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Amelung, Heinrich: Virga Senectutis Desumpta. Gera, 1617.

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Christliche Leichpredigt.
sonsten aber allenthalben jung gewesen. Vnd PliniusPlinius.
schreibet vom Musicanten Xenophilo, daß er 105. Jahr
gelebet vnnd alt worden/ ohne Beschwe[r]ung seines Le-
bens/ welches eine seltzame Glückseligkeit ist zu diesen letz-
ten Zeiten. Wir sollen aber gewiß dafür halten/ daß
das Alter ein Vorbott oder Vordrab deß Todes sey/ wie
auch deß Alters Beschwerung/ vns allgemach von den
zeitlichen vnd jrrdischen Dingen abführen/ vnd vns nach
den himmlischen lencken. Denn Gott gibt vns pro sen-
silibus oculis intellectuales,
vor das Gesicht vorständ-
liche Augen/ wie Socrates vom blinden Didymo schrei-
bet. Als der abtrünnige Keyser Julianus/ dem Mari Bi-
schoff zu Chalcedon, sein Alter vnd Blindheit fürwarff/
vnd jhn spöttisch fragete/ ob jhm sein Galileer/ auff den
er trawete/ nicht köndte heylen/ hat der fromme BischoffSazomenus
lib. 5. cap.
4.

darauff gesaget: At ego gratiam Deo meo habeo,
quod caecus sum, nete, qui a pietate excideris oculis
aspiciam:
Jch dancke vielmehr meinem lieben Gott da-
für/ daß ich blind bin/ damit ich dich Abtrünnigen Ma-
melucken/ der du von der wahren Religion bist abgefal-
len/ mit meinen Augen nicht darff ansehen.

Jn Summa/ das Alter ist vor sich selbsten Kranck-
heit gar gnungsam. Wieder solche Beschwerung vnnd
accidentia deß Alters/ haben die lieben Alten kein
bessers antidoton keine bessere vnnd gewissere Artzney/
als das liebe Gebett/ daß sie die Wort Davids offt repe-
tiren,
vnd sagen: Ach HErr verwirff mich nicht in mei-
nem Alter/ verlaß mich nicht/ wenn ich schwach werde/Psalm. 23.
dein Stecken vnd Stab trösten mich/ etc Psalm 23.

2. Dar-
E ij

Chriſtliche Leichpredigt.
ſonſten aber allenthalben jung geweſen. Vnd PliniusPlinius.
ſchreibet vom Muſicanten Xenophilo, daß er 105. Jahr
gelebet vnnd alt worden/ ohne Beſchwe[r]ung ſeines Le-
bens/ welches eine ſeltzame Gluͤckſeligkeit iſt zu dieſen letz-
ten Zeiten. Wir ſollen aber gewiß dafuͤr halten/ daß
das Alter ein Vorbott oder Vordrab deß Todes ſey/ wie
auch deß Alters Beſchwerung/ vns allgemach von den
zeitlichen vnd jrrdiſchen Dingen abfuͤhren/ vñ vns nach
den himmliſchen lencken. Denn Gott gibt vns pro ſen-
ſilibus oculis intellectuales,
vor das Geſicht vorſtaͤnd-
liche Augen/ wie Socrates vom blinden Didymo ſchrei-
bet. Als der abtruͤnnige Keyſer Julianus/ dem Mari Bi-
ſchoff zu Chalcedon, ſein Alter vnd Blindheit fuͤrwarff/
vnd jhn ſpoͤttiſch fragete/ ob jhm ſein Galileer/ auff den
er trawete/ nicht koͤndte heylen/ hat der fromme BiſchoffSazomenus
lib. 5. cap.
4.

darauff geſaget: At ego gratiam Deo meo habeo,
quod cæcus ſum, nete, qui à pietate excideris oculis
aſpiciam:
Jch dancke vielmehr meinem lieben Gott da-
fuͤr/ daß ich blind bin/ damit ich dich Abtruͤnnigen Ma-
melucken/ der du von der wahren Religion biſt abgefal-
len/ mit meinen Augen nicht darff anſehen.

Jn Summa/ das Alter iſt vor ſich ſelbſten Kranck-
heit gar gnungſam. Wieder ſolche Beſchwerung vnnd
accidentia deß Alters/ haben die lieben Alten kein
beſſers antidoton keine beſſere vnnd gewiſſere Artzney/
als das liebe Gebett/ daß ſie die Wort Davids offt repe-
tiren,
vnd ſagen: Ach HErr verwirff mich nicht in mei-
nem Alter/ verlaß mich nicht/ wenn ich ſchwach werde/Pſalm. 23.
dein Stecken vnd Stab troͤſten mich/ ꝛc Pſalm 23.

2. Dar-
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[35/0035] Chriſtliche Leichpredigt. ſonſten aber allenthalben jung geweſen. Vnd Plinius ſchreibet vom Muſicanten Xenophilo, daß er 105. Jahr gelebet vnnd alt worden/ ohne Beſchwerung ſeines Le- bens/ welches eine ſeltzame Gluͤckſeligkeit iſt zu dieſen letz- ten Zeiten. Wir ſollen aber gewiß dafuͤr halten/ daß das Alter ein Vorbott oder Vordrab deß Todes ſey/ wie auch deß Alters Beſchwerung/ vns allgemach von den zeitlichen vnd jrrdiſchen Dingen abfuͤhren/ vñ vns nach den himmliſchen lencken. Denn Gott gibt vns pro ſen- ſilibus oculis intellectuales, vor das Geſicht vorſtaͤnd- liche Augen/ wie Socrates vom blinden Didymo ſchrei- bet. Als der abtruͤnnige Keyſer Julianus/ dem Mari Bi- ſchoff zu Chalcedon, ſein Alter vnd Blindheit fuͤrwarff/ vnd jhn ſpoͤttiſch fragete/ ob jhm ſein Galileer/ auff den er trawete/ nicht koͤndte heylen/ hat der fromme Biſchoff darauff geſaget: At ego gratiam Deo meo habeo, quod cæcus ſum, nete, qui à pietate excideris oculis aſpiciam: Jch dancke vielmehr meinem lieben Gott da- fuͤr/ daß ich blind bin/ damit ich dich Abtruͤnnigen Ma- melucken/ der du von der wahren Religion biſt abgefal- len/ mit meinen Augen nicht darff anſehen. Plinius. Sazomenus lib. 5. cap. 4. Jn Summa/ das Alter iſt vor ſich ſelbſten Kranck- heit gar gnungſam. Wieder ſolche Beſchwerung vnnd accidentia deß Alters/ haben die lieben Alten kein beſſers antidoton keine beſſere vnnd gewiſſere Artzney/ als das liebe Gebett/ daß ſie die Wort Davids offt repe- tiren, vnd ſagen: Ach HErr verwirff mich nicht in mei- nem Alter/ verlaß mich nicht/ wenn ich ſchwach werde/ dein Stecken vnd Stab troͤſten mich/ ꝛc Pſalm 23. Pſalm. 23. 2. Dar- E ij

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Zitationshilfe: Amelung, Heinrich: Virga Senectutis Desumpta. Gera, 1617, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/523540/35>, abgerufen am 27.04.2024.