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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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mit der jungen Gesetzgebung der deutschen
Bundesversammlung in der liebevollsten Ein¬
tracht lebe -- wie unser Senat erklärte, --
verscheuchte alle Schrecken der Nacht von
mir, und ich mußte laut auflachen. Hätte
ich so etwas gesagt, hätte man es für fre¬
velhaften Spott und Preßfrechheit erklärt.
Alle Arretirungen in Frankfurt während der
Unruhen würden bei Nacht vorgenommen.
Was mich betrifft, so erkläre und entschuldige
ich einen solchen schändlichen Friedensbruch leicht
damit, daß dort die Regierung wie überall der
Antipode des Volks ist, und sie daher Tag hat,
während jenes Nacht. Wie aber unsere Bürger,
unsere Advokaten, die sich mit mathematischer
Geographie und Moralphilosophie nicht viel be¬
schäftigen, eine solche schauderhafte Gewaltthätig¬
keit, einen solchen finstern Uebermuth aus dem
Mittel-Alter ertragen -- das begreife ich, das
verzeihe ich nicht. In Frankreich ist man ja

mit der jungen Geſetzgebung der deutſchen
Bundesverſammlung in der liebevollſten Ein¬
tracht lebe — wie unſer Senat erklaͤrte, —
verſcheuchte alle Schrecken der Nacht von
mir, und ich mußte laut auflachen. Haͤtte
ich ſo etwas geſagt, haͤtte man es fuͤr fre¬
velhaften Spott und Preßfrechheit erklaͤrt.
Alle Arretirungen in Frankfurt waͤhrend der
Unruhen wuͤrden bei Nacht vorgenommen.
Was mich betrifft, ſo erklaͤre und entſchuldige
ich einen ſolchen ſchaͤndlichen Friedensbruch leicht
damit, daß dort die Regierung wie uͤberall der
Antipode des Volks iſt, und ſie daher Tag hat,
waͤhrend jenes Nacht. Wie aber unſere Buͤrger,
unſere Advokaten, die ſich mit mathematiſcher
Geographie und Moralphiloſophie nicht viel be¬
ſchaͤftigen, eine ſolche ſchauderhafte Gewaltthaͤtig¬
keit, einen ſolchen finſtern Uebermuth aus dem
Mittel-Alter ertragen — das begreife ich, das
verzeihe ich nicht. In Frankreich iſt man ja

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[159/0173] mit der jungen Geſetzgebung der deutſchen Bundesverſammlung in der liebevollſten Ein¬ tracht lebe — wie unſer Senat erklaͤrte, — verſcheuchte alle Schrecken der Nacht von mir, und ich mußte laut auflachen. Haͤtte ich ſo etwas geſagt, haͤtte man es fuͤr fre¬ velhaften Spott und Preßfrechheit erklaͤrt. Alle Arretirungen in Frankfurt waͤhrend der Unruhen wuͤrden bei Nacht vorgenommen. Was mich betrifft, ſo erklaͤre und entſchuldige ich einen ſolchen ſchaͤndlichen Friedensbruch leicht damit, daß dort die Regierung wie uͤberall der Antipode des Volks iſt, und ſie daher Tag hat, waͤhrend jenes Nacht. Wie aber unſere Buͤrger, unſere Advokaten, die ſich mit mathematiſcher Geographie und Moralphiloſophie nicht viel be¬ ſchaͤftigen, eine ſolche ſchauderhafte Gewaltthaͤtig¬ keit, einen ſolchen finſtern Uebermuth aus dem Mittel-Alter ertragen — das begreife ich, das verzeihe ich nicht. In Frankreich iſt man ja

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/173>, abgerufen am 30.04.2024.