Vögel, die darüber fliegen, gleich todt herabfallen. So erzählt man, aber ich glaube es nicht.
-- Es hat sich hier seit einiger Zeit eine re¬ ligiöse Gesellschaft gebildet, welche die Lehren des St. Simon zu verbreiten sucht. Ich habe früher nie etwas von diesem Simon gehört. Es werden Sonntags Predigten gehalten. Wie man mir er¬ zählt, soll gleiche Vertheilung der Güter eine der Grundlehren seyn. Die Gesellschaft zählt schon viele Anhänger und der Sohn meines Banquiers gehört zu den eifrigsten Mitgliedern. Wenn ich Geld bei ihm hole, und ich ihm einen Wechsel anbiete, wird er mir gewiß sagen: das ist ja gar nicht nö¬ thig, sein Geld sei auch das meinige. Ich freue mich sehr darauf.
Gestern habe ich die Giraffe gesehen, die in einem Gehege frei umhergeht. Ein erhabenes Thier, das aber doch viel Lächerliches hat; eine tölpelhafte Majestät. Man muß oft lange warten, bis es ihr gefällig ist, die Beine aufzuheben und sich in Be¬ wegung zu setzen. Gewöhnlich steht sie still, an Bäumen oder an der Mauer eines dort befindlichen Gebäudes und benagt die obersten Zweige oder das Dach. Das Thier sieht sehr metaphysisch aus, lebt mit dem größten Theile seines Wesens in der Luft, und scheint die Erde nur zu berühren, um sie ver¬
Vögel, die darüber fliegen, gleich todt herabfallen. So erzählt man, aber ich glaube es nicht.
— Es hat ſich hier ſeit einiger Zeit eine re¬ ligiöſe Geſellſchaft gebildet, welche die Lehren des St. Simon zu verbreiten ſucht. Ich habe früher nie etwas von dieſem Simon gehört. Es werden Sonntags Predigten gehalten. Wie man mir er¬ zählt, ſoll gleiche Vertheilung der Güter eine der Grundlehren ſeyn. Die Geſellſchaft zählt ſchon viele Anhänger und der Sohn meines Banquiers gehört zu den eifrigſten Mitgliedern. Wenn ich Geld bei ihm hole, und ich ihm einen Wechſel anbiete, wird er mir gewiß ſagen: das iſt ja gar nicht nö¬ thig, ſein Geld ſei auch das meinige. Ich freue mich ſehr darauf.
Geſtern habe ich die Giraffe geſehen, die in einem Gehege frei umhergeht. Ein erhabenes Thier, das aber doch viel Lächerliches hat; eine tölpelhafte Majeſtät. Man muß oft lange warten, bis es ihr gefällig iſt, die Beine aufzuheben und ſich in Be¬ wegung zu ſetzen. Gewöhnlich ſteht ſie ſtill, an Bäumen oder an der Mauer eines dort befindlichen Gebäudes und benagt die oberſten Zweige oder das Dach. Das Thier ſieht ſehr metaphyſiſch aus, lebt mit dem größten Theile ſeines Weſens in der Luft, und ſcheint die Erde nur zu berühren, um ſie ver¬
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Vögel, die darüber fliegen, gleich todt herabfallen.
So erzählt man, aber ich glaube es nicht.
— Es hat ſich hier ſeit einiger Zeit eine re¬
ligiöſe Geſellſchaft gebildet, welche die Lehren des
St. Simon zu verbreiten ſucht. Ich habe früher
nie etwas von dieſem Simon gehört. Es werden
Sonntags Predigten gehalten. Wie man mir er¬
zählt, ſoll gleiche Vertheilung der Güter eine der
Grundlehren ſeyn. Die Geſellſchaft zählt ſchon
viele Anhänger und der Sohn meines Banquiers
gehört zu den eifrigſten Mitgliedern. Wenn ich Geld
bei ihm hole, und ich ihm einen Wechſel anbiete,
wird er mir gewiß ſagen: das iſt ja gar nicht nö¬
thig, ſein Geld ſei auch das meinige. Ich freue
mich ſehr darauf.
Geſtern habe ich die Giraffe geſehen, die in
einem Gehege frei umhergeht. Ein erhabenes Thier,
das aber doch viel Lächerliches hat; eine tölpelhafte
Majeſtät. Man muß oft lange warten, bis es ihr
gefällig iſt, die Beine aufzuheben und ſich in Be¬
wegung zu ſetzen. Gewöhnlich ſteht ſie ſtill, an
Bäumen oder an der Mauer eines dort befindlichen
Gebäudes und benagt die oberſten Zweige oder das
Dach. Das Thier ſieht ſehr metaphyſiſch aus, lebt
mit dem größten Theile ſeines Weſens in der Luft,
und ſcheint die Erde nur zu berühren, um ſie ver¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/72>, abgerufen am 15.06.2024.
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