der reichgesegneten Po-Ebene durch eindringende, jetzt von den Alpen aufgehaltene, winterliche Nordstürme zur Unmöglichkeit wer¬ den. Es würde somit der klimatische Wechsel bezüglich der herr¬ schenden Temperaturverhältnisse schon ein bedeutend anderer sein.
Hiermit gestaltete sich aber auch die Thätigkeit der Wolken¬ bildungen und dadurch zugleich die Summe der atmosphärischen Niederschläge anders. Das Alpengebiet, in welchem relativ die jährlich größte Regen- und Schneemenge in Europa niederfällt, ist der unversiegbare Wasserlieferant für die Rhein-, Donau-, Rhone- und Po-Länder; ohne die reichhaltigen Schneemagazine im Hochgebirge würden diese Ströme mit ihren tausendfach ver¬ zweigten Quellensystemen zu unbedeutenden Wasseradern herab¬ sinken. Alle jene natürlichen Verkehrsstraßen, welche die Flüsse Jahrtausende lang bildeten, ehe der Schienenweg sie überflügelte, würden nicht zu ihrer historischen Bedeutung für Handel und Ge¬ werbe gelangt sein.
Das Alpengebäude schließt einen unerschöpflichen Reichthum von Naturwundern ein. Kein anderes Gebirge Europas umfaßt so wie die Alpen die Flora dreier Zonen: die nordisch-arktische und gemäßigte reichen der tropischen die Hand und wir finden Reprä¬ sentanten der Vegetation von mehr als dreißig geographischen Breitegraden auf kleinem Raume. In keinem anderen Gebirge unseres Erdtheils tritt das Walten der atmosphärischen Thätigkeit in so furchtbarer Größe und unter so gewaltigen Kraftäußerungen auf; und in keinem zeigt sich die Summe der Gegensätze im Leben seiner Bewohner so auffallend als im Alpenlande. Einzelne Bil¬ der von allen diesen Berührungspunkten zu geben, sei Aufgabe nachstehender Blätter.
Das Alpengebäude.
der reichgeſegneten Po-Ebene durch eindringende, jetzt von den Alpen aufgehaltene, winterliche Nordſtürme zur Unmöglichkeit wer¬ den. Es würde ſomit der klimatiſche Wechſel bezüglich der herr¬ ſchenden Temperaturverhältniſſe ſchon ein bedeutend anderer ſein.
Hiermit geſtaltete ſich aber auch die Thätigkeit der Wolken¬ bildungen und dadurch zugleich die Summe der atmoſphäriſchen Niederſchläge anders. Das Alpengebiet, in welchem relativ die jährlich größte Regen- und Schneemenge in Europa niederfällt, iſt der unverſiegbare Waſſerlieferant für die Rhein-, Donau-, Rhône- und Po-Länder; ohne die reichhaltigen Schneemagazine im Hochgebirge würden dieſe Ströme mit ihren tauſendfach ver¬ zweigten Quellenſyſtemen zu unbedeutenden Waſſeradern herab¬ ſinken. Alle jene natürlichen Verkehrsſtraßen, welche die Flüſſe Jahrtauſende lang bildeten, ehe der Schienenweg ſie überflügelte, würden nicht zu ihrer hiſtoriſchen Bedeutung für Handel und Ge¬ werbe gelangt ſein.
Das Alpengebäude ſchließt einen unerſchöpflichen Reichthum von Naturwundern ein. Kein anderes Gebirge Europas umfaßt ſo wie die Alpen die Flora dreier Zonen: die nordiſch-arktiſche und gemäßigte reichen der tropiſchen die Hand und wir finden Reprä¬ ſentanten der Vegetation von mehr als dreißig geographiſchen Breitegraden auf kleinem Raume. In keinem anderen Gebirge unſeres Erdtheils tritt das Walten der atmoſphäriſchen Thätigkeit in ſo furchtbarer Größe und unter ſo gewaltigen Kraftäußerungen auf; und in keinem zeigt ſich die Summe der Gegenſätze im Leben ſeiner Bewohner ſo auffallend als im Alpenlande. Einzelne Bil¬ der von allen dieſen Berührungspunkten zu geben, ſei Aufgabe nachſtehender Blätter.
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Das Alpengebäude.
der reichgeſegneten Po-Ebene durch eindringende, jetzt von den
Alpen aufgehaltene, winterliche Nordſtürme zur Unmöglichkeit wer¬
den. Es würde ſomit der klimatiſche Wechſel bezüglich der herr¬
ſchenden Temperaturverhältniſſe ſchon ein bedeutend anderer ſein.
Hiermit geſtaltete ſich aber auch die Thätigkeit der Wolken¬
bildungen und dadurch zugleich die Summe der atmoſphäriſchen
Niederſchläge anders. Das Alpengebiet, in welchem relativ die
jährlich größte Regen- und Schneemenge in Europa niederfällt,
iſt der unverſiegbare Waſſerlieferant für die Rhein-, Donau-,
Rhône- und Po-Länder; ohne die reichhaltigen Schneemagazine
im Hochgebirge würden dieſe Ströme mit ihren tauſendfach ver¬
zweigten Quellenſyſtemen zu unbedeutenden Waſſeradern herab¬
ſinken. Alle jene natürlichen Verkehrsſtraßen, welche die Flüſſe
Jahrtauſende lang bildeten, ehe der Schienenweg ſie überflügelte,
würden nicht zu ihrer hiſtoriſchen Bedeutung für Handel und Ge¬
werbe gelangt ſein.
Das Alpengebäude ſchließt einen unerſchöpflichen Reichthum
von Naturwundern ein. Kein anderes Gebirge Europas umfaßt
ſo wie die Alpen die Flora dreier Zonen: die nordiſch-arktiſche und
gemäßigte reichen der tropiſchen die Hand und wir finden Reprä¬
ſentanten der Vegetation von mehr als dreißig geographiſchen
Breitegraden auf kleinem Raume. In keinem anderen Gebirge
unſeres Erdtheils tritt das Walten der atmoſphäriſchen Thätigkeit
in ſo furchtbarer Größe und unter ſo gewaltigen Kraftäußerungen
auf; und in keinem zeigt ſich die Summe der Gegenſätze im Leben
ſeiner Bewohner ſo auffallend als im Alpenlande. Einzelne Bil¬
der von allen dieſen Berührungspunkten zu geben, ſei Aufgabe
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/36>, abgerufen am 06.05.2024.
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