Bissen in das Salzfaß tunken, welches nur ungehobelte Leute also zu machen pflegen.
Wann denen Gästen vorgelegt wird, so lange deinen Teller nicht hin, dir auch etwas zu geben, sondern warte, bis man dir etwas darreicht. Neige dich mit dem Haupt, und lange mit höflichen Mienen den vor dir liegenden Teller dagegen hin.
Leget man dir etwas vor, so du nicht gerne issest, so sage nicht: Ich esse keinen Haasen, ich kann nicht essen, wo Pfeffer, Muskate, Zwiebel und dergleichen darauf ist. Sondern nimm Alles an, was man dir giebet, und zwinge dich so viel möglich etwas davon zu essen. Wäre aber ein gar zu heftiger Wider- wille für eine Speise bei dir, so laß' dich's nicht merken, sondern iß von etwas anders, und ersiehe Gelegenheit, wie du das, so dir so gar sehr zuwider, heimlich hinweg practizirest. Es bestehet aber gar viel in der Einbildung; und wenn sich nur mancher Mensch etwas kasteiete, und seinen Begierden nicht allzusehr nachhängen wollte, so würde er viele dergleichen üble Gewohnheiten ablegen.
Langet jedermann selber in die Schüssel, so warte bis die Reihe an dich kommt, greife alsdann nicht nach dem Besten vor eines andern Ort, sondern bleibe bei dem, was vor deiner Thüre liegt, lange auch nicht zu oft hinein und hole alle Grümigen mit der Gabel hervor, sondern versiehe dich auf ein- oder ein paarmal.
Iß nicht zu geschwinde oder geitzig, wenn du auch noch so großen Hunger hättest, damit du dich nicht überfrissest, und den Hals zu voll fassest. Iß vielmehr langsam, erbar und daß du nicht für einen unersättlichen Fraß angesehen werdest. Füge auch im Essen die Lippen wohl aufeinander, damit du nicht schmatzest noch schlappest, wie die Hunde oder anderes Vieh.
Die Beine oder Knochen fasse nicht mit der ganzen Hand an, wie eine Pfeiffe, sondern mit dem Daumen und Zeigefinger, oder auch wohl noch mit dem Mittelfinger einer Hand; denn
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Biſſen in das Salzfaß tunken, welches nur ungehobelte Leute alſo zu machen pflegen.
Wann denen Gaͤſten vorgelegt wird, ſo lange deinen Teller nicht hin, dir auch etwas zu geben, ſondern warte, bis man dir etwas darreicht. Neige dich mit dem Haupt, und lange mit hoͤflichen Mienen den vor dir liegenden Teller dagegen hin.
Leget man dir etwas vor, ſo du nicht gerne iſſeſt, ſo ſage nicht: Ich eſſe keinen Haaſen, ich kann nicht eſſen, wo Pfeffer, Muskate, Zwiebel und dergleichen darauf iſt. Sondern nimm Alles an, was man dir giebet, und zwinge dich ſo viel moͤglich etwas davon zu eſſen. Waͤre aber ein gar zu heftiger Wider- wille fuͤr eine Speiſe bei dir, ſo laß’ dich’s nicht merken, ſondern iß von etwas anders, und erſiehe Gelegenheit, wie du das, ſo dir ſo gar ſehr zuwider, heimlich hinweg practizireſt. Es beſtehet aber gar viel in der Einbildung; und wenn ſich nur mancher Menſch etwas kaſteiete, und ſeinen Begierden nicht allzuſehr nachhaͤngen wollte, ſo wuͤrde er viele dergleichen uͤble Gewohnheiten ablegen.
Langet jedermann ſelber in die Schuͤſſel, ſo warte bis die Reihe an dich kommt, greife alsdann nicht nach dem Beſten vor eines andern Ort, ſondern bleibe bei dem, was vor deiner Thuͤre liegt, lange auch nicht zu oft hinein und hole alle Gruͤmigen mit der Gabel hervor, ſondern verſiehe dich auf ein- oder ein paarmal.
Iß nicht zu geſchwinde oder geitzig, wenn du auch noch ſo großen Hunger haͤtteſt, damit du dich nicht uͤberfriſſeſt, und den Hals zu voll faſſeſt. Iß vielmehr langſam, erbar und daß du nicht fuͤr einen unerſaͤttlichen Fraß angeſehen werdeſt. Fuͤge auch im Eſſen die Lippen wohl aufeinander, damit du nicht ſchmatzeſt noch ſchlappeſt, wie die Hunde oder anderes Vieh.
Die Beine oder Knochen faſſe nicht mit der ganzen Hand an, wie eine Pfeiffe, ſondern mit dem Daumen und Zeigefinger, oder auch wohl noch mit dem Mittelfinger einer Hand; denn
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Biſſen in das Salzfaß tunken, welches nur ungehobelte Leute
alſo zu machen pflegen.
Wann denen Gaͤſten vorgelegt wird, ſo lange deinen Teller
nicht hin, dir auch etwas zu geben, ſondern warte, bis man dir
etwas darreicht. Neige dich mit dem Haupt, und lange mit
hoͤflichen Mienen den vor dir liegenden Teller dagegen hin.
Leget man dir etwas vor, ſo du nicht gerne iſſeſt, ſo ſage
nicht: Ich eſſe keinen Haaſen, ich kann nicht eſſen, wo Pfeffer,
Muskate, Zwiebel und dergleichen darauf iſt. Sondern nimm
Alles an, was man dir giebet, und zwinge dich ſo viel moͤglich
etwas davon zu eſſen. Waͤre aber ein gar zu heftiger Wider-
wille fuͤr eine Speiſe bei dir, ſo laß’ dich’s nicht merken,
ſondern iß von etwas anders, und erſiehe Gelegenheit, wie du
das, ſo dir ſo gar ſehr zuwider, heimlich hinweg practizireſt.
Es beſtehet aber gar viel in der Einbildung; und wenn ſich nur
mancher Menſch etwas kaſteiete, und ſeinen Begierden nicht
allzuſehr nachhaͤngen wollte, ſo wuͤrde er viele dergleichen uͤble
Gewohnheiten ablegen.
Langet jedermann ſelber in die Schuͤſſel, ſo warte bis die
Reihe an dich kommt, greife alsdann nicht nach dem Beſten
vor eines andern Ort, ſondern bleibe bei dem, was vor deiner
Thuͤre liegt, lange auch nicht zu oft hinein und hole alle
Gruͤmigen mit der Gabel hervor, ſondern verſiehe dich auf ein-
oder ein paarmal.
Iß nicht zu geſchwinde oder geitzig, wenn du auch noch
ſo großen Hunger haͤtteſt, damit du dich nicht uͤberfriſſeſt, und
den Hals zu voll faſſeſt. Iß vielmehr langſam, erbar und daß
du nicht fuͤr einen unerſaͤttlichen Fraß angeſehen werdeſt. Fuͤge
auch im Eſſen die Lippen wohl aufeinander, damit du nicht
ſchmatzeſt noch ſchlappeſt, wie die Hunde oder anderes Vieh.
Die Beine oder Knochen faſſe nicht mit der ganzen Hand
an, wie eine Pfeiffe, ſondern mit dem Daumen und Zeigefinger,
oder auch wohl noch mit dem Mittelfinger einer Hand; denn
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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/191>, abgerufen am 14.06.2024.
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