em<lb/>
Steine in Rom. Figuren von &#x017F;olchen geringen Steinen pflegten um die<lb/>
Gra&#x0364;ber zu &#x017F;tehen.</p><lb/>
            <p>Aus Marmor machete man anfa&#x0364;nglich zu er&#x017F;t Kopf, Ha&#x0364;nde und Fu&#x0364;ße<note place="right"><hi rendition="#aq">VI.</hi><lb/>
In Marmor,<lb/>
und anfa&#x0364;ng-<lb/>
lich die a&#x0364;ußern<lb/>
Theile der Fi-<lb/>
gur. Von<lb/>
u&#x0364;bermalten<lb/>
Statuen.</note><lb/>
an Figuren von Holz, wie <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Pau&#x017F;an. L. 7. p. 582. l.</hi> 33.</note> eine Juno, und <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Id. L 8. p. 665. l.</hi> 16.</note> Venus von Damophon,<lb/>
einem der a&#x0364;lte&#x017F;ten beru&#x0364;hmten Ku&#x0364;n&#x017F;tler, waren; und die&#x017F;e Art war noch zu<lb/>
des Phidias Zeiten in Gebrauch: denn <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq">Pau&#x017F;an. L. 8. p. 665. l.</hi> 16.</note> &#x017F;eine Pallas zu Platea&#x0364;a war<lb/>
al&#x017F;o gearbeitet. Solche Statuen, an welchen nur die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Theile von<lb/>
Stein waren, wurden <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#aq">Vitruv. L. 2. c. 8. p. 59. l.</hi> 19.</note> <hi rendition="#fr">Acrolithi</hi> genennet: die&#x017F;es i&#x017F;t die Bedeutung<lb/>
die&#x017F;es Worts, welche <note place="foot" n="9)"><hi rendition="#aq">Not. ad Script. Hi&#x017F;t. Aug. p. 322. E.</hi></note> Salma&#x017F;ius und <note place="foot" n="10)"><hi rendition="#aq">Triller. Ob&#x017F;erv. Crit. L. 4. c. 6. Paciaud. Monum. Pelop. Vol. 2. p.</hi> 44.</note> andere nicht gefunden haben.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Plinius</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0065] Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt. Statuen hat ſich niemals, in ſo vielen Entdeckungen, die geringſte Spur gefunden, einige ganz kleine Figuren ausgenommen, weil Elfenbein ſich in der Erde calciniret, wie Zaͤhne von andern Thieren, nur die Wolfszaͤhne nicht 1). Zu Tyrinthus in Arcadien war eine Cybele von Gold, das Ge- ſicht aber war aus Zaͤhnen 2) vom Hippopotamus zuſammen geſetzet. Der erſte Stein, aus welchem man Statuen machete, ſcheinet eben derjenige geweſen zu ſeyn, wovon man die aͤlteſten Gebaͤude in Griechen- land, wie 3) der Tempel des Jupiters zu Elis war, auffuͤhrete, nemlich eine Art Toff-Stein, welcher weißlicht war. Plutarchus gedenket 4) eines Silenus in dieſem Steine. Zu Rom gebrauchete man auch den Travertin hierzu, und es findet ſich eine Conſulariſche Statue in der Villa des Hrn. Cardiuals Alex. Albani, eine andere in dem Pallaſte Altieri, in Campi- telli, welche ſitzet, und auf dem Knie eine Tafel haͤlt, und eine weibliche Figur, ſo wie jene in Lebensgroͤße, mit einem Ringe am Zeigefinger, in der Villa des Marcheſe Belloni. Dieſes ſind die drey Figuren aus dieſem Steine in Rom. Figuren von ſolchen geringen Steinen pflegten um die Graͤber zu ſtehen. V. Hierauf in Stein, und erſtlich in dem jedem Lande eigenen. Aus Marmor machete man anfaͤnglich zu erſt Kopf, Haͤnde und Fuͤße an Figuren von Holz, wie 5) eine Juno, und 6) Venus von Damophon, einem der aͤlteſten beruͤhmten Kuͤnſtler, waren; und dieſe Art war noch zu des Phidias Zeiten in Gebrauch: denn 7) ſeine Pallas zu Plateaͤa war alſo gearbeitet. Solche Statuen, an welchen nur die aͤuſſerſten Theile von Stein waren, wurden 8) Acrolithi genennet: dieſes iſt die Bedeutung dieſes Worts, welche 9) Salmaſius und 10) andere nicht gefunden haben. Plinius VI. In Marmor, und anfaͤng- lich die aͤußern Theile der Fi- gur. Von uͤbermalten Statuen. 1) Es hat jemand in Rom einen Wolfszahn, auf welchem die zwoͤlf Goͤtter gearbeitet ſind. 2) Pauſan. L. 8. p. 694. l. 32. 3) Id. L. 5. p. 397. lin. ult. 4) Vit. Rhet. Andocid. p. 1535. l. 14. 5) Pauſan. L. 7. p. 582. l. 33. 6) Id. L 8. p. 665. l. 16. 7) Pauſan. L. 8. p. 665. l. 16. 8) Vitruv. L. 2. c. 8. p. 59. l. 19. 9) Not. ad Script. Hiſt. Aug. p. 322. E. 10) Triller. Obſerv. Crit. L. 4. c. 6. Paciaud. Monum. Pelop. Vol. 2. p. 44.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/65
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/65>, abgerufen am 26.04.2024.