Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

als Dramaturg -- seit 1825 nahm er diese Stellung
bei der Dresdener Bühne ein und bezog dafür das be¬
scheidene Gehalt von 800 Thalern -- im Theater Proben
oder Vorstellungen beiwohnen mußte, oder wenn er zum
Vorlesen nach Hofe berufen war, stieg er mühsam die
Treppen hinab und ließ sich in einer Portechaise an sein
Ziel tragen, Gesellschaften besuchte er nie mehr, außer
zweimal im Jahre bei dem Intendanten, Herrn von
Lüttichau, dessen Frau für den alten Romantiker schwärmte.
Auch Besuche machte er nie, empfing sie aber um so
häufiger und lieber. Nur seine Bücherleidenschaft ließ
ihn oft die Gicht vergessen -- und auch das mäßige
Budget eines deutschen Dichters. Hörte er, daß irgend¬
wo ein seltenes Buch, besonders eine uralte Shakespeare-
Ausgabe zu kaufen sei, dann ließ er Besuche, Arbeiten,
Theaterproben -- Alles im Stich, eilte mit jugendlicher
Lebhaftigkeit die Treppe hinab, versprach den Porte¬
chaisenträgern ein Extratrinkgeld, wenn sie rasch aus¬
schritten, und zahlte mit der ihm eigenen Sorglosigkeit
in Geldsachen, was ihm für das geliebte Buch abverlangt
wurde. Triumphirend brachte er den Schatz nach Hause,
und wenn die Hofräthin über den hohen Preis seufzte,
konnte er ihr wie ein Kind schmeicheln, und nicht müde
werden, uns Allen auseinanderzusetzen, daß für dies
Spottgeld das kostbare einzige Buch ja fast geschenkt
sei. Und die Gräfin strahlte mit dem strahlenden
Freunde um die Wette, und hatte immer noch ein
Kapitälchen aufzunehmen, das durch den Bücherkauf

als Dramaturg — ſeit 1825 nahm er dieſe Stellung
bei der Dresdener Bühne ein und bezog dafür das be¬
ſcheidene Gehalt von 800 Thalern — im Theater Proben
oder Vorſtellungen beiwohnen mußte, oder wenn er zum
Vorleſen nach Hofe berufen war, ſtieg er mühſam die
Treppen hinab und ließ ſich in einer Portechaiſe an ſein
Ziel tragen, Geſellſchaften beſuchte er nie mehr, außer
zweimal im Jahre bei dem Intendanten, Herrn von
Lüttichau, deſſen Frau für den alten Romantiker ſchwärmte.
Auch Beſuche machte er nie, empfing ſie aber um ſo
häufiger und lieber. Nur ſeine Bücherleidenſchaft ließ
ihn oft die Gicht vergeſſen — und auch das mäßige
Budget eines deutſchen Dichters. Hörte er, daß irgend¬
wo ein ſeltenes Buch, beſonders eine uralte Shakeſpeare-
Ausgabe zu kaufen ſei, dann ließ er Beſuche, Arbeiten,
Theaterproben — Alles im Stich, eilte mit jugendlicher
Lebhaftigkeit die Treppe hinab, verſprach den Porte¬
chaiſenträgern ein Extratrinkgeld, wenn ſie raſch aus¬
ſchritten, und zahlte mit der ihm eigenen Sorgloſigkeit
in Geldſachen, was ihm für das geliebte Buch abverlangt
wurde. Triumphirend brachte er den Schatz nach Hauſe,
und wenn die Hofräthin über den hohen Preis ſeufzte,
konnte er ihr wie ein Kind ſchmeicheln, und nicht müde
werden, uns Allen auseinanderzuſetzen, daß für dies
Spottgeld das koſtbare einzige Buch ja faſt geſchenkt
ſei. Und die Gräfin ſtrahlte mit dem ſtrahlenden
Freunde um die Wette, und hatte immer noch ein
Kapitälchen aufzunehmen, das durch den Bücherkauf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0433" n="405"/>
als Dramaturg &#x2014; &#x017F;eit 1825 nahm er die&#x017F;e Stellung<lb/>
bei der Dresdener Bühne ein und bezog dafür das be¬<lb/>
&#x017F;cheidene Gehalt von 800 Thalern &#x2014; im Theater Proben<lb/>
oder Vor&#x017F;tellungen beiwohnen mußte, oder wenn er zum<lb/>
Vorle&#x017F;en nach Hofe berufen war, &#x017F;tieg er müh&#x017F;am die<lb/>
Treppen hinab und ließ &#x017F;ich in einer Portechai&#x017F;e an &#x017F;ein<lb/>
Ziel tragen, Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften be&#x017F;uchte er nie mehr, außer<lb/>
zweimal im Jahre bei dem Intendanten, Herrn von<lb/>
Lüttichau, de&#x017F;&#x017F;en Frau für den alten Romantiker &#x017F;chwärmte.<lb/>
Auch Be&#x017F;uche machte er nie, empfing &#x017F;ie aber um &#x017F;o<lb/>
häufiger und lieber. Nur &#x017F;eine Bücherleiden&#x017F;chaft ließ<lb/>
ihn oft die Gicht verge&#x017F;&#x017F;en &#x2014; und auch das mäßige<lb/>
Budget eines deut&#x017F;chen Dichters. Hörte er, daß irgend¬<lb/>
wo ein &#x017F;eltenes Buch, be&#x017F;onders eine uralte Shake&#x017F;peare-<lb/>
Ausgabe zu kaufen &#x017F;ei, dann ließ er Be&#x017F;uche, Arbeiten,<lb/>
Theaterproben &#x2014; Alles im Stich, eilte mit jugendlicher<lb/>
Lebhaftigkeit die Treppe hinab, ver&#x017F;prach den Porte¬<lb/>
chai&#x017F;enträgern ein Extratrinkgeld, wenn &#x017F;ie ra&#x017F;ch aus¬<lb/>
&#x017F;chritten, und zahlte mit der ihm eigenen Sorglo&#x017F;igkeit<lb/>
in Geld&#x017F;achen, was ihm für das geliebte Buch abverlangt<lb/>
wurde. Triumphirend brachte er den Schatz nach Hau&#x017F;e,<lb/>
und wenn die Hofräthin über den hohen Preis &#x017F;eufzte,<lb/>
konnte er ihr wie ein Kind &#x017F;chmeicheln, und nicht müde<lb/>
werden, uns Allen auseinanderzu&#x017F;etzen, daß für dies<lb/>
Spottgeld das ko&#x017F;tbare einzige Buch ja fa&#x017F;t ge&#x017F;chenkt<lb/>
&#x017F;ei. Und die Gräfin &#x017F;trahlte mit dem &#x017F;trahlenden<lb/>
Freunde um die Wette, und hatte immer noch ein<lb/>
Kapitälchen aufzunehmen, das durch den Bücherkauf<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0433] als Dramaturg — ſeit 1825 nahm er dieſe Stellung bei der Dresdener Bühne ein und bezog dafür das be¬ ſcheidene Gehalt von 800 Thalern — im Theater Proben oder Vorſtellungen beiwohnen mußte, oder wenn er zum Vorleſen nach Hofe berufen war, ſtieg er mühſam die Treppen hinab und ließ ſich in einer Portechaiſe an ſein Ziel tragen, Geſellſchaften beſuchte er nie mehr, außer zweimal im Jahre bei dem Intendanten, Herrn von Lüttichau, deſſen Frau für den alten Romantiker ſchwärmte. Auch Beſuche machte er nie, empfing ſie aber um ſo häufiger und lieber. Nur ſeine Bücherleidenſchaft ließ ihn oft die Gicht vergeſſen — und auch das mäßige Budget eines deutſchen Dichters. Hörte er, daß irgend¬ wo ein ſeltenes Buch, beſonders eine uralte Shakeſpeare- Ausgabe zu kaufen ſei, dann ließ er Beſuche, Arbeiten, Theaterproben — Alles im Stich, eilte mit jugendlicher Lebhaftigkeit die Treppe hinab, verſprach den Porte¬ chaiſenträgern ein Extratrinkgeld, wenn ſie raſch aus¬ ſchritten, und zahlte mit der ihm eigenen Sorgloſigkeit in Geldſachen, was ihm für das geliebte Buch abverlangt wurde. Triumphirend brachte er den Schatz nach Hauſe, und wenn die Hofräthin über den hohen Preis ſeufzte, konnte er ihr wie ein Kind ſchmeicheln, und nicht müde werden, uns Allen auseinanderzuſetzen, daß für dies Spottgeld das koſtbare einzige Buch ja faſt geſchenkt ſei. Und die Gräfin ſtrahlte mit dem ſtrahlenden Freunde um die Wette, und hatte immer noch ein Kapitälchen aufzunehmen, das durch den Bücherkauf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/433
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/433>, abgerufen am 31.10.2024.