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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
liebte, nach dem Vorbilde des Cäsaren die Haare
ins Gesicht und über die Ohren zu streichen.

Wer Mürgers Boheme-Buch kennt, wird, nach¬
dem die Namen Rodolphe, Marcel und Schau¬
nard gefallen sind, ohne weiteres wissen, daß
sich dieser Jüngling des Spitznamens Colline
erfreute.

Diese Spitznamen waren übrigens in der Schule
nicht allgemein gültig, sondern ein Reservatrecht
des "Cenacles" oder der Vereinigung der vier
Schlappdeckel unter sich, die, als zukünftige Dichter
und Künstler, wie sie sich fühlten, sich das Cenacle
in Mürgers Vie de Boheme zum Muster genommen
hatten und sogar nach Möglichkeit die Ausdrucks¬
weise ihrer Vorbilder nachahmten. Sie hielten sich,
im Gefühle ihrer Zukunft, sehr exklusiv gegenüber
den anderen Primanern, die eingestandenermaßen
blos Pastoren, Lehrer, Ärzte, Juristen, Offiziere
werden wollten, und wurden dafür wieder von
diesen als überspannt und lächerlich abgethan.
Ihre bürgerliche Nomenclatur war diese:

Rodolphe: Bruno Wippert,
Marcel: Max Stössel,
Colline: Ludwig Barmann,
Schaunard: Willibald Stilpe.

Stilpe.
liebte, nach dem Vorbilde des Cäſaren die Haare
ins Geſicht und über die Ohren zu ſtreichen.

Wer Mürgers Bohème-Buch kennt, wird, nach¬
dem die Namen Rodolphe, Marcel und Schau¬
nard gefallen ſind, ohne weiteres wiſſen, daß
ſich dieſer Jüngling des Spitznamens Colline
erfreute.

Dieſe Spitznamen waren übrigens in der Schule
nicht allgemein gültig, ſondern ein Reſervatrecht
des „Cénacles“ oder der Vereinigung der vier
Schlappdeckel unter ſich, die, als zukünftige Dichter
und Künſtler, wie ſie ſich fühlten, ſich das Cénacle
in Mürgers Vie de Bohème zum Muſter genommen
hatten und ſogar nach Möglichkeit die Ausdrucks¬
weiſe ihrer Vorbilder nachahmten. Sie hielten ſich,
im Gefühle ihrer Zukunft, ſehr exkluſiv gegenüber
den anderen Primanern, die eingeſtandenermaßen
blos Paſtoren, Lehrer, Ärzte, Juriſten, Offiziere
werden wollten, und wurden dafür wieder von
dieſen als überſpannt und lächerlich abgethan.
Ihre bürgerliche Nomenclatur war dieſe:

Rodolphe: Bruno Wippert,
Marcel: Max Stöſſel,
Colline: Ludwig Barmann,
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[166/0180] Stilpe. liebte, nach dem Vorbilde des Cäſaren die Haare ins Geſicht und über die Ohren zu ſtreichen. Wer Mürgers Bohème-Buch kennt, wird, nach¬ dem die Namen Rodolphe, Marcel und Schau¬ nard gefallen ſind, ohne weiteres wiſſen, daß ſich dieſer Jüngling des Spitznamens Colline erfreute. Dieſe Spitznamen waren übrigens in der Schule nicht allgemein gültig, ſondern ein Reſervatrecht des „Cénacles“ oder der Vereinigung der vier Schlappdeckel unter ſich, die, als zukünftige Dichter und Künſtler, wie ſie ſich fühlten, ſich das Cénacle in Mürgers Vie de Bohème zum Muſter genommen hatten und ſogar nach Möglichkeit die Ausdrucks¬ weiſe ihrer Vorbilder nachahmten. Sie hielten ſich, im Gefühle ihrer Zukunft, ſehr exkluſiv gegenüber den anderen Primanern, die eingeſtandenermaßen blos Paſtoren, Lehrer, Ärzte, Juriſten, Offiziere werden wollten, und wurden dafür wieder von dieſen als überſpannt und lächerlich abgethan. Ihre bürgerliche Nomenclatur war dieſe: Rodolphe: Bruno Wippert, Marcel: Max Stöſſel, Colline: Ludwig Barmann, Schaunard: Willibald Stilpe.

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/180>, abgerufen am 01.11.2024.