Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 74. Augsburg, 14. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

versichert, daß dieser Einklang vorhanden sey, flüstert das Journal des Debats, von dem man glaubt, daß es im Vertrauen des Hofes stehe, das Gegentheil ein."

(Journal des Debats.) Die Pairskammer hatte in der Sitzung am 5 März den ersten Artikel des Gesetzesentwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, nach dem Commissionsantrag, angenommen. Dieser Antrag stellte den Grundsatz auf, daß die Schutzmaaßregeln zu Gunsten der Kinder durch das Gesetz selbst festgesetzt werden sollen, statt daß man sie der Discretion der Regierung überlasse, die sich nach dem ursprünglichen Entwurfe das Recht vorbehielt, durch örtliche und besondere Anordnungen für die nöthig erachteten Maaßregeln zu sorgen. Der Schutz des neuen Gesetzes erstreckt sich nicht auf alle industriellen Anstalten, sondern nur auf diejenigen, in denen sich der Mißbrauch als unerträglich ergeben hat, und wo die Gegenmittel schon jetzt als ausführbar anerkannt wurden. Darunter sind begriffen: 1) die Fabriken und Werkstätten für Spinnerei und für Druck der Gewebe, wie auch immer die angewandten Urstoffe beschaffen seyn mögen; 2) die Fabriken und Werkstätten, wo die treibende Kraft von einem todten mechanischen Hebel, z.B. Wasser, Dampf u. s. w. geliefert wird, weil diese Art von Hebel, die zur Herstellung ihrer Kraft keiner Ruhe bedarf, leicht verleitet, über die durch das natürliche Maaß der menschlichen Kraft festgesetzten Schranken hinaus arbeiten zu lassen; 3) Fabriken und Werkstätten, die mit Hülfe eines anhaltenden Feuers functioniren, wie die Glasfabriken, Töpfereien, Faiencefabriken u. s. w. Das Gesetz behält gleichwohl der erleuchteten Einsicht der Regierung die Ermächtigung vor, dieselben Maaßregeln in nöthig erachteten weitern Fällen auf alle andern Industriezweige auszudehnen. In der Sitzung am 6 März suchte die Kammer die Anwendung dieses Princips zu reguliren, und setzte fest, daß die Kinder von 8 bis 12 Jahren nicht mehr als acht, durch ein Ausruhen abgetheilte Stunden, und die Kinder von 12 bis 16 Jahren nicht mehr als 12 durch Ausruhen abgetheilte Stunden arbeiten können. Der Gesetzgeber untersagt, oder duldet nur in seltenen und Ausnahmsfällen die Nachtarbeit. Alle diese nach vielfachen Discussionen durchgegangenen Punkte verdankt man hauptsächlich der emsigen und gewissenhaften Umarbeitung des ursprünglichen Entwurfs durch die Commission. Die Commission hat in ihrem Bestreben, die Kindheit kräftig zu beschützen, geglaubt, die Maaßregeln durch folgende Verfügung vervollständigen zu müssen: "Die Kinder, von welchem Alter sie seyn mögen, sollen während der durch das Gesetz bestimmten Feiertage nicht zur Arbeit angehalten werden." Hr. Cousin erklärte sich gegen diesen Artikel, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Gesetz von 1814 in Betreff der Beobachtung der Feiertage nicht abgeschafft sey; wir glauben an die von Hrn. Cousin feierlich übernommene und wiederholten Versicherung, sorgfältig über der Vollziehung des Gesetzes von 1814 zu wachen. Wir können aber doch die Ansicht des Hrn. Cousin nicht theilen, indem das Gesetz von 1814 zwar allerdings nicht abgeschafft, es aber doch unzweifelhafte Thatsache ist, worüber man nur die Augen zu öffnen braucht, daß das Gesetz von 1814 täglich, auf tausenderlei Arten von einem Ende Frankreichs zum andern verletzt wird. Das Gesetz, das die Beobachtung der Feiertage vorschreibt, ist nicht abgeschafft, aber es ist in Vergessenheit gerathen: die Commission konnte es nicht wieder in Kraft setzen; sie hat aber gethan, was in ihrer Gewalt stand; sie wollte, wie sich ihr Berichterstatter ausdrückte, den vergessenen Text eines wohlthätigen Gesetzes zum Vortheil der Kinder wieder aufwecken und neu beleben. Die wiederholten Bemühungen des Ministers des öffentlichen Unterrichts und des Handelsministers, eine vage und unwirksame Verfügung der angeführten zu substituiren, scheiterte vollkommen. Der von Hrn. Karl Dupin geschickt vertheidigte Commissionsartikel ward mit großer Mehrheit angenommen.

Die Berichte des Hrn. v. Pontois lauten sehr befriedigend. Er kann in denselben nicht genug Lord Ponsonby loben, der, was die Verhältnisse der Pforte zu den fremden Mächten betrifft, ganz so denken und schreiben soll, als unser Repräsentant es thut. Unter Anderm versichert Hr. v. Pontois, daß sein brittischer College in sehr bestimmten Ausdrücken an Lord Palmerston berichtet habe, was im Allgemeinen die sogenannte Dardanellenfrage betreffe, begreife er nicht gut, wie diese anders beurtheilt und behandelt werden könne, als sie Hr. Thiers in der denkwürdigen Rede bei Gelegenheit der Adresse besprochen habe; er hielte es für einen großen Fehler, wenn man, nach den Journalen zu urtheilen, sie zu London im Geiste der russischen Vorschläge auffassen wollte, während die Interessen Frankreichs und Englands in diesem Punkt identisch seyen. Lord Ponsonby soll dieser Aeußerung hinzugefügt haben, daß er der Aussage der Journale keinen Glauben beimesse, obgleich sie die einzige Quelle bilden, aus denen er schöpfe, und ihm allein den Leitfaden liefern, um zu wissen, ob Unterhandlungen in London bestehen oder nicht. Er hat nämlich in der letzten Zeit keine Sylbe von seinem Ministerium über den Gang jener Unterhandlungen bekommen, was ihn sehr reizbar macht und spottend sagen läßt, man habe ihn auf einen verlornen Posten gestellt. In dieser unbequemen Lage schließt er sich an Hrn. v. Pontois an, was beweist, daß Lord Ponsonby keine falschen Begriffe mehr über unsere Absichten hat, da der Nachfolger des Admirals Roussin genau in dessen Fußstapfen getreten ist, so daß mit der Abberufung des Admirals ein bloßer Personenwechsel, keine Systemsänderung stattgefunden hat. Also herrscht da jetzt eine gewisse Einigkeit, wo unlängst große Spannung sich kund gab - ein Zeichen mehr, daß die Sachen wohl augenblicklich durch persönliche Abneigung leiden können, am Ende aber doch ins wahre Licht treten müssen und ihren Platz behaupten. Dieß gilt auch für unsere innern Verhältnisse, wo trotz aller persönlichen Reibungen, trotz aller Intriguen und Ueberlistungen derjenige Recht behalten wird, der aufrichtig und unbekümmert über die täglich sich wiederholenden Irrungen an den Institutionen hält, welche nach langen Kämpfen, vielfachen Leiden und Gefahren Frankreich errungen hat. Es können noch hundert Krisen wie die gegenwärtige eintreten, das Land wird dadurch unangenehm berührt werden, nimmer aber wird sich der Geist erschöpfen, dem es seine ganze Kraft zu verdanken hat, jener Geist, den die Freiheit gebar, den die Constitution nährte. Deßhalb ist es unbegreiflich, wie so Viele gleich von Furcht erfüllt, Andere freudetrunken werden über das, was sie das künftige Geschick Frankreichs nennen, wenn eine Stockung gleich der gegenwärtigen eintritt, die nicht mehr zu sagen hat als ein vorüberziehendes Gewitter.

Belgien.

Zu Anfang der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer wurde der Minister der auswärtigen Angelegenheiten von einem Gliede der Opposition zur Rede gestellt wegen der seit einigen Tagen erfolgten Zahlung eines Semesters des Zinsenantheils Belgiens an der Staatsschuld des ehemaligen Gesammtkönigreichs (2 1/2 Mill.) in Folge des Tractats der 24 Artikel: ob nämlich die Schwierigkeiten, die sich bisher dieser Zahlung entgegengestellt, ganz gehoben, und

versichert, daß dieser Einklang vorhanden sey, flüstert das Journal des Débats, von dem man glaubt, daß es im Vertrauen des Hofes stehe, das Gegentheil ein.“

(Journal des Débats.) Die Pairskammer hatte in der Sitzung am 5 März den ersten Artikel des Gesetzesentwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, nach dem Commissionsantrag, angenommen. Dieser Antrag stellte den Grundsatz auf, daß die Schutzmaaßregeln zu Gunsten der Kinder durch das Gesetz selbst festgesetzt werden sollen, statt daß man sie der Discretion der Regierung überlasse, die sich nach dem ursprünglichen Entwurfe das Recht vorbehielt, durch örtliche und besondere Anordnungen für die nöthig erachteten Maaßregeln zu sorgen. Der Schutz des neuen Gesetzes erstreckt sich nicht auf alle industriellen Anstalten, sondern nur auf diejenigen, in denen sich der Mißbrauch als unerträglich ergeben hat, und wo die Gegenmittel schon jetzt als ausführbar anerkannt wurden. Darunter sind begriffen: 1) die Fabriken und Werkstätten für Spinnerei und für Druck der Gewebe, wie auch immer die angewandten Urstoffe beschaffen seyn mögen; 2) die Fabriken und Werkstätten, wo die treibende Kraft von einem todten mechanischen Hebel, z.B. Wasser, Dampf u. s. w. geliefert wird, weil diese Art von Hebel, die zur Herstellung ihrer Kraft keiner Ruhe bedarf, leicht verleitet, über die durch das natürliche Maaß der menschlichen Kraft festgesetzten Schranken hinaus arbeiten zu lassen; 3) Fabriken und Werkstätten, die mit Hülfe eines anhaltenden Feuers functioniren, wie die Glasfabriken, Töpfereien, Faïencefabriken u. s. w. Das Gesetz behält gleichwohl der erleuchteten Einsicht der Regierung die Ermächtigung vor, dieselben Maaßregeln in nöthig erachteten weitern Fällen auf alle andern Industriezweige auszudehnen. In der Sitzung am 6 März suchte die Kammer die Anwendung dieses Princips zu reguliren, und setzte fest, daß die Kinder von 8 bis 12 Jahren nicht mehr als acht, durch ein Ausruhen abgetheilte Stunden, und die Kinder von 12 bis 16 Jahren nicht mehr als 12 durch Ausruhen abgetheilte Stunden arbeiten können. Der Gesetzgeber untersagt, oder duldet nur in seltenen und Ausnahmsfällen die Nachtarbeit. Alle diese nach vielfachen Discussionen durchgegangenen Punkte verdankt man hauptsächlich der emsigen und gewissenhaften Umarbeitung des ursprünglichen Entwurfs durch die Commission. Die Commission hat in ihrem Bestreben, die Kindheit kräftig zu beschützen, geglaubt, die Maaßregeln durch folgende Verfügung vervollständigen zu müssen: „Die Kinder, von welchem Alter sie seyn mögen, sollen während der durch das Gesetz bestimmten Feiertage nicht zur Arbeit angehalten werden.“ Hr. Cousin erklärte sich gegen diesen Artikel, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Gesetz von 1814 in Betreff der Beobachtung der Feiertage nicht abgeschafft sey; wir glauben an die von Hrn. Cousin feierlich übernommene und wiederholten Versicherung, sorgfältig über der Vollziehung des Gesetzes von 1814 zu wachen. Wir können aber doch die Ansicht des Hrn. Cousin nicht theilen, indem das Gesetz von 1814 zwar allerdings nicht abgeschafft, es aber doch unzweifelhafte Thatsache ist, worüber man nur die Augen zu öffnen braucht, daß das Gesetz von 1814 täglich, auf tausenderlei Arten von einem Ende Frankreichs zum andern verletzt wird. Das Gesetz, das die Beobachtung der Feiertage vorschreibt, ist nicht abgeschafft, aber es ist in Vergessenheit gerathen: die Commission konnte es nicht wieder in Kraft setzen; sie hat aber gethan, was in ihrer Gewalt stand; sie wollte, wie sich ihr Berichterstatter ausdrückte, den vergessenen Text eines wohlthätigen Gesetzes zum Vortheil der Kinder wieder aufwecken und neu beleben. Die wiederholten Bemühungen des Ministers des öffentlichen Unterrichts und des Handelsministers, eine vage und unwirksame Verfügung der angeführten zu substituiren, scheiterte vollkommen. Der von Hrn. Karl Dupin geschickt vertheidigte Commissionsartikel ward mit großer Mehrheit angenommen.

Die Berichte des Hrn. v. Pontois lauten sehr befriedigend. Er kann in denselben nicht genug Lord Ponsonby loben, der, was die Verhältnisse der Pforte zu den fremden Mächten betrifft, ganz so denken und schreiben soll, als unser Repräsentant es thut. Unter Anderm versichert Hr. v. Pontois, daß sein brittischer College in sehr bestimmten Ausdrücken an Lord Palmerston berichtet habe, was im Allgemeinen die sogenannte Dardanellenfrage betreffe, begreife er nicht gut, wie diese anders beurtheilt und behandelt werden könne, als sie Hr. Thiers in der denkwürdigen Rede bei Gelegenheit der Adresse besprochen habe; er hielte es für einen großen Fehler, wenn man, nach den Journalen zu urtheilen, sie zu London im Geiste der russischen Vorschläge auffassen wollte, während die Interessen Frankreichs und Englands in diesem Punkt identisch seyen. Lord Ponsonby soll dieser Aeußerung hinzugefügt haben, daß er der Aussage der Journale keinen Glauben beimesse, obgleich sie die einzige Quelle bilden, aus denen er schöpfe, und ihm allein den Leitfaden liefern, um zu wissen, ob Unterhandlungen in London bestehen oder nicht. Er hat nämlich in der letzten Zeit keine Sylbe von seinem Ministerium über den Gang jener Unterhandlungen bekommen, was ihn sehr reizbar macht und spottend sagen läßt, man habe ihn auf einen verlornen Posten gestellt. In dieser unbequemen Lage schließt er sich an Hrn. v. Pontois an, was beweist, daß Lord Ponsonby keine falschen Begriffe mehr über unsere Absichten hat, da der Nachfolger des Admirals Roussin genau in dessen Fußstapfen getreten ist, so daß mit der Abberufung des Admirals ein bloßer Personenwechsel, keine Systemsänderung stattgefunden hat. Also herrscht da jetzt eine gewisse Einigkeit, wo unlängst große Spannung sich kund gab – ein Zeichen mehr, daß die Sachen wohl augenblicklich durch persönliche Abneigung leiden können, am Ende aber doch ins wahre Licht treten müssen und ihren Platz behaupten. Dieß gilt auch für unsere innern Verhältnisse, wo trotz aller persönlichen Reibungen, trotz aller Intriguen und Ueberlistungen derjenige Recht behalten wird, der aufrichtig und unbekümmert über die täglich sich wiederholenden Irrungen an den Institutionen hält, welche nach langen Kämpfen, vielfachen Leiden und Gefahren Frankreich errungen hat. Es können noch hundert Krisen wie die gegenwärtige eintreten, das Land wird dadurch unangenehm berührt werden, nimmer aber wird sich der Geist erschöpfen, dem es seine ganze Kraft zu verdanken hat, jener Geist, den die Freiheit gebar, den die Constitution nährte. Deßhalb ist es unbegreiflich, wie so Viele gleich von Furcht erfüllt, Andere freudetrunken werden über das, was sie das künftige Geschick Frankreichs nennen, wenn eine Stockung gleich der gegenwärtigen eintritt, die nicht mehr zu sagen hat als ein vorüberziehendes Gewitter.

Belgien.

Zu Anfang der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer wurde der Minister der auswärtigen Angelegenheiten von einem Gliede der Opposition zur Rede gestellt wegen der seit einigen Tagen erfolgten Zahlung eines Semesters des Zinsenantheils Belgiens an der Staatsschuld des ehemaligen Gesammtkönigreichs (2 1/2 Mill.) in Folge des Tractats der 24 Artikel: ob nämlich die Schwierigkeiten, die sich bisher dieser Zahlung entgegengestellt, ganz gehoben, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="0587"/>
versichert, daß dieser Einklang vorhanden sey, flüstert das Journal des Débats, von dem man glaubt, daß es im Vertrauen des Hofes stehe, das Gegentheil ein.&#x201C;</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Journal des Débats</hi>.) Die <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> hatte in der Sitzung am 5 März den ersten Artikel des Gesetzesentwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, nach dem Commissionsantrag, angenommen. Dieser Antrag stellte den Grundsatz auf, daß die Schutzmaaßregeln zu Gunsten der Kinder durch das Gesetz selbst festgesetzt werden sollen, statt daß man sie der Discretion der Regierung überlasse, die sich nach dem ursprünglichen Entwurfe das Recht vorbehielt, durch örtliche und besondere Anordnungen für die nöthig erachteten Maaßregeln zu sorgen. Der Schutz des neuen Gesetzes erstreckt sich nicht auf alle industriellen Anstalten, sondern nur auf diejenigen, in denen sich der Mißbrauch als unerträglich ergeben hat, und wo die Gegenmittel schon jetzt als ausführbar anerkannt wurden. Darunter sind begriffen: 1) die Fabriken und Werkstätten für Spinnerei und für Druck der Gewebe, wie auch immer die angewandten Urstoffe beschaffen seyn mögen; 2) die Fabriken und Werkstätten, wo die treibende Kraft von einem todten mechanischen Hebel, z.B. Wasser, Dampf u. s. w. geliefert wird, weil diese Art von Hebel, die zur Herstellung ihrer Kraft keiner Ruhe bedarf, leicht verleitet, über die durch das natürliche Maaß der menschlichen Kraft festgesetzten Schranken hinaus arbeiten zu lassen; 3) Fabriken und Werkstätten, die mit Hülfe eines anhaltenden Feuers functioniren, wie die Glasfabriken, Töpfereien, Faïencefabriken u. s. w. Das Gesetz behält gleichwohl der erleuchteten Einsicht der Regierung die Ermächtigung vor, dieselben Maaßregeln in nöthig erachteten weitern Fällen auf alle andern Industriezweige auszudehnen. In der Sitzung am 6 März suchte die Kammer die Anwendung dieses Princips zu reguliren, und setzte fest, daß die Kinder von 8 bis 12 Jahren nicht mehr als acht, durch ein Ausruhen abgetheilte Stunden, und die Kinder von 12 bis 16 Jahren nicht mehr als 12 durch Ausruhen abgetheilte Stunden arbeiten können. Der Gesetzgeber untersagt, oder duldet nur in seltenen und Ausnahmsfällen die Nachtarbeit. Alle diese nach vielfachen Discussionen durchgegangenen Punkte verdankt man hauptsächlich der emsigen und gewissenhaften Umarbeitung des ursprünglichen Entwurfs durch die Commission. Die Commission hat in ihrem Bestreben, die Kindheit kräftig zu beschützen, geglaubt, die Maaßregeln durch folgende Verfügung vervollständigen zu müssen: &#x201E;Die Kinder, von welchem Alter sie seyn mögen, sollen während der durch das Gesetz bestimmten Feiertage nicht zur Arbeit angehalten werden.&#x201C; Hr. Cousin erklärte sich gegen diesen Artikel, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Gesetz von 1814 in Betreff der Beobachtung der Feiertage nicht abgeschafft sey; wir glauben an die von Hrn. Cousin feierlich übernommene und wiederholten Versicherung, sorgfältig über der Vollziehung des Gesetzes von 1814 zu wachen. Wir können aber doch die Ansicht des Hrn. Cousin nicht theilen, indem das Gesetz von 1814 zwar allerdings nicht abgeschafft, es aber doch unzweifelhafte Thatsache ist, worüber man nur die Augen zu öffnen braucht, daß das Gesetz von 1814 täglich, auf tausenderlei Arten von einem Ende Frankreichs zum andern verletzt wird. Das Gesetz, das die Beobachtung der Feiertage vorschreibt, ist nicht abgeschafft, aber es ist in Vergessenheit gerathen: die Commission konnte es nicht wieder in Kraft setzen; sie hat aber gethan, was in ihrer Gewalt stand; sie wollte, wie sich ihr Berichterstatter ausdrückte, den vergessenen Text eines wohlthätigen Gesetzes zum Vortheil der Kinder wieder aufwecken und neu beleben. Die wiederholten Bemühungen des Ministers des öffentlichen Unterrichts und des Handelsministers, eine vage und unwirksame Verfügung der angeführten zu substituiren, scheiterte vollkommen. Der von Hrn. Karl Dupin geschickt vertheidigte Commissionsartikel ward mit großer Mehrheit angenommen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 29 Febr.</dateline>
          <p> Die Berichte des Hrn. v. Pontois lauten sehr befriedigend. Er kann in denselben nicht genug Lord Ponsonby loben, der, was die Verhältnisse der Pforte zu den fremden Mächten betrifft, ganz so denken und schreiben soll, als unser Repräsentant es thut. Unter Anderm versichert Hr. v. Pontois, daß sein brittischer College in sehr bestimmten Ausdrücken an Lord Palmerston berichtet habe, was im Allgemeinen die sogenannte Dardanellenfrage betreffe, begreife er nicht gut, wie diese anders beurtheilt und behandelt werden könne, als sie Hr. Thiers in der denkwürdigen Rede bei Gelegenheit der Adresse besprochen habe; er hielte es für einen großen Fehler, wenn man, nach den Journalen zu urtheilen, sie zu London im Geiste der russischen Vorschläge auffassen wollte, während die Interessen Frankreichs und Englands in diesem Punkt identisch seyen. Lord Ponsonby soll dieser Aeußerung hinzugefügt haben, daß er der Aussage der Journale keinen Glauben beimesse, obgleich sie die einzige Quelle bilden, aus denen er schöpfe, und ihm allein den Leitfaden liefern, um zu wissen, ob Unterhandlungen in London bestehen oder nicht. Er hat nämlich in der letzten Zeit keine Sylbe von seinem Ministerium über den Gang jener Unterhandlungen bekommen, was ihn sehr reizbar macht und spottend sagen läßt, man habe ihn auf einen verlornen Posten gestellt. In dieser unbequemen Lage schließt er sich an Hrn. v. Pontois an, was beweist, daß Lord Ponsonby keine falschen Begriffe mehr über unsere Absichten hat, da der Nachfolger des Admirals Roussin genau in dessen Fußstapfen getreten ist, so daß mit der Abberufung des Admirals ein bloßer Personenwechsel, keine Systemsänderung stattgefunden hat. Also herrscht da jetzt eine gewisse Einigkeit, wo unlängst große Spannung sich kund gab &#x2013; ein Zeichen mehr, daß die Sachen wohl augenblicklich durch persönliche Abneigung leiden können, am Ende aber doch ins wahre Licht treten müssen und ihren Platz behaupten. Dieß gilt auch für unsere innern Verhältnisse, wo trotz aller persönlichen Reibungen, trotz aller Intriguen und Ueberlistungen derjenige Recht behalten wird, der aufrichtig und unbekümmert über die täglich sich wiederholenden Irrungen an den Institutionen hält, welche nach langen Kämpfen, vielfachen Leiden und Gefahren Frankreich errungen hat. Es können noch hundert Krisen wie die gegenwärtige eintreten, das Land wird dadurch unangenehm berührt werden, nimmer aber wird sich der Geist erschöpfen, dem es seine ganze Kraft zu verdanken hat, jener Geist, den die Freiheit gebar, den die Constitution nährte. Deßhalb ist es unbegreiflich, wie so Viele gleich von Furcht erfüllt, Andere freudetrunken werden über das, was sie das künftige Geschick Frankreichs nennen, wenn eine Stockung gleich der gegenwärtigen eintritt, die nicht mehr zu sagen hat als ein vorüberziehendes Gewitter.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Belgien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Brüssel,</hi> 7 März.</dateline>
          <p> Zu Anfang der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer wurde der Minister der auswärtigen Angelegenheiten von einem Gliede der Opposition zur Rede gestellt wegen der seit einigen Tagen erfolgten Zahlung eines Semesters des Zinsenantheils Belgiens an der Staatsschuld des ehemaligen Gesammtkönigreichs (2 1/2 Mill.) in Folge des Tractats der 24 Artikel: ob nämlich die Schwierigkeiten, die sich bisher dieser Zahlung entgegengestellt, ganz gehoben, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0587/0003] versichert, daß dieser Einklang vorhanden sey, flüstert das Journal des Débats, von dem man glaubt, daß es im Vertrauen des Hofes stehe, das Gegentheil ein.“ (Journal des Débats.) Die Pairskammer hatte in der Sitzung am 5 März den ersten Artikel des Gesetzesentwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, nach dem Commissionsantrag, angenommen. Dieser Antrag stellte den Grundsatz auf, daß die Schutzmaaßregeln zu Gunsten der Kinder durch das Gesetz selbst festgesetzt werden sollen, statt daß man sie der Discretion der Regierung überlasse, die sich nach dem ursprünglichen Entwurfe das Recht vorbehielt, durch örtliche und besondere Anordnungen für die nöthig erachteten Maaßregeln zu sorgen. Der Schutz des neuen Gesetzes erstreckt sich nicht auf alle industriellen Anstalten, sondern nur auf diejenigen, in denen sich der Mißbrauch als unerträglich ergeben hat, und wo die Gegenmittel schon jetzt als ausführbar anerkannt wurden. Darunter sind begriffen: 1) die Fabriken und Werkstätten für Spinnerei und für Druck der Gewebe, wie auch immer die angewandten Urstoffe beschaffen seyn mögen; 2) die Fabriken und Werkstätten, wo die treibende Kraft von einem todten mechanischen Hebel, z.B. Wasser, Dampf u. s. w. geliefert wird, weil diese Art von Hebel, die zur Herstellung ihrer Kraft keiner Ruhe bedarf, leicht verleitet, über die durch das natürliche Maaß der menschlichen Kraft festgesetzten Schranken hinaus arbeiten zu lassen; 3) Fabriken und Werkstätten, die mit Hülfe eines anhaltenden Feuers functioniren, wie die Glasfabriken, Töpfereien, Faïencefabriken u. s. w. Das Gesetz behält gleichwohl der erleuchteten Einsicht der Regierung die Ermächtigung vor, dieselben Maaßregeln in nöthig erachteten weitern Fällen auf alle andern Industriezweige auszudehnen. In der Sitzung am 6 März suchte die Kammer die Anwendung dieses Princips zu reguliren, und setzte fest, daß die Kinder von 8 bis 12 Jahren nicht mehr als acht, durch ein Ausruhen abgetheilte Stunden, und die Kinder von 12 bis 16 Jahren nicht mehr als 12 durch Ausruhen abgetheilte Stunden arbeiten können. Der Gesetzgeber untersagt, oder duldet nur in seltenen und Ausnahmsfällen die Nachtarbeit. Alle diese nach vielfachen Discussionen durchgegangenen Punkte verdankt man hauptsächlich der emsigen und gewissenhaften Umarbeitung des ursprünglichen Entwurfs durch die Commission. Die Commission hat in ihrem Bestreben, die Kindheit kräftig zu beschützen, geglaubt, die Maaßregeln durch folgende Verfügung vervollständigen zu müssen: „Die Kinder, von welchem Alter sie seyn mögen, sollen während der durch das Gesetz bestimmten Feiertage nicht zur Arbeit angehalten werden.“ Hr. Cousin erklärte sich gegen diesen Artikel, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Gesetz von 1814 in Betreff der Beobachtung der Feiertage nicht abgeschafft sey; wir glauben an die von Hrn. Cousin feierlich übernommene und wiederholten Versicherung, sorgfältig über der Vollziehung des Gesetzes von 1814 zu wachen. Wir können aber doch die Ansicht des Hrn. Cousin nicht theilen, indem das Gesetz von 1814 zwar allerdings nicht abgeschafft, es aber doch unzweifelhafte Thatsache ist, worüber man nur die Augen zu öffnen braucht, daß das Gesetz von 1814 täglich, auf tausenderlei Arten von einem Ende Frankreichs zum andern verletzt wird. Das Gesetz, das die Beobachtung der Feiertage vorschreibt, ist nicht abgeschafft, aber es ist in Vergessenheit gerathen: die Commission konnte es nicht wieder in Kraft setzen; sie hat aber gethan, was in ihrer Gewalt stand; sie wollte, wie sich ihr Berichterstatter ausdrückte, den vergessenen Text eines wohlthätigen Gesetzes zum Vortheil der Kinder wieder aufwecken und neu beleben. Die wiederholten Bemühungen des Ministers des öffentlichen Unterrichts und des Handelsministers, eine vage und unwirksame Verfügung der angeführten zu substituiren, scheiterte vollkommen. Der von Hrn. Karl Dupin geschickt vertheidigte Commissionsartikel ward mit großer Mehrheit angenommen. _ Paris, 29 Febr. Die Berichte des Hrn. v. Pontois lauten sehr befriedigend. Er kann in denselben nicht genug Lord Ponsonby loben, der, was die Verhältnisse der Pforte zu den fremden Mächten betrifft, ganz so denken und schreiben soll, als unser Repräsentant es thut. Unter Anderm versichert Hr. v. Pontois, daß sein brittischer College in sehr bestimmten Ausdrücken an Lord Palmerston berichtet habe, was im Allgemeinen die sogenannte Dardanellenfrage betreffe, begreife er nicht gut, wie diese anders beurtheilt und behandelt werden könne, als sie Hr. Thiers in der denkwürdigen Rede bei Gelegenheit der Adresse besprochen habe; er hielte es für einen großen Fehler, wenn man, nach den Journalen zu urtheilen, sie zu London im Geiste der russischen Vorschläge auffassen wollte, während die Interessen Frankreichs und Englands in diesem Punkt identisch seyen. Lord Ponsonby soll dieser Aeußerung hinzugefügt haben, daß er der Aussage der Journale keinen Glauben beimesse, obgleich sie die einzige Quelle bilden, aus denen er schöpfe, und ihm allein den Leitfaden liefern, um zu wissen, ob Unterhandlungen in London bestehen oder nicht. Er hat nämlich in der letzten Zeit keine Sylbe von seinem Ministerium über den Gang jener Unterhandlungen bekommen, was ihn sehr reizbar macht und spottend sagen läßt, man habe ihn auf einen verlornen Posten gestellt. In dieser unbequemen Lage schließt er sich an Hrn. v. Pontois an, was beweist, daß Lord Ponsonby keine falschen Begriffe mehr über unsere Absichten hat, da der Nachfolger des Admirals Roussin genau in dessen Fußstapfen getreten ist, so daß mit der Abberufung des Admirals ein bloßer Personenwechsel, keine Systemsänderung stattgefunden hat. Also herrscht da jetzt eine gewisse Einigkeit, wo unlängst große Spannung sich kund gab – ein Zeichen mehr, daß die Sachen wohl augenblicklich durch persönliche Abneigung leiden können, am Ende aber doch ins wahre Licht treten müssen und ihren Platz behaupten. Dieß gilt auch für unsere innern Verhältnisse, wo trotz aller persönlichen Reibungen, trotz aller Intriguen und Ueberlistungen derjenige Recht behalten wird, der aufrichtig und unbekümmert über die täglich sich wiederholenden Irrungen an den Institutionen hält, welche nach langen Kämpfen, vielfachen Leiden und Gefahren Frankreich errungen hat. Es können noch hundert Krisen wie die gegenwärtige eintreten, das Land wird dadurch unangenehm berührt werden, nimmer aber wird sich der Geist erschöpfen, dem es seine ganze Kraft zu verdanken hat, jener Geist, den die Freiheit gebar, den die Constitution nährte. Deßhalb ist es unbegreiflich, wie so Viele gleich von Furcht erfüllt, Andere freudetrunken werden über das, was sie das künftige Geschick Frankreichs nennen, wenn eine Stockung gleich der gegenwärtigen eintritt, die nicht mehr zu sagen hat als ein vorüberziehendes Gewitter. Belgien. _ Brüssel, 7 März. Zu Anfang der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer wurde der Minister der auswärtigen Angelegenheiten von einem Gliede der Opposition zur Rede gestellt wegen der seit einigen Tagen erfolgten Zahlung eines Semesters des Zinsenantheils Belgiens an der Staatsschuld des ehemaligen Gesammtkönigreichs (2 1/2 Mill.) in Folge des Tractats der 24 Artikel: ob nämlich die Schwierigkeiten, die sich bisher dieser Zahlung entgegengestellt, ganz gehoben, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_074_18400314
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_074_18400314/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 74. Augsburg, 14. März 1840, S. 0587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_074_18400314/3>, abgerufen am 30.04.2024.