Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgischer Streit mit dem Ministerio. [Spaltenumbruch]
davon gehen wollen/ da ihm aber Herr M.Müller nachgelauffen/ ihn bey dem mantel ge- fasset und wieder zurück gezogen/ mit bitte/ er wolle ihn noch in einem oder andern hören. Darauff wandte sich M. Volsch und sprach: Jhr müsset aber die vorige rede als sehr sünd- lich GOtt abbitten/ denn ich weiß/ daß diese beyde menschen nicht satans/ sondern GOttes tempel sind; darauff antwortete Hr. M. Mül- ler: Weil ihr ja diese meine worte so gar sündl. achtet/ erkläre ich mich also: Es treibet ja wol der satan auch fromme menschen etwas böses zu dencken/ zu reden oder zu thun. Da antwor- tete Volsch/ diese erklärung ist mehr für meine als des Herrn worte/ denn es viel ein anders/ wenn man spricht: Der satan treibet diese menschen hier-oder darzu/ und aber ein an- ders/ der satan wohnet in ihnen. Hierauf fuhr M. Müller fort und sprach: Es wird dieses doch ein beginnen seyn/ das etwann aus anrei- tzung des Brecklings herrühret/ der doch ein Gotteslästerer/ Majestäten-Schänder/ und des teuffels mit leib und seel ist. Darauff sprach M. Volsch: Unser beginnen ist von kei- nem menschen/ sondern von GOTT selbst uns eingegeben; ist aber Breckling ein solcher mann/ wie der Herr saget/ warumb wieder- legt man ihn nicht? und solte doch der Herr einen solchen menschen nicht so schlechter dings verdammen/ und dem teuffel zueignen. Da antwortete Hr. M. Müller: Daß euer be- ginnen von GOtt/ kan ich nicht sehen/ was aber Breckling anlanget/ hat man nicht nöthig ihn zu wiederlegen/ denn es sind alte verlege- ne sachen. Da sprach Volsch: Jch halte aber/ wann jemand Breckling wiederlegen wolte/ er würde so wenig wider ihn fortkommen/ als Doctor Osiander wider den gottseligen Arnd. Da sprach Herr M. Müller: So wil dann der Herr sich von diesen beyden men- schen nicht trennen lassen? Wie dann aber? wann sie von ihm werden getrennet wer- den. Da antwortet M. Volsch: Das muß ich leyden/ und GOTT befehlen. Da fieng M. Müller ferner an zu Volsch/ sprechende: der Herr bedencke doch/ in was für elend er sich hiedurch mit ihnen stürtzen werde. Darauff M. Volsch: Das sehe ich nicht/ man möchte uns dann unbilliger und unschuldiger weise/ dieser sachen halber/ dieser Stadt als meines Vatter- landes verweisen wollen/ worzu/ wann es nach GOttes willen so seyn müste/ wir alle miteinander durch GOttes gnaden-krafft be- reit und willig sind. M. Müller: Das sagen die Quacker auch. Volsch: Wir sind keine Qua- cker/ denn wir halten uns in wahrem glauben an unsern JESUM. M. Müller: Die Quacker geben auch vor/ daß sie sich an JE- sum halten. Volsch: Das thun sie aber nicht/ und lügen hieran/ alldieweil sie das wort GOttes und die Sacramenta selbst (die doch der HErr JEsus selbst als ordentliche mittel der seligkeit eingesetzt) gering achten/ und gar verwerffen/ darauff wir aber mit gantzem her- tzen uns verlassen. M. Müller: Trauet mirs dann der Herr Magister nicht zu/ daß ichs von hertzen gut mit ihm meyne/ und ihm alles gu- tes rathe. Volsch: Ja/ das glaube ich wol/ aber ich sehe nicht/ daß mir der Herr dißfals guten rath ertheilet. Sonsten versichere ich [Spaltenumbruch] den Herren wiederumb/ daß ich ihn von her- tzen lieb habe/ durch welche sonderbahre liebe getrieben/ ich den Herrn bey seiner einführung der heil. Dreyfaltigkeit mit brünstigem ge- bet/ und heissen thränen anbefohlen/ daß ich ihn ja am jüngsten tage als einen treuen diener JESU Christi mit freuden vor mir finden möchte. M. Müller mit beweglichen gebär- den: Hat der Herr das gethan? Ach GOTT! Volsch. Ja Herr Magister, daß weiß GOtt/ daß ich das gethan habe/ weils aber die zeit nicht leyden will/ daß wir anietzo von der sache selber miteinander reden/ so wil ich hiemit von dem Herrn abschied nehmen/ mit dar- reichung meiner hand/ und angehengter bitte/ daß (ob ich zwar wol nicht sehe/ daß ich ihm unrecht auff seine harte rede von den beyden mir sehr lieben menschen D. und H. begegnet/) ich dennoch gebeten haben wil/ wofern ich et- wan eben dadurch an GOtt und ihm mich sol- te in etwas vergriffen haben/ mir solches umb der liebe JEsu willen zu verzeyhen. M. Mül- ler: Ach mein lieber Herr Magister, wann er mich auch mit füssen getretten hätte/ wolte ichs ihm wol vergeben. Darauff sind sie bey- de voneinander geschieden. §. 12. Diß alles ist den 18. Septembris §. 13. Wie wir nun meynten/ es solte vorge-
Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio. [Spaltenumbruch]
davon gehen wollen/ da ihm aber Herꝛ M.Muͤller nachgelauffen/ ihn bey dem mantel ge- faſſet und wieder zuruͤck gezogen/ mit bitte/ er wolle ihn noch in einem oder andern hoͤren. Darauff wandte ſich M. Volſch und ſprach: Jhr muͤſſet aber die vorige rede als ſehr ſuͤnd- lich GOtt abbitten/ denn ich weiß/ daß dieſe beyde menſchen nicht ſatans/ ſondern GOttes tempel ſind; darauff antwortete Hr. M. Muͤl- ler: Weil ihr ja dieſe meine worte ſo gar ſuͤndl. achtet/ erklaͤre ich mich alſo: Es treibet ja wol der ſatan auch from̃e menſchen etwas boͤſes zu dencken/ zu reden oder zu thun. Da antwor- tete Volſch/ dieſe erklaͤrung iſt mehr fuͤr meine als des Herꝛn worte/ denn es viel ein anders/ wenn man ſpricht: Der ſatan treibet dieſe menſchen hier-oder darzu/ und aber ein an- ders/ der ſatan wohnet in ihnen. Hierauf fuhr M. Muͤller fort und ſprach: Es wird dieſes doch ein beginnen ſeyn/ das etwann aus anrei- tzung des Brecklings herruͤhret/ der doch ein Gotteslaͤſterer/ Majeſtaͤten-Schaͤnder/ und des teuffels mit leib und ſeel iſt. Darauff ſprach M. Volſch: Unſer beginnen iſt von kei- nem menſchen/ ſondern von GOTT ſelbſt uns eingegeben; iſt aber Breckling ein ſolcher mann/ wie der Herꝛ ſaget/ warumb wieder- legt man ihn nicht? und ſolte doch der Herꝛ einen ſolchen menſchen nicht ſo ſchlechter dings verdammen/ und dem teuffel zueignen. Da antwortete Hr. M. Muͤller: Daß euer be- ginnen von GOtt/ kan ich nicht ſehen/ was aber Breckling anlanget/ hat man nicht noͤthig ihn zu wiederlegen/ denn es ſind alte verlege- ne ſachen. Da ſprach Volſch: Jch halte aber/ wann jemand Breckling wiederlegen wolte/ er wuͤrde ſo wenig wider ihn fortkommen/ als Doctor Oſiander wider den gottſeligen Arnd. Da ſprach Herꝛ M. Muͤller: So wil dann der Herꝛ ſich von dieſen beyden men- ſchen nicht trennen laſſen? Wie dann aber? wann ſie von ihm werden getrennet wer- den. Da antwortet M. Volſch: Das muß ich leyden/ und GOTT befehlen. Da fieng M. Muͤller ferner an zu Volſch/ ſprechende: der Herꝛ bedencke doch/ in was fuͤr elend er ſich hiedurch mit ihnen ſtuͤrtzen werde. Darauff M. Volſch: Das ſehe ich nicht/ man moͤchte uns dann unbilliger und unſchuldiger weiſe/ dieſer ſachen halber/ dieſer Stadt als meines Vatter- landes verweiſen wollen/ worzu/ wann es nach GOttes willen ſo ſeyn muͤſte/ wir alle miteinander durch GOttes gnaden-krafft be- reit und willig ſind. M. Muͤller: Das ſagen die Quacker auch. Volſch: Wir ſind keine Qua- cker/ denn wir halten uns in wahrem glauben an unſern JESUM. M. Muͤller: Die Quacker geben auch vor/ daß ſie ſich an JE- ſum halten. Volſch: Das thun ſie aber nicht/ und luͤgen hieran/ alldieweil ſie das wort GOttes und die Sacramenta ſelbſt (die doch der HErꝛ JEſus ſelbſt als ordentliche mittel der ſeligkeit eingeſetzt) gering achten/ und gar verwerffen/ darauff wir aber mit gantzem her- tzen uns verlaſſen. M. Muͤller: Trauet mirs dann der Herꝛ Magiſter nicht zu/ daß ichs von hertzen gut mit ihm meyne/ und ihm alles gu- tes rathe. Volſch: Ja/ das glaube ich wol/ aber ich ſehe nicht/ daß mir der Herꝛ dißfals guten rath ertheilet. Sonſten verſichere ich [Spaltenumbruch] den Herren wiederumb/ daß ich ihn von her- tzen lieb habe/ durch welche ſonderbahre liebe getrieben/ ich den Herꝛn bey ſeiner einfuͤhrung der heil. Dreyfaltigkeit mit bruͤnſtigem ge- bet/ und heiſſen thraͤnen anbefohlen/ daß ich ihn ja am juͤngſten tage als einen treuen diener JESU Chriſti mit freuden vor mir finden moͤchte. M. Muͤller mit beweglichen gebaͤr- den: Hat der Herꝛ das gethan? Ach GOTT! Volſch. Ja Herꝛ Magiſter, daß weiß GOtt/ daß ich das gethan habe/ weils aber die zeit nicht leyden will/ daß wir anietzo von der ſache ſelber miteinander reden/ ſo wil ich hiemit von dem Herꝛn abſchied nehmen/ mit dar- reichung meiner hand/ und angehengter bitte/ daß (ob ich zwar wol nicht ſehe/ daß ich ihm unrecht auff ſeine harte rede von den beyden mir ſehr lieben menſchen D. und H. begegnet/) ich dennoch gebeten haben wil/ wofern ich et- wan eben dadurch an GOtt und ihm mich ſol- te in etwas vergriffen haben/ mir ſolches umb der liebe JEſu willen zu verzeyhen. M. Muͤl- ler: Ach mein lieber Herꝛ Magiſter, wann er mich auch mit fuͤſſen getretten haͤtte/ wolte ichs ihm wol vergeben. Darauff ſind ſie bey- de voneinander geſchieden. §. 12. Diß alles iſt den 18. Septembris §. 13. Wie wir nun meynten/ es ſolte vorge-
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Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
davon gehen wollen/ da ihm aber Herꝛ M.
Muͤller nachgelauffen/ ihn bey dem mantel ge-
faſſet und wieder zuruͤck gezogen/ mit bitte/ er
wolle ihn noch in einem oder andern hoͤren.
Darauff wandte ſich M. Volſch und ſprach:
Jhr muͤſſet aber die vorige rede als ſehr ſuͤnd-
lich GOtt abbitten/ denn ich weiß/ daß dieſe
beyde menſchen nicht ſatans/ ſondern GOttes
tempel ſind; darauff antwortete Hr. M. Muͤl-
ler: Weil ihr ja dieſe meine worte ſo gar ſuͤndl.
achtet/ erklaͤre ich mich alſo: Es treibet ja wol
der ſatan auch from̃e menſchen etwas boͤſes zu
dencken/ zu reden oder zu thun. Da antwor-
tete Volſch/ dieſe erklaͤrung iſt mehr fuͤr meine
als des Herꝛn worte/ denn es viel ein anders/
wenn man ſpricht: Der ſatan treibet dieſe
menſchen hier-oder darzu/ und aber ein an-
ders/ der ſatan wohnet in ihnen. Hierauf fuhr
M. Muͤller fort und ſprach: Es wird dieſes
doch ein beginnen ſeyn/ das etwann aus anrei-
tzung des Brecklings herruͤhret/ der doch ein
Gotteslaͤſterer/ Majeſtaͤten-Schaͤnder/ und
des teuffels mit leib und ſeel iſt. Darauff
ſprach M. Volſch: Unſer beginnen iſt von kei-
nem menſchen/ ſondern von GOTT ſelbſt
uns eingegeben; iſt aber Breckling ein ſolcher
mann/ wie der Herꝛ ſaget/ warumb wieder-
legt man ihn nicht? und ſolte doch der Herꝛ
einen ſolchen menſchen nicht ſo ſchlechter
dings verdammen/ und dem teuffel zueignen.
Da antwortete Hr. M. Muͤller: Daß euer be-
ginnen von GOtt/ kan ich nicht ſehen/ was
aber Breckling anlanget/ hat man nicht noͤthig
ihn zu wiederlegen/ denn es ſind alte verlege-
ne ſachen. Da ſprach Volſch: Jch halte aber/
wann jemand Breckling wiederlegen wolte/
er wuͤrde ſo wenig wider ihn fortkommen/
als Doctor Oſiander wider den gottſeligen
Arnd. Da ſprach Herꝛ M. Muͤller: So
wil dann der Herꝛ ſich von dieſen beyden men-
ſchen nicht trennen laſſen? Wie dann aber?
wann ſie von ihm werden getrennet wer-
den. Da antwortet M. Volſch: Das muß
ich leyden/ und GOTT befehlen. Da fieng
M. Muͤller ferner an zu Volſch/ ſprechende:
der Herꝛ bedencke doch/ in was fuͤr elend er ſich
hiedurch mit ihnen ſtuͤrtzen werde. Darauff M.
Volſch: Das ſehe ich nicht/ man moͤchte uns
dann unbilliger und unſchuldiger weiſe/ dieſer
ſachen halber/ dieſer Stadt als meines Vatter-
landes verweiſen wollen/ worzu/ wann es
nach GOttes willen ſo ſeyn muͤſte/ wir alle
miteinander durch GOttes gnaden-krafft be-
reit und willig ſind. M. Muͤller: Das ſagen
die Quacker auch. Volſch: Wir ſind keine Qua-
cker/ denn wir halten uns in wahrem glauben
an unſern JESUM. M. Muͤller: Die
Quacker geben auch vor/ daß ſie ſich an JE-
ſum halten. Volſch: Das thun ſie aber nicht/
und luͤgen hieran/ alldieweil ſie das wort
GOttes und die Sacramenta ſelbſt (die doch
der HErꝛ JEſus ſelbſt als ordentliche mittel
der ſeligkeit eingeſetzt) gering achten/ und gar
verwerffen/ darauff wir aber mit gantzem her-
tzen uns verlaſſen. M. Muͤller: Trauet mirs
dann der Herꝛ Magiſter nicht zu/ daß ichs von
hertzen gut mit ihm meyne/ und ihm alles gu-
tes rathe. Volſch: Ja/ das glaube ich wol/
aber ich ſehe nicht/ daß mir der Herꝛ dißfals
guten rath ertheilet. Sonſten verſichere ich
den Herren wiederumb/ daß ich ihn von her-
tzen lieb habe/ durch welche ſonderbahre liebe
getrieben/ ich den Herꝛn bey ſeiner einfuͤhrung
der heil. Dreyfaltigkeit mit bruͤnſtigem ge-
bet/ und heiſſen thraͤnen anbefohlen/ daß ich
ihn ja am juͤngſten tage als einen treuen diener
JESU Chriſti mit freuden vor mir finden
moͤchte. M. Muͤller mit beweglichen gebaͤr-
den: Hat der Herꝛ das gethan? Ach GOTT!
Volſch. Ja Herꝛ Magiſter, daß weiß GOtt/
daß ich das gethan habe/ weils aber die zeit
nicht leyden will/ daß wir anietzo von der ſache
ſelber miteinander reden/ ſo wil ich hiemit
von dem Herꝛn abſchied nehmen/ mit dar-
reichung meiner hand/ und angehengter bitte/
daß (ob ich zwar wol nicht ſehe/ daß ich ihm
unrecht auff ſeine harte rede von den beyden
mir ſehr lieben menſchen D. und H. begegnet/)
ich dennoch gebeten haben wil/ wofern ich et-
wan eben dadurch an GOtt und ihm mich ſol-
te in etwas vergriffen haben/ mir ſolches umb
der liebe JEſu willen zu verzeyhen. M. Muͤl-
ler: Ach mein lieber Herꝛ Magiſter, wann
er mich auch mit fuͤſſen getretten haͤtte/ wolte
ichs ihm wol vergeben. Darauff ſind ſie bey-
de voneinander geſchieden.
§. 12. Diß alles iſt den 18. Septembris
ergangen. Den folgenden tag gehet Holtz-
hauſen zum beichtſtuel/ aus geiſtlicher ſeelen-
armuth gedrungen/ nicht gedenckend/ daß
das verbot des beichtſtuels ſo ſtrictè wuͤrde ge-
halten werden: Da er aber kommt/ ſtehet
Herꝛ von Petkum auff/ ſprechende: Jch habe
euch ſagen laſſen/ daß ihr euch nach dem ge-
ſtrigen Edict des Miniſterii des beichtſtuels
und abendmahls enthalten ſollet. Holtzhau-
ſen antwortet: Er haͤtte nicht gemeynet/ daß
es darbey bleiben wuͤrde/ weil wir es nicht dar-
nach gemachet. Von Petkum: Perturbiret
mich nicht in meinem ampt. Holtzhauſen: Jch
perturbire euch nicht/ aber GOTT vergebe es
euch; darauff fuͤhrte Herꝛ M. von Petkum
Holtzhauſen beym arm zum beichtſtuel hin-
aus.
§. 13. Wie wir nun meynten/ es ſolte
die ſache/ zwiſchen uns und dem Miniſterio ge-
handelt/ in geheim bleiben/ haben doch etliche
der Prediger ſolches von den cantzeln rucht-
bar gemachet/ und uns ſehr uͤbel ausgeſchrie-
en/ und alſo ſich ſelber und uns unbillich ins
geſchrey gebracht/ da es von uns wol haͤtte
ſollen verſchwiegen bleiben; denn wir nicht
ihre beſchimpffung/ ſondern GOTTES
ehre/ unſers naͤchſten ſeligkeit/ und unſers ge-
wiſſens befreyung geſucht. Ja ſie haben uns
vor der hohen Obrigkeit hart verklaget und
angegeben/ weswegen uns dann auch dieſelbe
etliche tage hernach/ nemblich am 1. Octobris
umb 12. Uhr/ zu rathhauſe citiren laſſen/
daß wir nachmittags darauf præciſsè umb 3.
Uhr erſcheinen ſolten. Dieſem gebot haben
wir gehorſamet/ und uns alle 3. nemblich M.
Volſch/ Dohren und Holtzhauſen zur be-
ſtimmten Zeit auff das rathhauß eingefun-
den. Da wir dann vom Herꝛn Syndico D.
Brod. Pauli und Hn. von Holten in die rath-
ſtube gefuͤhret/ und der Herꝛ Syndicus alsbald
die klagen vom Miniſterio wider uns/ ihnen
vorgebracht/ im namen des gantzen Hochw.
Raths uns insgemein hin/ nit aber ſtuͤck-weiſe
vorge-
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Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/978>, abgerufen am 16.06.2024. |