Stichen in Stücke, das Roßhaar flog hier und dahin in der Stube, sie stand flehend hinter dem Sessel und bat, ihr nichts zu thun; -- ich sagte: eh' ich dulde, daß Du Dich umbringst, thu' ich's lieber selbst; mein armer Stuhl! rief sie; ja was, Dein Stuhl, der soll den Dolch stumpf machen; ich gab ihm ohne Barmher- zigkeit Stich auf Stich, das ganze Zimmer wurde eine Staubwolke; so warf ich den Dolch weit in die Stube, daß er prasselnd unter das Sopha fuhr; ich nahm sie bei der Hand und führte sie in den Garten, in die Weinlaube, ich riß die jungen Weinreben ab, und warf sie ihr vor die Füße; ich trat drauf und sagte: So mißhandelst Du unsre Freundschaft. -- Ich zeigte ihr die Vögel auf den Zweigen, und daß wir wie jene, spie- lend aber treu gegen einander bisher zusammen gelebt hätten; ich sagte: Du kannst sicher auf mich bauen, es ist keine Stunde in der Nacht, die, wenn Du mir dei- nen Willen kund thust, mich nur einen Augenblick be- sinnen machte; -- komm vor mein Fenster und pfeif' um Mitternacht, und ich geh' ohne Vorbereitung mit Dir um die Welt. Und was ich für mich nicht wagte, das wag' ich für Dich; -- aber Du! -- was berechtigt Dich, mich aufzugeben? -- wie kannst Du solche Treue verrathen; und versprich mir, daß Du nicht mehr deine
Stichen in Stücke, das Roßhaar flog hier und dahin in der Stube, ſie ſtand flehend hinter dem Seſſel und bat, ihr nichts zu thun; — ich ſagte: eh' ich dulde, daß Du Dich umbringſt, thu' ich's lieber ſelbſt; mein armer Stuhl! rief ſie; ja was, Dein Stuhl, der ſoll den Dolch ſtumpf machen; ich gab ihm ohne Barmher- zigkeit Stich auf Stich, das ganze Zimmer wurde eine Staubwolke; ſo warf ich den Dolch weit in die Stube, daß er praſſelnd unter das Sopha fuhr; ich nahm ſie bei der Hand und führte ſie in den Garten, in die Weinlaube, ich riß die jungen Weinreben ab, und warf ſie ihr vor die Füße; ich trat drauf und ſagte: So mißhandelſt Du unſre Freundſchaft. — Ich zeigte ihr die Vögel auf den Zweigen, und daß wir wie jene, ſpie- lend aber treu gegen einander bisher zuſammen gelebt hätten; ich ſagte: Du kannſt ſicher auf mich bauen, es iſt keine Stunde in der Nacht, die, wenn Du mir dei- nen Willen kund thuſt, mich nur einen Augenblick be- ſinnen machte; — komm vor mein Fenſter und pfeif' um Mitternacht, und ich geh' ohne Vorbereitung mit Dir um die Welt. Und was ich für mich nicht wagte, das wag' ich für Dich; — aber Du! — was berechtigt Dich, mich aufzugeben? — wie kannſt Du ſolche Treue verrathen; und verſprich mir, daß Du nicht mehr deine
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Stichen in Stücke, das Roßhaar flog hier und dahin
in der Stube, ſie ſtand flehend hinter dem Seſſel und
bat, ihr nichts zu thun; — ich ſagte: eh' ich dulde,
daß Du Dich umbringſt, thu' ich's lieber ſelbſt; mein
armer Stuhl! rief ſie; ja was, Dein Stuhl, der ſoll
den Dolch ſtumpf machen; ich gab ihm ohne Barmher-
zigkeit Stich auf Stich, das ganze Zimmer wurde eine
Staubwolke; ſo warf ich den Dolch weit in die Stube,
daß er praſſelnd unter das Sopha fuhr; ich nahm ſie
bei der Hand und führte ſie in den Garten, in die
Weinlaube, ich riß die jungen Weinreben ab, und warf
ſie ihr vor die Füße; ich trat drauf und ſagte: So
mißhandelſt Du unſre Freundſchaft. — Ich zeigte ihr
die Vögel auf den Zweigen, und daß wir wie jene, ſpie-
lend aber treu gegen einander bisher zuſammen gelebt
hätten; ich ſagte: Du kannſt ſicher auf mich bauen, es
iſt keine Stunde in der Nacht, die, wenn Du mir dei-
nen Willen kund thuſt, mich nur einen Augenblick be-
ſinnen machte; — komm vor mein Fenſter und pfeif'
um Mitternacht, und ich geh' ohne Vorbereitung mit
Dir um die Welt. Und was ich für mich nicht wagte,
das wag' ich für Dich; — aber Du! — was berechtigt
Dich, mich aufzugeben? — wie kannſt Du ſolche Treue
verrathen; und verſprich mir, daß Du nicht mehr deine
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/126>, abgerufen am 10.11.2024.
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