Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. III. Num. XII. Pantel Trappens lehr und schrifften. [Spaltenumbruch]
schen seelen-gefahr darauff/ wann einer nachdem erlangten gnädigen und lebendigen erkänt- niß GOttes nicht ausgehet/ wann er ermahnet und vermahnet hat/ und die ehebrecherische/ zauberische und diebische art sich nicht ändern und GOtt den unergründlichen abgrund der in- nerlichen finsterniß und boßheit bekennen/ und sein hertz ausschütten will/ damit der alles in al- len durch seinen H. Geist würckende Gott in dem verfinsterten hertzen buß wircken/ und darin in gnaden sich offenbaren möge/ wie hievon die H. Schrifft klar gnug zeuget/ wenn nur die na- türliche vernunfft nebenst dem innerlichen auch das äusserliche zeugniß nicht verwürffe. Es ist auch unläugbar/ daß wann der mensch so durch CHristi geist gelehret und erleuchtet ist/ nicht wil ausgehen/ daß er CHristum ent- weder aus furcht/ damit er nicht möge mit Chri- sti creutz verfolget werden/ oder aus heucheley/ damit die irrenden in ihrem falschem Christen- thum nicht mögen beschuldiget oder beschämet werden/ verleugnet/ welches aber abgötterey- sünde ist/ (dann sonsten keiner dem andern was sagen/ sondern nur für sich hinleben/ und mit furcht und zittern schaffen dürffe/ damit er möge selig werden/ und seine seele zur beute davon bringen/ ob gleich die andern möchten zum teuf- fel fahren) aber ihr natur-vernünfftige Schrifftgelehrten/ die ihr einen äusserlichen be- ruff so starck erfordert/ wo soll die liebe/ als das einige kennzeiche des lebendigen erkäntnis Got- tes bleiben? Soll man sie in erden graben/ das ist/ in sich verschlossen ohn leuchten liegen lassen wann man nicht aus lieb für schaden warnen/ die irrende erinnern/ und zu rechte brin- gen/ die wiederspenstige anschreyen und ihren greuel für augen stellen solle? Wo soll die krafft des gnädigen erkäntniß GOtes bleiben/ wann man nicht das seinem nächsten thun soll und muß/ was man ihm gerne wolte gethan haben/ und GOtt aus gnade und liebe einem erzeiget und bewiesen hat! Wolte der mensch bey dem wahren erkäntniß GOttes nur sich lieben/ und nicht durch hassung und verfolgung der eigenen liebe/ auch die abtrünnigen suchen und drüber lei- den wolte/ was hätte er für eine ähnligkeit mit CHristo? Ja warlich/ es hätte die eigene liebe/ schon die Göttliche liebe vertrieben/ und den menschen durch und durch vergifftet mit dem allergreulichsten abgott der eigenheit/ welcher heute mehr geehret/ und in acht genommen wird als der lebendige GOtt. Würde auch der mensch nicht eine ursache mit der versto- ckung derer/ so aus unwissenheit in blindheit dahin gehen/ und in eigener natürlicher ver- nunfft gedencken/ es sey alles gar richtig/ löb- lich und Göttlich/ was sie thun und vorneh- men/ welches denn die rechte haupt-ursache ist/ darum die hochnöthige innerliche prüffung un- terlassen wird: welche fallstrick des teuffels der tausendeste mensch nicht einmal gewahr wird/ dahero auch die welt so verstockt bleibt/ daß GOtt auch durch straffen und plagen sie nicht zum auffmercken/ warum er sie so schlage/ er- muntern und zu rechter prüffung treiben und bringen kan. Es heist ja CHristus das einige le- bendigmachende/ und heil und seligkeit allein würckende wort/ weil er die rechte krafft GOt- tes die menschen selig zu machen ist/ also in der heiligen schrifft forschen/ daß man in sich gehen [Spaltenumbruch] und darauff recht prüffen solle/ ob er als das leben/ davon die H. Schrifft zeuget/ in und nicht ausser einem sey/ das ist/ ob er in ihme das wort der versöhnung/ dadurch sie ans dem tod ins leben versetzet: das rechte Prophe- tische und Apostolische wort so in den Propheten und Aposteln und allen gliedern seines leibes redet und wircket: Und das Königliche wort/ so da in seiner krafft zer- störet alles/ was sich wider sein innerliches erkäntnis und daraus gehends äusserliches be- käntnis erhebet/ und sein eigenthum für sün- den bewahret. Weil aber die alten Phariseer so wenig als die heutigen neuen davon nichtswuste noch zu wissen lernen wolten/ so zeugete JEsus recht/ daß seine seligmachende stimm gehöret/ Er in ihnen nicht wohnend/ bleibend/ redend oder würckend wäre/ sie auch dasselbe von ihm nicht einmahl erwarten wolten/ in der betrieg- lichen und noch verführenden meinung/ die Heilige Schrifft wäre an seiner statt da/ durch die/ und nicht seinen Sohn handelte und rede- te GOTT mit ihnen. Das ist die rechte aus- rottung JESU Christi/ welche alle und jede Schrifft gelehrten und Phariseer aus dem höllischen getrieb befordern/ so Christi innerli- ches ampt aufheben/ und dem buchstaben zu- legen. Jch bitte einen jeden menschen um GOttes willen/ er wolle ablassen/ diesen eini- gen gnadenthron/ so odem in der nasen hat/ auszurotten/ und sich nicht ferners an diesen Eckstein/ so da ist zum einigen meister in dem menschen von GOTT dem himmlischen Va- tet geleget/ zu reiben/ Er wird sonsten fürwahr zeitlich und ewig/ wie den Jüdischen baumei- stern wiederfahre ist/ von ihm zerquetschet wer- den. O wie gröblich wird auch an dem Gebot der liebe geirret/ wenn man die absonderung unterläst/ denn dieselbe so wohl in der abson- derung und abscheidung/ als im lehren/ er- mahnen/ trösten/ straffen ihre krafft hat/ welche krafft keine würckung hat/ wenn einer um des verborgenen innerlichen Abgotts/ (als daß er nicht möge aller welt ein schauspiel werden) in einer/ oder bey einer Gemeine/ so nicht rich- tig für GOTT wandelt/ verbleibet/ und mit derselben heucheley treibet/ so doch darinn die warheit öffentlich verworffen/ und Christus mit einem ampt verlästert wird. Mein mensch/ es ist unaussprechlich/ wie derteuffel so listig/ soschein- heilig/ so lieblich die eigenheit dem menschen beybringen/ und darinn sich/ als ein rechter Engel des lichtes verstellen kan/ darum in wahrheit niemand so sicher darff dahin ge- hen/ sondern ein jeglicher hat grosse und hohe ursachen GOTT von hertzen zu bitten/ daß er ihm die listige practicken des teuffels wolle zu erkennen geben/ damit er sich für ihm durch sei- ne Göttliche gnade hüten/ und auf seine fall- stricke nicht tretten möge. Jch repetire es a- bermahl/ daß es unmöglich sey und bleibe/ die liste des teuffels zu erkennen/ wie er einen menschen von dem creutzweg Christi und der liebe abschrecket und zurücke hält/ ihn in sei- ner capellen nicht zu molestiren/ sondern ruh- sam seine wercke in den kindern des unglau- bens treiben zu lassen/ da es GOTT nicht dem menschen entdecket/ der aber es gerne durch CHRISTUM wil thun/ wenn man nicht wiederstrebet. Was will auch der Chri- sten Lll l 3
Th. IV. Sect. III. Num. XII. Pantel Trappens lehr und ſchrifften. [Spaltenumbruch]
ſchen ſeelen-gefahr darauff/ wann einer nachdem erlangten gnaͤdigen und lebendigen erkaͤnt- niß GOttes nicht ausgehet/ wann er ermahnet und vermahnet hat/ und die ehebrecheriſche/ zauberiſche und diebiſche art ſich nicht aͤndern und GOtt den unergruͤndlichen abgrund der in- nerlichen finſterniß und boßheit bekennen/ und ſein hertz ausſchuͤtten will/ damit der alles in al- len durch ſeinen H. Geiſt wuͤrckende Gott in dem verfinſterten hertzen buß wircken/ und darin in gnaden ſich offenbaren moͤge/ wie hievon die H. Schrifft klar gnug zeuget/ wenn nur die na- tuͤrliche vernunfft nebenſt dem innerlichen auch das aͤuſſerliche zeugniß nicht verwuͤrffe. Es iſt auch unlaͤugbar/ daß wann der menſch ſo durch CHriſti geiſt gelehret und erleuchtet iſt/ nicht wil ausgehen/ daß er CHriſtum ent- weder aus furcht/ damit er nicht moͤge mit Chri- ſti creutz verfolget werden/ oder aus heucheley/ damit die irrenden in ihrem falſchem Chriſten- thum nicht moͤgen beſchuldiget oder beſchaͤmet werden/ verleugnet/ welches aber abgoͤtterey- ſuͤnde iſt/ (dann ſonſten keiner dem andern was ſagen/ ſondern nur fuͤr ſich hinleben/ und mit furcht und zittern ſchaffen duͤrffe/ damit er moͤge ſelig werden/ und ſeine ſeele zur beute davon bringen/ ob gleich die andern moͤchten zum teuf- fel fahren) aber ihr natur-vernuͤnfftige Schrifftgelehrten/ die ihr einen aͤuſſerlichen be- ruff ſo ſtarck erfordert/ wo ſoll die liebe/ als das einige kennzeichē des lebendigen erkaͤntnis Got- tes bleiben? Soll man ſie in erden graben/ das iſt/ in ſich verſchloſſen ohn leuchten liegen laſſen wann man nicht aus lieb fuͤr ſchaden warnen/ die irrende erinnern/ und zu rechte brin- gen/ die wiederſpenſtige anſchreyen und ihren greuel fuͤr augen ſtellen ſolle? Wo ſoll die krafft des gnaͤdigen erkaͤntniß GOtes bleiben/ wann man nicht das ſeinem naͤchſten thun ſoll und muß/ was man ihm gerne wolte gethan haben/ und GOtt aus gnade und liebe einem erzeiget und bewieſen hat! Wolte der menſch bey dem wahren erkaͤntniß GOttes nur ſich lieben/ und nicht durch haſſung und verfolgung der eigenen liebe/ auch die abtruͤñigen ſuchen und druͤbeꝛ lei- den wolte/ was haͤtte er fuͤr eine aͤhnligkeit mit CHriſto? Ja warlich/ es haͤtte die eigene liebe/ ſchon die Goͤttliche liebe vertrieben/ und den menſchen durch und durch vergifftet mit dem allergreulichſten abgott der eigenheit/ welcher heute mehr geehret/ und in acht genommen wird als der lebendige GOtt. Wuͤrde auch der menſch nicht eine urſache mit der verſto- ckung derer/ ſo aus unwiſſenheit in blindheit dahin gehen/ und in eigener natuͤrlicher ver- nunfft gedencken/ es ſey alles gar richtig/ loͤb- lich und Goͤttlich/ was ſie thun und vorneh- men/ welches denn die rechte haupt-urſache iſt/ darum die hochnoͤthige innerliche pruͤffung un- terlaſſen wird: welche fallſtrick des teuffels der tauſendeſte menſch nicht einmal gewahr wird/ dahero auch die welt ſo verſtockt bleibt/ daß GOtt auch durch ſtraffen und plagen ſie nicht zum auffmercken/ warum er ſie ſo ſchlage/ er- muntern und zu rechter pruͤffung treiben und bringen kan. Es heiſt ja CHriſtus das einige le- bendigmachende/ und heil und ſeligkeit allein wuͤrckende wort/ weil er die rechte krafft GOt- tes die menſchen ſelig zu machen iſt/ alſo in der heiligen ſchrifft forſchen/ daß man in ſich gehen [Spaltenumbruch] und darauff recht pruͤffen ſolle/ ob er als das leben/ davon die H. Schrifft zeuget/ in und nicht auſſer einem ſey/ das iſt/ ob er in ihme das wort der verſoͤhnung/ dadurch ſie ans dem tod ins leben verſetzet: das rechte Prophe- tiſche und Apoſtoliſche wort ſo in den Propheten und Apoſteln und allen gliedern ſeines leibes redet und wircket: Und das Koͤnigliche wort/ ſo da in ſeiner krafft zer- ſtoͤret alles/ was ſich wider ſein innerliches erkaͤntnis und daraus gehends aͤuſſerliches be- kaͤntnis erhebet/ und ſein eigenthum fuͤr ſuͤn- den bewahret. Weil aber die alten Phariſeer ſo wenig als die heutigen neuen davon nichtswuſte noch zu wiſſen lernen wolten/ ſo zeugete JEſus recht/ daß ſeine ſeligmachende ſtimm gehoͤret/ Er in ihnen nicht wohnend/ bleibend/ redend oder wuͤrckend waͤre/ ſie auch daſſelbe von ihm nicht einmahl erwarten wolten/ in der betrieg- lichen und noch verfuͤhrenden meinung/ die Heilige Schrifft waͤre an ſeiner ſtatt da/ durch die/ und nicht ſeinen Sohn handelte und rede- te GOTT mit ihnen. Das iſt die rechte aus- rottung JESU Chriſti/ welche alle und jede Schrifft gelehrten und Phariſeer aus dem hoͤlliſchen getrieb befordern/ ſo Chriſti innerli- ches ampt aufheben/ und dem buchſtaben zu- legen. Jch bitte einen jeden menſchen um GOttes willen/ er wolle ablaſſen/ dieſen eini- gen gnadenthron/ ſo odem in der naſen hat/ auszurotten/ und ſich nicht ferners an dieſen Eckſtein/ ſo da iſt zum einigen meiſter in dem menſchen von GOTT dem himmliſchen Va- tet geleget/ zu reiben/ Er wird ſonſten fuͤrwahr zeitlich und ewig/ wie den Juͤdiſchen baumei- ſtern wiederfahrē iſt/ von ihm zerquetſchet wer- den. O wie groͤblich wird auch an dem Gebot der liebe geirret/ wenn man die abſonderung unterlaͤſt/ denn dieſelbe ſo wohl in der abſon- derung und abſcheidung/ als im lehren/ er- mahnen/ troͤſten/ ſtraffen ihre krafft hat/ welche krafft keine wuͤrckung hat/ wenn einer um des verborgenen innerlichen Abgotts/ (als daß er nicht moͤge aller welt ein ſchauſpiel werden) in einer/ oder bey einer Gemeine/ ſo nicht rich- tig fuͤr GOTT wandelt/ verbleibet/ und mit derſelben heucheley treibet/ ſo doch darinn die warheit oͤffentlich verworffen/ uñ Chriſtus mit einem ampt verlaͤſtert wird. Mein menſch/ es iſt unausſprechlich/ wie derteuffel ſo liſtig/ ſoſchein- heilig/ ſo lieblich die eigenheit dem menſchen beybringen/ und darinn ſich/ als ein rechter Engel des lichtes verſtellen kan/ darum in wahrheit niemand ſo ſicher darff dahin ge- hen/ ſondern ein jeglicher hat groſſe und hohe urſachen GOTT von hertzen zu bitten/ daß er ihm die liſtige practicken des teuffels wolle zu erkennen geben/ damit er ſich fuͤr ihm durch ſei- ne Goͤttliche gnade huͤten/ und auf ſeine fall- ſtricke nicht tretten moͤge. Jch repetire es a- bermahl/ daß es unmoͤglich ſey und bleibe/ die liſte des teuffels zu erkennen/ wie er einen menſchen von dem creutzweg Chriſti und der liebe abſchrecket und zuruͤcke haͤlt/ ihn in ſei- ner capellen nicht zu moleſtiren/ ſondern ruh- ſam ſeine wercke in den kindern des unglau- bens treiben zu laſſen/ da es GOTT nicht dem menſchen entdecket/ der aber es gerne durch CHRISTUM wil thun/ wenn man nicht wiederſtrebet. Was will auch der Chri- ſten Lll l 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0945" n="637"/><fw place="top" type="header">Th. <hi rendition="#aq">IV. Sect. III. Num. XII.</hi> Pantel Trappens lehr und ſchrifften.</fw><lb/><cb/> ſchen ſeelen-gefahr darauff/ wann einer nach<lb/> dem erlangten gnaͤdigen und lebendigen erkaͤnt-<lb/> niß GOttes nicht ausgehet/ wann er ermahnet<lb/> und vermahnet hat/ und die ehebrecheriſche/<lb/> zauberiſche und diebiſche art ſich nicht aͤndern<lb/> und GOtt den unergruͤndlichen abgrund der in-<lb/> nerlichen finſterniß und boßheit bekennen/ und<lb/> ſein hertz ausſchuͤtten will/ damit der alles in al-<lb/> len durch ſeinen H. Geiſt wuͤrckende Gott in dem<lb/> verfinſterten hertzen buß wircken/ und darin in<lb/> gnaden ſich offenbaren moͤge/ wie hievon die<lb/> H. Schrifft klar gnug zeuget/ wenn nur die na-<lb/> tuͤrliche vernunfft nebenſt dem innerlichen<lb/> auch das aͤuſſerliche zeugniß nicht verwuͤrffe.<lb/> Es iſt auch unlaͤugbar/ daß wann der menſch<lb/> ſo durch CHriſti geiſt gelehret und erleuchtet<lb/> iſt/ nicht wil ausgehen/ daß er CHriſtum ent-<lb/> weder aus furcht/ damit er nicht moͤge mit Chri-<lb/> ſti creutz verfolget werden/ oder aus heucheley/<lb/> damit die irrenden in ihrem falſchem Chriſten-<lb/> thum nicht moͤgen beſchuldiget oder beſchaͤmet<lb/> werden/ verleugnet/ welches aber abgoͤtterey-<lb/> ſuͤnde iſt/ (dann ſonſten keiner dem andern was<lb/> ſagen/ ſondern nur fuͤr ſich hinleben/ und mit<lb/> furcht und zittern ſchaffen duͤrffe/ damit er moͤge<lb/> ſelig werden/ und ſeine ſeele zur beute davon<lb/> b<hi rendition="#aq">r</hi>ingen/ ob gleich die andern moͤchten zum teuf-<lb/> fel fahren) aber ihr natur-vernuͤnfftige<lb/> Schrifftgelehrten/ die ihr einen aͤuſſerlichen be-<lb/> ruff ſo ſtarck erfordert/ wo ſoll die liebe/ als das<lb/> einige kennzeichē des lebendigen erkaͤntnis Got-<lb/> tes bleiben? Soll man ſie in erden graben/<lb/> das iſt/ in ſich verſchloſſen ohn leuchten liegen<lb/> laſſen wann man nicht aus lieb fuͤr ſchaden<lb/> warnen/ die irrende erinnern/ und zu rechte brin-<lb/> gen/ die wiederſpenſtige anſchreyen und ihren<lb/> greuel fuͤr augen ſtellen ſolle? Wo ſoll die krafft<lb/> des gnaͤdigen erkaͤntniß GOtes bleiben/ wann<lb/> man nicht das ſeinem naͤchſten thun ſoll und<lb/> muß/ was man ihm gerne wolte gethan haben/<lb/> und GOtt aus gnade und liebe einem erzeiget<lb/> und bewieſen hat! Wolte der menſch bey dem<lb/> wahren erkaͤntniß GOttes nur ſich lieben/ und<lb/> nicht durch haſſung und verfolgung der eigenen<lb/> liebe/ auch die abtruͤñigen ſuchen und druͤbeꝛ lei-<lb/> den wolte/ was haͤtte er fuͤr eine aͤhnligkeit mit<lb/> CHriſto? Ja warlich/ es haͤtte die eigene liebe/<lb/> ſchon die Goͤttliche liebe vertrieben/ und den<lb/> menſchen durch und durch vergifftet mit dem<lb/> allergreulichſten abgott der eigenheit/ welcher<lb/> heute mehr geehret/ und in acht genommen<lb/> wird als der lebendige GOtt. Wuͤrde auch<lb/> der menſch nicht eine urſache mit der verſto-<lb/> ckung derer/ ſo aus unwiſſenheit in blindheit<lb/> dahin gehen/ und in eigener natuͤrlicher ver-<lb/> nunfft gedencken/ es ſey alles gar richtig/ loͤb-<lb/> lich und Goͤttlich/ was ſie thun und vorneh-<lb/> men/ welches denn die rechte haupt-urſache iſt/<lb/> darum die hochnoͤthige innerliche pruͤffung un-<lb/> terlaſſen wird: welche fallſtrick des teuffels der<lb/> tauſendeſte menſch nicht einmal gewahr wird/<lb/> dahero auch die welt ſo verſtockt bleibt/ daß<lb/> GOtt auch durch ſtraffen und plagen ſie nicht<lb/> zum auffmercken/ warum er ſie ſo ſchlage/ er-<lb/> muntern und zu rechter pruͤffung treiben und<lb/> bringen kan. Es heiſt ja CHriſtus das einige le-<lb/> bendigmachende/ und heil und ſeligkeit allein<lb/> wuͤrckende wort/ weil er die rechte krafft GOt-<lb/> tes die menſchen ſelig zu machen iſt/ alſo in der<lb/> heiligen ſchrifft forſchen/ daß man in ſich gehen<lb/><cb/> und darauff recht pruͤffen ſolle/ ob er als das<lb/> leben/ davon die H. Schrifft zeuget/ in und<lb/> nicht auſſer einem ſey/ das iſt/ ob er in ihme das<lb/> wort der verſoͤhnung/ dadurch ſie ans dem<lb/> tod ins leben verſetzet: das rechte Prophe-<lb/> tiſche und Apoſtoliſche wort ſo in den<lb/> Propheten und Apoſteln und allen gliedern<lb/> ſeines leibes redet und wircket: Und das<lb/> Koͤnigliche wort/ ſo da in ſeiner krafft zer-<lb/> ſtoͤret alles/ was ſich wider ſein innerliches<lb/> erkaͤntnis und daraus gehends aͤuſſerliches be-<lb/> kaͤntnis erhebet/ und ſein eigenthum fuͤr ſuͤn-<lb/> den bewahret. Weil aber die alten Phariſeer ſo<lb/> wenig als die heutigen neuen davon nichtswuſte<lb/> noch zu wiſſen lernen wolten/ ſo zeugete JEſus<lb/> recht/ daß ſeine ſeligmachende ſtimm gehoͤret/<lb/> Er in ihnen nicht wohnend/ bleibend/ redend<lb/> oder wuͤrckend waͤre/ ſie auch daſſelbe von ihm<lb/> nicht einmahl erwarten wolten/ in der betrieg-<lb/> lichen und noch verfuͤhrenden meinung/ die<lb/> Heilige Schrifft waͤre an ſeiner ſtatt da/ durch<lb/> die/ und nicht ſeinen Sohn handelte und rede-<lb/> te GOTT mit ihnen. Das iſt die rechte aus-<lb/> rottung <hi rendition="#g">JESU</hi> Chriſti/ welche alle und<lb/> jede Schrifft gelehrten und Phariſeer aus dem<lb/> hoͤlliſchen getrieb befordern/ ſo Chriſti innerli-<lb/> ches ampt aufheben/ und dem buchſtaben zu-<lb/> legen. Jch bitte einen jeden menſchen um<lb/> GOttes willen/ er wolle ablaſſen/ dieſen eini-<lb/> gen gnadenthron/ ſo odem in der naſen hat/<lb/> auszurotten/ und ſich nicht ferners an dieſen<lb/> Eckſtein/ ſo da iſt zum einigen meiſter in dem<lb/> menſchen von GOTT dem himmliſchen Va-<lb/> tet geleget/ zu reiben/ Er wird ſonſten fuͤrwahr<lb/> zeitlich und ewig/ wie den Juͤdiſchen baumei-<lb/> ſtern wiederfahrē iſt/ von ihm zerquetſchet wer-<lb/> den. O wie groͤblich wird auch an dem Gebot<lb/> der liebe geirret/ wenn man die abſonderung<lb/> unterlaͤſt/ denn dieſelbe ſo wohl in der abſon-<lb/> derung und abſcheidung/ als im lehren/ er-<lb/> mahnen/ troͤſten/ ſtraffen ihre krafft hat/ welche<lb/> krafft keine wuͤrckung hat/ wenn einer um des<lb/> verborgenen innerlichen Abgotts/ (als daß er<lb/> nicht moͤge aller welt ein ſchauſpiel werden)<lb/> in einer/ oder bey einer Gemeine/ ſo nicht rich-<lb/> tig fuͤr <hi rendition="#g">GOTT</hi> wandelt/ verbleibet/ und mit<lb/> derſelben heucheley treibet/ ſo doch darinn die<lb/> warheit oͤffentlich verworffen/ uñ Chriſtus mit<lb/> einem ampt verlaͤſtert wird. Mein menſch/ es iſt<lb/> unausſprechlich/ wie derteuffel ſo liſtig/ ſoſchein-<lb/> heilig/ ſo lieblich die eigenheit dem menſchen<lb/> beybringen/ und darinn ſich/ als ein rechter<lb/> Engel des lichtes verſtellen kan/ darum in<lb/> wahrheit niemand ſo ſicher darff dahin ge-<lb/> hen/ ſondern ein jeglicher hat groſſe und hohe<lb/> urſachen GOTT von hertzen zu bitten/ daß er<lb/> ihm die liſtige practicken des teuffels wolle zu<lb/> erkennen geben/ damit er ſich fuͤr ihm durch ſei-<lb/> ne Goͤttliche gnade huͤten/ und auf ſeine fall-<lb/> ſtricke nicht tretten moͤge. Jch <hi rendition="#aq">repeti</hi>re es a-<lb/> bermahl/ daß es unmoͤglich ſey und bleibe/ die<lb/> liſte des teuffels zu erkennen/ wie er einen<lb/> menſchen von dem creutzweg Chriſti und der<lb/> liebe abſchrecket und zuruͤcke haͤlt/ ihn in ſei-<lb/> ner capellen nicht zu <hi rendition="#aq">moleſti</hi>ren/ ſondern ruh-<lb/> ſam ſeine wercke in den kindern des unglau-<lb/> bens treiben zu laſſen/ da es <hi rendition="#g">GOTT</hi> nicht<lb/> dem menſchen entdecket/ der aber es gerne durch<lb/><hi rendition="#g">CHRISTUM</hi> wil thun/ wenn man<lb/> nicht wiederſtrebet. Was will auch der Chri-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Lll l 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſten</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [637/0945]
Th. IV. Sect. III. Num. XII. Pantel Trappens lehr und ſchrifften.
ſchen ſeelen-gefahr darauff/ wann einer nach
dem erlangten gnaͤdigen und lebendigen erkaͤnt-
niß GOttes nicht ausgehet/ wann er ermahnet
und vermahnet hat/ und die ehebrecheriſche/
zauberiſche und diebiſche art ſich nicht aͤndern
und GOtt den unergruͤndlichen abgrund der in-
nerlichen finſterniß und boßheit bekennen/ und
ſein hertz ausſchuͤtten will/ damit der alles in al-
len durch ſeinen H. Geiſt wuͤrckende Gott in dem
verfinſterten hertzen buß wircken/ und darin in
gnaden ſich offenbaren moͤge/ wie hievon die
H. Schrifft klar gnug zeuget/ wenn nur die na-
tuͤrliche vernunfft nebenſt dem innerlichen
auch das aͤuſſerliche zeugniß nicht verwuͤrffe.
Es iſt auch unlaͤugbar/ daß wann der menſch
ſo durch CHriſti geiſt gelehret und erleuchtet
iſt/ nicht wil ausgehen/ daß er CHriſtum ent-
weder aus furcht/ damit er nicht moͤge mit Chri-
ſti creutz verfolget werden/ oder aus heucheley/
damit die irrenden in ihrem falſchem Chriſten-
thum nicht moͤgen beſchuldiget oder beſchaͤmet
werden/ verleugnet/ welches aber abgoͤtterey-
ſuͤnde iſt/ (dann ſonſten keiner dem andern was
ſagen/ ſondern nur fuͤr ſich hinleben/ und mit
furcht und zittern ſchaffen duͤrffe/ damit er moͤge
ſelig werden/ und ſeine ſeele zur beute davon
bringen/ ob gleich die andern moͤchten zum teuf-
fel fahren) aber ihr natur-vernuͤnfftige
Schrifftgelehrten/ die ihr einen aͤuſſerlichen be-
ruff ſo ſtarck erfordert/ wo ſoll die liebe/ als das
einige kennzeichē des lebendigen erkaͤntnis Got-
tes bleiben? Soll man ſie in erden graben/
das iſt/ in ſich verſchloſſen ohn leuchten liegen
laſſen wann man nicht aus lieb fuͤr ſchaden
warnen/ die irrende erinnern/ und zu rechte brin-
gen/ die wiederſpenſtige anſchreyen und ihren
greuel fuͤr augen ſtellen ſolle? Wo ſoll die krafft
des gnaͤdigen erkaͤntniß GOtes bleiben/ wann
man nicht das ſeinem naͤchſten thun ſoll und
muß/ was man ihm gerne wolte gethan haben/
und GOtt aus gnade und liebe einem erzeiget
und bewieſen hat! Wolte der menſch bey dem
wahren erkaͤntniß GOttes nur ſich lieben/ und
nicht durch haſſung und verfolgung der eigenen
liebe/ auch die abtruͤñigen ſuchen und druͤbeꝛ lei-
den wolte/ was haͤtte er fuͤr eine aͤhnligkeit mit
CHriſto? Ja warlich/ es haͤtte die eigene liebe/
ſchon die Goͤttliche liebe vertrieben/ und den
menſchen durch und durch vergifftet mit dem
allergreulichſten abgott der eigenheit/ welcher
heute mehr geehret/ und in acht genommen
wird als der lebendige GOtt. Wuͤrde auch
der menſch nicht eine urſache mit der verſto-
ckung derer/ ſo aus unwiſſenheit in blindheit
dahin gehen/ und in eigener natuͤrlicher ver-
nunfft gedencken/ es ſey alles gar richtig/ loͤb-
lich und Goͤttlich/ was ſie thun und vorneh-
men/ welches denn die rechte haupt-urſache iſt/
darum die hochnoͤthige innerliche pruͤffung un-
terlaſſen wird: welche fallſtrick des teuffels der
tauſendeſte menſch nicht einmal gewahr wird/
dahero auch die welt ſo verſtockt bleibt/ daß
GOtt auch durch ſtraffen und plagen ſie nicht
zum auffmercken/ warum er ſie ſo ſchlage/ er-
muntern und zu rechter pruͤffung treiben und
bringen kan. Es heiſt ja CHriſtus das einige le-
bendigmachende/ und heil und ſeligkeit allein
wuͤrckende wort/ weil er die rechte krafft GOt-
tes die menſchen ſelig zu machen iſt/ alſo in der
heiligen ſchrifft forſchen/ daß man in ſich gehen
und darauff recht pruͤffen ſolle/ ob er als das
leben/ davon die H. Schrifft zeuget/ in und
nicht auſſer einem ſey/ das iſt/ ob er in ihme das
wort der verſoͤhnung/ dadurch ſie ans dem
tod ins leben verſetzet: das rechte Prophe-
tiſche und Apoſtoliſche wort ſo in den
Propheten und Apoſteln und allen gliedern
ſeines leibes redet und wircket: Und das
Koͤnigliche wort/ ſo da in ſeiner krafft zer-
ſtoͤret alles/ was ſich wider ſein innerliches
erkaͤntnis und daraus gehends aͤuſſerliches be-
kaͤntnis erhebet/ und ſein eigenthum fuͤr ſuͤn-
den bewahret. Weil aber die alten Phariſeer ſo
wenig als die heutigen neuen davon nichtswuſte
noch zu wiſſen lernen wolten/ ſo zeugete JEſus
recht/ daß ſeine ſeligmachende ſtimm gehoͤret/
Er in ihnen nicht wohnend/ bleibend/ redend
oder wuͤrckend waͤre/ ſie auch daſſelbe von ihm
nicht einmahl erwarten wolten/ in der betrieg-
lichen und noch verfuͤhrenden meinung/ die
Heilige Schrifft waͤre an ſeiner ſtatt da/ durch
die/ und nicht ſeinen Sohn handelte und rede-
te GOTT mit ihnen. Das iſt die rechte aus-
rottung JESU Chriſti/ welche alle und
jede Schrifft gelehrten und Phariſeer aus dem
hoͤlliſchen getrieb befordern/ ſo Chriſti innerli-
ches ampt aufheben/ und dem buchſtaben zu-
legen. Jch bitte einen jeden menſchen um
GOttes willen/ er wolle ablaſſen/ dieſen eini-
gen gnadenthron/ ſo odem in der naſen hat/
auszurotten/ und ſich nicht ferners an dieſen
Eckſtein/ ſo da iſt zum einigen meiſter in dem
menſchen von GOTT dem himmliſchen Va-
tet geleget/ zu reiben/ Er wird ſonſten fuͤrwahr
zeitlich und ewig/ wie den Juͤdiſchen baumei-
ſtern wiederfahrē iſt/ von ihm zerquetſchet wer-
den. O wie groͤblich wird auch an dem Gebot
der liebe geirret/ wenn man die abſonderung
unterlaͤſt/ denn dieſelbe ſo wohl in der abſon-
derung und abſcheidung/ als im lehren/ er-
mahnen/ troͤſten/ ſtraffen ihre krafft hat/ welche
krafft keine wuͤrckung hat/ wenn einer um des
verborgenen innerlichen Abgotts/ (als daß er
nicht moͤge aller welt ein ſchauſpiel werden)
in einer/ oder bey einer Gemeine/ ſo nicht rich-
tig fuͤr GOTT wandelt/ verbleibet/ und mit
derſelben heucheley treibet/ ſo doch darinn die
warheit oͤffentlich verworffen/ uñ Chriſtus mit
einem ampt verlaͤſtert wird. Mein menſch/ es iſt
unausſprechlich/ wie derteuffel ſo liſtig/ ſoſchein-
heilig/ ſo lieblich die eigenheit dem menſchen
beybringen/ und darinn ſich/ als ein rechter
Engel des lichtes verſtellen kan/ darum in
wahrheit niemand ſo ſicher darff dahin ge-
hen/ ſondern ein jeglicher hat groſſe und hohe
urſachen GOTT von hertzen zu bitten/ daß er
ihm die liſtige practicken des teuffels wolle zu
erkennen geben/ damit er ſich fuͤr ihm durch ſei-
ne Goͤttliche gnade huͤten/ und auf ſeine fall-
ſtricke nicht tretten moͤge. Jch repetire es a-
bermahl/ daß es unmoͤglich ſey und bleibe/ die
liſte des teuffels zu erkennen/ wie er einen
menſchen von dem creutzweg Chriſti und der
liebe abſchrecket und zuruͤcke haͤlt/ ihn in ſei-
ner capellen nicht zu moleſtiren/ ſondern ruh-
ſam ſeine wercke in den kindern des unglau-
bens treiben zu laſſen/ da es GOTT nicht
dem menſchen entdecket/ der aber es gerne durch
CHRISTUM wil thun/ wenn man
nicht wiederſtrebet. Was will auch der Chri-
ſten
Lll l 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/945 |
Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/945>, abgerufen am 14.06.2024. |