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Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

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von den curieusen Hölen an und auf dem Hartz
ben/ was vor curieuse Sachen sie darinnen angetroffen hätten/ und
wie sie darnach klettern und kriechen müssen/ welches ihnen doch we-
gen denen gesehenen Raritäten im geringsten nicht gereüe; massen sie
nicht viel davor nehmen wolten/ daß solche von ihnen nicht in Augen-
Schein genommen worden. Endlich siehet sich die gesamte curi-
eus
e Gesellschafft noch einmahl in der Ober-Höle umb/ und kriechen
hernach durch den Schlund wieder aus derselben/ da sie denn zu
Sommers-Zeit/ sonderlich wenn warme Tage vorhanden/ vor der
Höle eine solche grosse Hitze empfinden/ daß ihnen deücht/ als wären
sie in eine Bad-Stube kommen/ welches ihnen sehr wohl zu statten
kömmet; weilen sie sich ohne dem in der Höle zimlich erkältet ha-
ben. Hat sich nun die Compagnie vor dem Eingang der Höle ver-
kleidet/ so ziehen sie alhier ihre entlehnete Kleider aus und die rechten
wieder an/ ist aber dasselbe in des Führers Wohnung geschehen/ so
gehen sie mit demselben dahin/ und verrichten solches daselbst. Zu
letzt/ wenn dieses geschehen/ geben sie dem Führer das zugesagte und
wohl verdiente Trinck Geld/ nehmen von demselben Abschied/ und
reisen vergnügt wieder den Weg den sie kommen sind. Auf solche
Art hat alsdenn die curieuse Gesellschafft die Baumans-Höle be-
schauet/ und damit bey die zwey/ drey/ auch wol mehr Stunden/
nachdem dieselben sich kurtz oder lang darinnen aufgehalten und um-
gesehen haben/ zugebracht/ ingleichen sind sie daraus glücklich ohne
einiges bey der Einfahrt gemachtes Merck-Zeichen wieder angelan-
get; derowegen sich diejenigen wohl eine recht vergebliche Sorge
machen/ die da vermeinen: daß man daraus so wenig als aus einem
Labyrinth sich wieder finden/ sondern leichlich vergehen und verirren
könne/ wenn nicht vorhero bey dem Einfahren der Ort des Ausgan-
ges bezeichnet worden/ und solches entweder mit Hinwerffung Koh-
len-Staubes/ Strohes und dergleichen/ oder vermittels Anbindung
eines Fadens nach dem Exempel des schönen Jünglings Thesei,
welcher auf diese Weise/ vermöge des getreüen von seiner geliebtesten
Ariadne bekommenen Unterrichts/ aus dem Labyrinth zu Creta
sich glücklich wieder heraus gefunden hat/ wie die Poeten fabuliren
oder dichten; massen man solches alles nicht bedarff/ weilen dem

Führer
C 3

von den curieuſen Hoͤlen an und auf dem Hartz
ben/ was vor curieuſe Sachen ſie darinnen angetroffen haͤtten/ und
wie ſie darnach klettern und kriechen muͤſſen/ welches ihnen doch we-
gen denen geſehenen Raritaͤten im geringſten nicht gereuͤe; maſſen ſie
nicht viel davor nehmen wolten/ daß ſolche von ihnen nicht in Augen-
Schein genommen worden. Endlich ſiehet ſich die geſamte curi-
euſ
e Geſellſchafft noch einmahl in der Ober-Hoͤle umb/ und kriechen
hernach durch den Schlund wieder aus derſelben/ da ſie denn zu
Sommers-Zeit/ ſonderlich wenn warme Tage vorhanden/ vor der
Hoͤle eine ſolche groſſe Hitze empfinden/ daß ihnen deuͤcht/ als waͤren
ſie in eine Bad-Stube kommen/ welches ihnen ſehr wohl zu ſtatten
koͤmmet; weilen ſie ſich ohne dem in der Hoͤle zimlich erkaͤltet ha-
ben. Hat ſich nun die Compagnie vor dem Eingang der Hoͤle ver-
kleidet/ ſo ziehen ſie alhier ihre entlehnete Kleider aus und die rechten
wieder an/ iſt aber daſſelbe in des Fuͤhrers Wohnung geſchehen/ ſo
gehen ſie mit demſelben dahin/ und verrichten ſolches daſelbſt. Zu
letzt/ wenn dieſes geſchehen/ geben ſie dem Fuͤhrer das zugeſagte und
wohl verdiente Trinck Geld/ nehmen von demſelben Abſchied/ und
reiſen vergnuͤgt wieder den Weg den ſie kommen ſind. Auf ſolche
Art hat alsdenn die curieuſe Geſellſchafft die Baumans-Hoͤle be-
ſchauet/ und damit bey die zwey/ drey/ auch wol mehr Stunden/
nachdem dieſelben ſich kurtz oder lang darinnen aufgehalten und um-
geſehen haben/ zugebracht/ ingleichen ſind ſie daraus gluͤcklich ohne
einiges bey der Einfahrt gemachtes Merck-Zeichen wieder angelan-
get; derowegen ſich diejenigen wohl eine recht vergebliche Sorge
machen/ die da vermeinen: daß man daraus ſo wenig als aus einem
Labyrinth ſich wieder finden/ ſondern leichlich vergehen und verirren
koͤnne/ wenn nicht vorhero bey dem Einfahren der Ort des Ausgan-
ges bezeichnet worden/ und ſolches entweder mit Hinwerffung Koh-
len-Staubes/ Strohes und dergleichen/ oder vermittels Anbindung
eines Fadens nach dem Exempel des ſchoͤnen Juͤnglings Theſei,
welcher auf dieſe Weiſe/ vermoͤge des getreuͤen von ſeiner geliebteſten
Ariadne bekommenen Unterrichts/ aus dem Labyrinth zu Creta
ſich gluͤcklich wieder heraus gefunden hat/ wie die Poeten fabuliren
oder dichten; maſſen man ſolches alles nicht bedarff/ weilen dem

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[21/0033] von den curieuſen Hoͤlen an und auf dem Hartz ben/ was vor curieuſe Sachen ſie darinnen angetroffen haͤtten/ und wie ſie darnach klettern und kriechen muͤſſen/ welches ihnen doch we- gen denen geſehenen Raritaͤten im geringſten nicht gereuͤe; maſſen ſie nicht viel davor nehmen wolten/ daß ſolche von ihnen nicht in Augen- Schein genommen worden. Endlich ſiehet ſich die geſamte curi- euſe Geſellſchafft noch einmahl in der Ober-Hoͤle umb/ und kriechen hernach durch den Schlund wieder aus derſelben/ da ſie denn zu Sommers-Zeit/ ſonderlich wenn warme Tage vorhanden/ vor der Hoͤle eine ſolche groſſe Hitze empfinden/ daß ihnen deuͤcht/ als waͤren ſie in eine Bad-Stube kommen/ welches ihnen ſehr wohl zu ſtatten koͤmmet; weilen ſie ſich ohne dem in der Hoͤle zimlich erkaͤltet ha- ben. Hat ſich nun die Compagnie vor dem Eingang der Hoͤle ver- kleidet/ ſo ziehen ſie alhier ihre entlehnete Kleider aus und die rechten wieder an/ iſt aber daſſelbe in des Fuͤhrers Wohnung geſchehen/ ſo gehen ſie mit demſelben dahin/ und verrichten ſolches daſelbſt. Zu letzt/ wenn dieſes geſchehen/ geben ſie dem Fuͤhrer das zugeſagte und wohl verdiente Trinck Geld/ nehmen von demſelben Abſchied/ und reiſen vergnuͤgt wieder den Weg den ſie kommen ſind. Auf ſolche Art hat alsdenn die curieuſe Geſellſchafft die Baumans-Hoͤle be- ſchauet/ und damit bey die zwey/ drey/ auch wol mehr Stunden/ nachdem dieſelben ſich kurtz oder lang darinnen aufgehalten und um- geſehen haben/ zugebracht/ ingleichen ſind ſie daraus gluͤcklich ohne einiges bey der Einfahrt gemachtes Merck-Zeichen wieder angelan- get; derowegen ſich diejenigen wohl eine recht vergebliche Sorge machen/ die da vermeinen: daß man daraus ſo wenig als aus einem Labyrinth ſich wieder finden/ ſondern leichlich vergehen und verirren koͤnne/ wenn nicht vorhero bey dem Einfahren der Ort des Ausgan- ges bezeichnet worden/ und ſolches entweder mit Hinwerffung Koh- len-Staubes/ Strohes und dergleichen/ oder vermittels Anbindung eines Fadens nach dem Exempel des ſchoͤnen Juͤnglings Theſei, welcher auf dieſe Weiſe/ vermoͤge des getreuͤen von ſeiner geliebteſten Ariadne bekommenen Unterrichts/ aus dem Labyrinth zu Creta ſich gluͤcklich wieder heraus gefunden hat/ wie die Poeten fabuliren oder dichten; maſſen man ſolches alles nicht bedarff/ weilen dem Fuͤhrer C 3

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Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/33>, abgerufen am 30.04.2024.