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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 12. Verlust der bürgerlichen Ehre.

3) Das Strafgesetzbuch verbindet mit dem Verlust der bürgerlichen
Ehre keine äußerliche symbolische Beschimpfung durch Brandmarkung,
Pranger u. dgl.

4) Die Wirkungen des Verlustes der bürgerlichen Ehre in Be-
ziehung auf die einzelnen Ehrenrechte sind nicht genau dieselben; das
Strafgesetzbuch läßt namentlich auch den Adel verloren gehen.

Nach dieser Erörterung kann die Wirkung des Verlustes der bür-
gerlichen Ehre, welche von Rechtswegen mit der Verurtheilung zur
Zuchthausstrafe verbunden und im Urtheile also nicht besonders auszu-
sprechen ist, in Beziehung auf die einzelnen darunter begriffenen Eh-
renrechte dargestellt werden. v)

1) Der Verlust des Rechts, die Preußische National-Kokarde zu
tragen. Es hätte Vieles für sich gehabt, wenn man diese symbolische
Form der Aberkennung der Ehrenrechte, welche für die Anschauungsweise
des Volkes von Bedeutung geworden war, hätte beibehalten können, so
daß im Urtheil neben der Zuchthausstrafe ausdrücklich darauf zu erkennen
gewesen wäre. Aber theils pflegt man gegenwärtig die Wichtigkeit solcher
Symbole im Recht überhaupt nicht hoch anzuschlagen, theils hatte man
Ursache, gerade bei den Ehrenstrafen einen Zusammenhang zwischen dem
Gesetzbuch und der früheren Jurisprudenz möglichst zu vermeiden.

2) Die zweite Nummer enthält die Bestimmung, daß der Verlust
der bürgerlichen Ehre nicht bloß die Unfähigkeit, öffentliche Aemter,
Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu führen oder zu erlangen,
umfasse, sondern auch den Verlust des Adels. In ersterer Beziehung
könnten Bedenken entstehen, inwiefern die Vorschrift sich auch auf aus-
ländische Titel, Orden, u. s. w. beziehen soll, da deren Ertheilung nicht
von dem Willen der Preußischen Staatsregierung abhängt. Es ver-
steht sich aber von selbst, daß die Wirkung einer Strafe nur so weit
geht, als sie überhaupt vom Staate vollstreckt werden kann. Dieser
kann es nun freilich nicht verhindern, daß einem Preußen, der die bür-
gerlichen Ehrenrechte verloren hat, von einer auswärtigen Macht irgend
eine Auszeichnung der angeführten Art verliehen werde; aber der Staat
kann erklären, daß der Beliehene nicht befähigt ist, eine solche Auszeich-
nung zu erlangen, und wenn er sie doch annimmt, und dieß äußerlich
durch die Führung des Titels u. s. w. zu erkennen giebt, so kommen die
Bestimmungen des §. 105. des Strafgesetzbuchs zu Anwendung.

Wegen der Aberkennung des Adels fanden noch in der Kommission
der zweiten Kammer wiederholte Verhandlungen statt, in welchen die

v) Von der Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit,
s. unten §. 21. 22.
§. 12. Verluſt der bürgerlichen Ehre.

3) Das Strafgeſetzbuch verbindet mit dem Verluſt der bürgerlichen
Ehre keine äußerliche ſymboliſche Beſchimpfung durch Brandmarkung,
Pranger u. dgl.

4) Die Wirkungen des Verluſtes der bürgerlichen Ehre in Be-
ziehung auf die einzelnen Ehrenrechte ſind nicht genau dieſelben; das
Strafgeſetzbuch läßt namentlich auch den Adel verloren gehen.

Nach dieſer Erörterung kann die Wirkung des Verluſtes der bür-
gerlichen Ehre, welche von Rechtswegen mit der Verurtheilung zur
Zuchthausſtrafe verbunden und im Urtheile alſo nicht beſonders auszu-
ſprechen iſt, in Beziehung auf die einzelnen darunter begriffenen Eh-
renrechte dargeſtellt werden. v)

1) Der Verluſt des Rechts, die Preußiſche National-Kokarde zu
tragen. Es hätte Vieles für ſich gehabt, wenn man dieſe ſymboliſche
Form der Aberkennung der Ehrenrechte, welche für die Anſchauungsweiſe
des Volkes von Bedeutung geworden war, hätte beibehalten können, ſo
daß im Urtheil neben der Zuchthausſtrafe ausdrücklich darauf zu erkennen
geweſen wäre. Aber theils pflegt man gegenwärtig die Wichtigkeit ſolcher
Symbole im Recht überhaupt nicht hoch anzuſchlagen, theils hatte man
Urſache, gerade bei den Ehrenſtrafen einen Zuſammenhang zwiſchen dem
Geſetzbuch und der früheren Jurisprudenz möglichſt zu vermeiden.

2) Die zweite Nummer enthält die Beſtimmung, daß der Verluſt
der bürgerlichen Ehre nicht bloß die Unfähigkeit, öffentliche Aemter,
Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu führen oder zu erlangen,
umfaſſe, ſondern auch den Verluſt des Adels. In erſterer Beziehung
könnten Bedenken entſtehen, inwiefern die Vorſchrift ſich auch auf aus-
ländiſche Titel, Orden, u. ſ. w. beziehen ſoll, da deren Ertheilung nicht
von dem Willen der Preußiſchen Staatsregierung abhängt. Es ver-
ſteht ſich aber von ſelbſt, daß die Wirkung einer Strafe nur ſo weit
geht, als ſie überhaupt vom Staate vollſtreckt werden kann. Dieſer
kann es nun freilich nicht verhindern, daß einem Preußen, der die bür-
gerlichen Ehrenrechte verloren hat, von einer auswärtigen Macht irgend
eine Auszeichnung der angeführten Art verliehen werde; aber der Staat
kann erklären, daß der Beliehene nicht befähigt iſt, eine ſolche Auszeich-
nung zu erlangen, und wenn er ſie doch annimmt, und dieß äußerlich
durch die Führung des Titels u. ſ. w. zu erkennen giebt, ſo kommen die
Beſtimmungen des §. 105. des Strafgeſetzbuchs zu Anwendung.

Wegen der Aberkennung des Adels fanden noch in der Kommiſſion
der zweiten Kammer wiederholte Verhandlungen ſtatt, in welchen die

v) Von der Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit,
ſ. unten §. 21. 22.
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[107/0117] §. 12. Verluſt der bürgerlichen Ehre. 3) Das Strafgeſetzbuch verbindet mit dem Verluſt der bürgerlichen Ehre keine äußerliche ſymboliſche Beſchimpfung durch Brandmarkung, Pranger u. dgl. 4) Die Wirkungen des Verluſtes der bürgerlichen Ehre in Be- ziehung auf die einzelnen Ehrenrechte ſind nicht genau dieſelben; das Strafgeſetzbuch läßt namentlich auch den Adel verloren gehen. Nach dieſer Erörterung kann die Wirkung des Verluſtes der bür- gerlichen Ehre, welche von Rechtswegen mit der Verurtheilung zur Zuchthausſtrafe verbunden und im Urtheile alſo nicht beſonders auszu- ſprechen iſt, in Beziehung auf die einzelnen darunter begriffenen Eh- renrechte dargeſtellt werden. v) 1) Der Verluſt des Rechts, die Preußiſche National-Kokarde zu tragen. Es hätte Vieles für ſich gehabt, wenn man dieſe ſymboliſche Form der Aberkennung der Ehrenrechte, welche für die Anſchauungsweiſe des Volkes von Bedeutung geworden war, hätte beibehalten können, ſo daß im Urtheil neben der Zuchthausſtrafe ausdrücklich darauf zu erkennen geweſen wäre. Aber theils pflegt man gegenwärtig die Wichtigkeit ſolcher Symbole im Recht überhaupt nicht hoch anzuſchlagen, theils hatte man Urſache, gerade bei den Ehrenſtrafen einen Zuſammenhang zwiſchen dem Geſetzbuch und der früheren Jurisprudenz möglichſt zu vermeiden. 2) Die zweite Nummer enthält die Beſtimmung, daß der Verluſt der bürgerlichen Ehre nicht bloß die Unfähigkeit, öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu führen oder zu erlangen, umfaſſe, ſondern auch den Verluſt des Adels. In erſterer Beziehung könnten Bedenken entſtehen, inwiefern die Vorſchrift ſich auch auf aus- ländiſche Titel, Orden, u. ſ. w. beziehen ſoll, da deren Ertheilung nicht von dem Willen der Preußiſchen Staatsregierung abhängt. Es ver- ſteht ſich aber von ſelbſt, daß die Wirkung einer Strafe nur ſo weit geht, als ſie überhaupt vom Staate vollſtreckt werden kann. Dieſer kann es nun freilich nicht verhindern, daß einem Preußen, der die bür- gerlichen Ehrenrechte verloren hat, von einer auswärtigen Macht irgend eine Auszeichnung der angeführten Art verliehen werde; aber der Staat kann erklären, daß der Beliehene nicht befähigt iſt, eine ſolche Auszeich- nung zu erlangen, und wenn er ſie doch annimmt, und dieß äußerlich durch die Führung des Titels u. ſ. w. zu erkennen giebt, ſo kommen die Beſtimmungen des §. 105. des Strafgeſetzbuchs zu Anwendung. Wegen der Aberkennung des Adels fanden noch in der Kommiſſion der zweiten Kammer wiederholte Verhandlungen ſtatt, in welchen die v) Von der Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit, ſ. unten §. 21. 22.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/117>, abgerufen am 30.04.2024.