Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.sich danach umzuthun, er hat alle Hände voll mit seinem neuen Landrattencorps zu thun, wie ich erfahren habe; sein Cabinet und Zimmer liegen voll Monturen, Hüte, Schuhe, Gewehre, und Alles läuft Tag und Nacht bei ihm um, wie sein eigener Kopf. Wie ich mit ihm fahren werde, weiß Gott! Jetzt sind die Zinsen von der Herrlichkeit Rosendael fällig, die verpachtet ist -- kein Deut zu haben, und ich soll tausend Gulden Schatzung von den gräflichen Häusern nach Arnhem liefern. Alles Unheil schlägt zusammen, wie der Donner in die Töpfe! Mitten in die endlosen Klagen des redlichen Intendanten leuchtete ein Strahl der Freude; unverhofft kam der Erbherr an, geleitet von einer Reiterabtheilung, und sah sich freudig begrüßt; doch konnte sich Windt nicht enthalten, als er jenen von Weitem erblickte, auszurufen: Gott wie sieht unser Herr aus? Wie ein Busch verhagelter Petersilie! Der Erbherr, allerdings sehr angegriffen und mitgenommen aussehend, saß bald im vertrauten Gespräch mit Windt; es handelte sich um die verwickelte Angelegenheit, der beste Wille war da, aber Geld fehlte und neue Schwierigkeiten thürmten sich entgegen. Windt erhob das große wichtige Bedenken, ob es besser sei, daß Doorwerth bei einem doch immer möglichen Ueberzug dieser Gegend durch die französische Armee Eigenthum eines feindlichen Offiziers sei, Mitgliedes der holländischen Ritterschaft und Oberamtmannes im Haag; oder Eigenthum einer jetzt in der freien Stadt Hamburg lebenden Gräfin, die dem neutralen dänischen Reiche angehöre? Da thäte es Noth, lieber Windt, warf der Erbherr ein, das dänische Grafendiplom aus dem Kniphäuser Archiv, wo nicht gar aus Kopenhagen erst hierher kommen zu lassen -- ehe das kommt, steht hier kein Stein mehr auf dem andern! Mit nichten, gnädigster Erbherr, entgegnete Windt. Hier ist es schon in bester Form und beglaubigter Abschrift auf einem Stempelbogen, der "Een Rigsdaler" gekostet hat. Nos Christianus quintus his literis patentibus und so weiter, beglaubigt, unterschrieben und untersiegelt mit dem Kongelige Danske Cancellier Seigl. Was Sie für ein Diplomat sind, Herr Windt! Fürwahr, ich bewundere sich danach umzuthun, er hat alle Hände voll mit seinem neuen Landrattencorps zu thun, wie ich erfahren habe; sein Cabinet und Zimmer liegen voll Monturen, Hüte, Schuhe, Gewehre, und Alles läuft Tag und Nacht bei ihm um, wie sein eigener Kopf. Wie ich mit ihm fahren werde, weiß Gott! Jetzt sind die Zinsen von der Herrlichkeit Rosendael fällig, die verpachtet ist — kein Deut zu haben, und ich soll tausend Gulden Schatzung von den gräflichen Häusern nach Arnhem liefern. Alles Unheil schlägt zusammen, wie der Donner in die Töpfe! Mitten in die endlosen Klagen des redlichen Intendanten leuchtete ein Strahl der Freude; unverhofft kam der Erbherr an, geleitet von einer Reiterabtheilung, und sah sich freudig begrüßt; doch konnte sich Windt nicht enthalten, als er jenen von Weitem erblickte, auszurufen: Gott wie sieht unser Herr aus? Wie ein Busch verhagelter Petersilie! Der Erbherr, allerdings sehr angegriffen und mitgenommen aussehend, saß bald im vertrauten Gespräch mit Windt; es handelte sich um die verwickelte Angelegenheit, der beste Wille war da, aber Geld fehlte und neue Schwierigkeiten thürmten sich entgegen. Windt erhob das große wichtige Bedenken, ob es besser sei, daß Doorwerth bei einem doch immer möglichen Ueberzug dieser Gegend durch die französische Armee Eigenthum eines feindlichen Offiziers sei, Mitgliedes der holländischen Ritterschaft und Oberamtmannes im Haag; oder Eigenthum einer jetzt in der freien Stadt Hamburg lebenden Gräfin, die dem neutralen dänischen Reiche angehöre? Da thäte es Noth, lieber Windt, warf der Erbherr ein, das dänische Grafendiplom aus dem Kniphäuser Archiv, wo nicht gar aus Kopenhagen erst hierher kommen zu lassen — ehe das kommt, steht hier kein Stein mehr auf dem andern! Mit nichten, gnädigster Erbherr, entgegnete Windt. Hier ist es schon in bester Form und beglaubigter Abschrift auf einem Stempelbogen, der „Een Rigsdaler“ gekostet hat. Nos Christianus quintus his literis patentibus und so weiter, beglaubigt, unterschrieben und untersiegelt mit dem Kongelige Danske Cancellier Seigl. Was Sie für ein Diplomat sind, Herr Windt! Fürwahr, ich bewundere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0171" n="167"/> sich danach umzuthun, er hat alle Hände voll mit seinem neuen Landrattencorps zu thun, wie ich erfahren habe; sein Cabinet und Zimmer liegen voll Monturen, Hüte, Schuhe, Gewehre, und Alles läuft Tag und Nacht bei ihm um, wie sein eigener Kopf. Wie ich mit ihm fahren werde, weiß Gott! Jetzt sind die Zinsen von der Herrlichkeit Rosendael fällig, die verpachtet ist — kein Deut zu haben, und ich soll tausend Gulden Schatzung von den gräflichen Häusern nach Arnhem liefern. Alles Unheil schlägt zusammen, wie der Donner in die Töpfe!</p> <p>Mitten in die endlosen Klagen des redlichen Intendanten leuchtete ein Strahl der Freude; unverhofft kam der Erbherr an, geleitet von einer Reiterabtheilung, und sah sich freudig begrüßt; doch konnte sich Windt nicht enthalten, als er jenen von Weitem erblickte, auszurufen: Gott wie sieht unser Herr aus? Wie ein Busch verhagelter Petersilie!</p> <p>Der Erbherr, allerdings sehr angegriffen und mitgenommen aussehend, saß bald im vertrauten Gespräch mit Windt; es handelte sich um die verwickelte Angelegenheit, der beste Wille war da, aber Geld fehlte und neue Schwierigkeiten thürmten sich entgegen. Windt erhob das große wichtige Bedenken, ob es besser sei, daß Doorwerth bei einem doch immer möglichen Ueberzug dieser Gegend durch die französische Armee Eigenthum eines feindlichen Offiziers sei, Mitgliedes der holländischen Ritterschaft und Oberamtmannes im Haag; oder Eigenthum einer jetzt in der freien Stadt Hamburg lebenden Gräfin, die dem neutralen dänischen Reiche angehöre?</p> <p>Da thäte es Noth, lieber Windt, warf der Erbherr ein, das dänische Grafendiplom aus dem Kniphäuser Archiv, wo nicht gar aus Kopenhagen erst hierher kommen zu lassen — ehe das kommt, steht hier kein Stein mehr auf dem andern!</p> <p>Mit nichten, gnädigster Erbherr, entgegnete Windt. 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sich danach umzuthun, er hat alle Hände voll mit seinem neuen Landrattencorps zu thun, wie ich erfahren habe; sein Cabinet und Zimmer liegen voll Monturen, Hüte, Schuhe, Gewehre, und Alles läuft Tag und Nacht bei ihm um, wie sein eigener Kopf. Wie ich mit ihm fahren werde, weiß Gott! Jetzt sind die Zinsen von der Herrlichkeit Rosendael fällig, die verpachtet ist — kein Deut zu haben, und ich soll tausend Gulden Schatzung von den gräflichen Häusern nach Arnhem liefern. Alles Unheil schlägt zusammen, wie der Donner in die Töpfe!
Mitten in die endlosen Klagen des redlichen Intendanten leuchtete ein Strahl der Freude; unverhofft kam der Erbherr an, geleitet von einer Reiterabtheilung, und sah sich freudig begrüßt; doch konnte sich Windt nicht enthalten, als er jenen von Weitem erblickte, auszurufen: Gott wie sieht unser Herr aus? Wie ein Busch verhagelter Petersilie!
Der Erbherr, allerdings sehr angegriffen und mitgenommen aussehend, saß bald im vertrauten Gespräch mit Windt; es handelte sich um die verwickelte Angelegenheit, der beste Wille war da, aber Geld fehlte und neue Schwierigkeiten thürmten sich entgegen. Windt erhob das große wichtige Bedenken, ob es besser sei, daß Doorwerth bei einem doch immer möglichen Ueberzug dieser Gegend durch die französische Armee Eigenthum eines feindlichen Offiziers sei, Mitgliedes der holländischen Ritterschaft und Oberamtmannes im Haag; oder Eigenthum einer jetzt in der freien Stadt Hamburg lebenden Gräfin, die dem neutralen dänischen Reiche angehöre?
Da thäte es Noth, lieber Windt, warf der Erbherr ein, das dänische Grafendiplom aus dem Kniphäuser Archiv, wo nicht gar aus Kopenhagen erst hierher kommen zu lassen — ehe das kommt, steht hier kein Stein mehr auf dem andern!
Mit nichten, gnädigster Erbherr, entgegnete Windt. Hier ist es schon in bester Form und beglaubigter Abschrift auf einem Stempelbogen, der „Een Rigsdaler“ gekostet hat. Nos Christianus quintus his literis patentibus und so weiter, beglaubigt, unterschrieben und untersiegelt mit dem Kongelige Danske Cancellier Seigl.
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/171>, abgerufen am 15.06.2024. |