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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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GUARINI
T. Was halten wir uns auff? so lasst uns zu ihr eilen.
B. Verzieh ein wenig noch: der Tempel ist geschlossen/
Und niemand darff hinein/ (damit man nicht verlezt
Das hohe Heiligthum) der nicht ein Priester sey/
Biß man das Opffer zubereit't bringt aus der Sacristey.
T. Wenn aber sie indeß aus Zweiffelmutt der Sinnen
Zu Wercke richt ihr leidiges Beginnen?
B. Ach/ nein/ sie kan nicht; denn sie wird verwacht.
T. So sage mir/ indem wir uns allhier verweilen/
Nur alles gleiche zu/ was man mit ihr gemacht.
B. Als deine Tochter nun voll Unmutt/ voller Scham/
(Ach Blick/ ob dem die Thränen aus viel hundert Augen
flossen/
Ob dem die Steine gleichsam selbst geweint) vorn Prie-
ster kam/
Ward sie fast unter eins verklagt/
Und überzeugt/ und ihr das Urtheil angesagt.
T. Ach/ arme Tochter! und warum in solcher Hastigkeit?
B. Weil die Entschuldigung bestund auff schwachen Grün-
den/
Und man dem Augenschein nicht konte widerstreben/
Auch eine Nimphe/ die ihr Zeugnis solte geben/
Nicht gegenwärtig war/ noch man sie konte finden.
Die Wunder-Zeichen auch vergünnten nicht mehr Zeit/
Die man von dem Tag an/ als des Amintas wegen
Die Göttin ihren Zorn uns anfieng darzulegen/
Und unser armes Land empfand den schweren Fluch/
So grausam nicht gesehn.
Die Göttin schwizte Blutt/ die Erd erzitterte/
Die heilge Höl erschütterte/
Mit traurigem Geheul und stinckendem Geruch.
Die Priester machten sich nun auff den Weg mit ihr/
Als der Mirtillo brach herfür/
Und (höre Wunder/ was geschehn!)
Sich anbot durch sein Sterben
Ihr Gnad und Leben zu erwerben.
Er schrey mit heller Stimm: Befreyet doch die Hand/
Die man so unverdient mit diesen Stricken band:
Soll
GUARINI
T. Was halten wir uns auff? ſo laſſt uns zu ihr eilen.
B. Verzieh ein wenig noch: der Tempel iſt geſchloſſen/
Und niemand darff hinein/ (damit man nicht verlezt
Das hohe Heiligthum) der nicht ein Prieſter ſey/
Biß man das Opffer zubereit’t bringt aus der Sacriſtey.
T. Wenn aber ſie indeß aus Zweiffelmutt der Sinnen
Zu Wercke richt ihr leidiges Beginnen?
B. Ach/ nein/ ſie kan nicht; denn ſie wird verwacht.
T. So ſage mir/ indem wir uns allhier verweilen/
Nur alles gleiche zu/ was man mit ihr gemacht.
B. Als deine Tochter nun voll Unmutt/ voller Scham/
(Ach Blick/ ob dem die Thraͤnen aus viel hundert Augen
floſſen/
Ob dem die Steine gleichſam ſelbſt geweint) vorn Prie-
ſter kam/
Ward ſie faſt unter eins verklagt/
Und uͤberzeugt/ und ihr das Urtheil angeſagt.
T. Ach/ arme Tochter! und warum in ſolcher Haſtigkeit?
B. Weil die Entſchuldigung beſtund auff ſchwachen Gruͤn-
den/
Und man dem Augenſchein nicht konte widerſtreben/
Auch eine Nimphe/ die ihr Zeugnis ſolte geben/
Nicht gegenwaͤrtig war/ noch man ſie konte finden.
Die Wunder-Zeichen auch verguͤnnten nicht mehr Zeit/
Die man von dem Tag an/ als des Amintas wegen
Die Goͤttin ihren Zorn uns anfieng darzulegen/
Und unſer armes Land empfand den ſchweren Fluch/
So grauſam nicht geſehn.
Die Goͤttin ſchwizte Blutt/ die Erd erzitterte/
Die heilge Hoͤl erſchuͤtterte/
Mit traurigem Geheul und ſtinckendem Geruch.
Die Prieſter machten ſich nun auff den Weg mit ihr/
Als der Mirtillo brach herfuͤr/
Und (hoͤre Wunder/ was geſchehn!)
Sich anbot durch ſein Sterben
Ihr Gnad und Leben zu erwerben.
Er ſchrey mit heller Stimm: Befreyet doch die Hand/
Die man ſo unverdient mit dieſen Stricken band:
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[142/0242] GUARINI T. Was halten wir uns auff? ſo laſſt uns zu ihr eilen. B. Verzieh ein wenig noch: der Tempel iſt geſchloſſen/ Und niemand darff hinein/ (damit man nicht verlezt Das hohe Heiligthum) der nicht ein Prieſter ſey/ Biß man das Opffer zubereit’t bringt aus der Sacriſtey. T. Wenn aber ſie indeß aus Zweiffelmutt der Sinnen Zu Wercke richt ihr leidiges Beginnen? B. Ach/ nein/ ſie kan nicht; denn ſie wird verwacht. T. So ſage mir/ indem wir uns allhier verweilen/ Nur alles gleiche zu/ was man mit ihr gemacht. B. Als deine Tochter nun voll Unmutt/ voller Scham/ (Ach Blick/ ob dem die Thraͤnen aus viel hundert Augen floſſen/ Ob dem die Steine gleichſam ſelbſt geweint) vorn Prie- ſter kam/ Ward ſie faſt unter eins verklagt/ Und uͤberzeugt/ und ihr das Urtheil angeſagt. T. Ach/ arme Tochter! und warum in ſolcher Haſtigkeit? B. Weil die Entſchuldigung beſtund auff ſchwachen Gruͤn- den/ Und man dem Augenſchein nicht konte widerſtreben/ Auch eine Nimphe/ die ihr Zeugnis ſolte geben/ Nicht gegenwaͤrtig war/ noch man ſie konte finden. Die Wunder-Zeichen auch verguͤnnten nicht mehr Zeit/ Die man von dem Tag an/ als des Amintas wegen Die Goͤttin ihren Zorn uns anfieng darzulegen/ Und unſer armes Land empfand den ſchweren Fluch/ So grauſam nicht geſehn. Die Goͤttin ſchwizte Blutt/ die Erd erzitterte/ Die heilge Hoͤl erſchuͤtterte/ Mit traurigem Geheul und ſtinckendem Geruch. Die Prieſter machten ſich nun auff den Weg mit ihr/ Als der Mirtillo brach herfuͤr/ Und (hoͤre Wunder/ was geſchehn!) Sich anbot durch ſein Sterben Ihr Gnad und Leben zu erwerben. Er ſchrey mit heller Stimm: Befreyet doch die Hand/ Die man ſo unverdient mit dieſen Stricken band: Soll

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/242>, abgerufen am 28.04.2024.