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Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704.

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Ehren-Gedächtniß.
Dein Abschatz/ Schlesien/ wird diesen Ruhm vermeh-
ren/

Den du vor langer Zeit dir zugeeignet hast/
Daß auch die Grossen selbst den Helicon verehren/
Er war auff dieser Höh gewiß kein fremder Gast.
Vielleicht wird dieser Glantz aus seinem Grabe schim-
mern/

Und auff des Phöbus Wort in den gelehrten Zimmern
Statt einer steten Glutt und Ehren-Tempel siehn/
Doch soll' es nicht geschehn/ so läst des treuen Hir-
ten

Zu uns verpflanzte Brunst mit ihren Hochzeit-Myr-
ten

Sein Lob in diesem Fall gewiß nicht untergehn.
Wo aber bleibt die Pflicht/ die sich zu den Verwand-
ten

Mit unbefleckter Treu und Redligkeit geneigt/
Wo bleiben Hand und Hertz/ die iedem der Bekandten
Gehäuffte Güttigkeit mit Rath und That erzeigt?
Es mögen Kind und Freund hierinnen sich bemühen/
Sein Angedencken muß in ihrer Seelen blühen/
Die er mit reichem Trost und Unterhalt erquickt:
Wie aber? sag' ich nichts von der Gemahlin Thränen?
Von ihrem Angst-Geschrey und kummerhafften Seh-
nen?

Halt an! ich werde schier im Augenblick entzückt.
Ich seh die Arria mit ihrem Pötus kommen/
Die Artemisie bringt den Mausolus vor;
Die Orestille klagt/ daß ihr der Preiß benommen/
Alcest' und Portia beschliessen dieses Chor.
Sie dachten nur allein mit dem Gemahl zu sterben/
Und ein besondres Lob bey allen zu erwerben;
Izt aber müssen sie sehr weit zurücke gehn/
Weil unser Schlesien dergleichen Orestillen
In seinen Gräntzen hat/ die um des Liebsten willen
Aus übermachtem Schmertz zum Tode fertig stehn.

Die
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Ehren-Gedaͤchtniß.
Dein Abſchatz/ Schleſien/ wird dieſen Ruhm vermeh-
ren/

Den du vor langer Zeit dir zugeeignet haſt/
Daß auch die Groſſen ſelbſt den Helicon verehren/
Er war auff dieſer Hoͤh gewiß kein fremder Gaſt.
Vielleicht wird dieſer Glantz aus ſeinem Grabe ſchim-
mern/

Und auff des Phoͤbus Wort in den gelehrten Zimmern
Statt einer ſteten Glutt und Ehren-Tempel ſiehn/
Doch ſoll’ es nicht geſchehn/ ſo laͤſt des treuen Hir-
ten

Zu uns verpflanzte Brunſt mit ihren Hochzeit-Myr-
ten

Sein Lob in dieſem Fall gewiß nicht untergehn.
Wo aber bleibt die Pflicht/ die ſich zu den Verwand-
ten

Mit unbefleckter Treu und Redligkeit geneigt/
Wo bleiben Hand und Hertz/ die iedem der Bekandten
Gehaͤuffte Guͤttigkeit mit Rath und That erzeigt?
Es moͤgen Kind und Freund hierinnen ſich bemuͤhen/
Sein Angedencken muß in ihrer Seelen bluͤhen/
Die er mit reichem Troſt und Unterhalt erquickt:
Wie aber? ſag’ ich nichts von der Gemahlin Thraͤnen?
Von ihrem Angſt-Geſchrey und kummerhafften Seh-
nen?

Halt an! ich werde ſchier im Augenblick entzuͤckt.
Ich ſeh die Arria mit ihrem Poͤtus kommen/
Die Artemiſie bringt den Mauſolus vor;
Die Oreſtille klagt/ daß ihr der Preiß benommen/
Alceſt’ und Portia beſchlieſſen dieſes Chor.
Sie dachten nur allein mit dem Gemahl zu ſterben/
Und ein beſondres Lob bey allen zu erwerben;
Izt aber muͤſſen ſie ſehr weit zuruͤcke gehn/
Weil unſer Schleſien dergleichen Oreſtillen
In ſeinen Graͤntzen hat/ die um des Liebſten willen
Aus uͤbermachtem Schmertz zum Tode fertig ſtehn.

Die
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[71/0091] Ehren-Gedaͤchtniß. Dein Abſchatz/ Schleſien/ wird dieſen Ruhm vermeh- ren/ Den du vor langer Zeit dir zugeeignet haſt/ Daß auch die Groſſen ſelbſt den Helicon verehren/ Er war auff dieſer Hoͤh gewiß kein fremder Gaſt. Vielleicht wird dieſer Glantz aus ſeinem Grabe ſchim- mern/ Und auff des Phoͤbus Wort in den gelehrten Zimmern Statt einer ſteten Glutt und Ehren-Tempel ſiehn/ Doch ſoll’ es nicht geſchehn/ ſo laͤſt des treuen Hir- ten Zu uns verpflanzte Brunſt mit ihren Hochzeit-Myr- ten Sein Lob in dieſem Fall gewiß nicht untergehn. Wo aber bleibt die Pflicht/ die ſich zu den Verwand- ten Mit unbefleckter Treu und Redligkeit geneigt/ Wo bleiben Hand und Hertz/ die iedem der Bekandten Gehaͤuffte Guͤttigkeit mit Rath und That erzeigt? Es moͤgen Kind und Freund hierinnen ſich bemuͤhen/ Sein Angedencken muß in ihrer Seelen bluͤhen/ Die er mit reichem Troſt und Unterhalt erquickt: Wie aber? ſag’ ich nichts von der Gemahlin Thraͤnen? Von ihrem Angſt-Geſchrey und kummerhafften Seh- nen? Halt an! ich werde ſchier im Augenblick entzuͤckt. Ich ſeh die Arria mit ihrem Poͤtus kommen/ Die Artemiſie bringt den Mauſolus vor; Die Oreſtille klagt/ daß ihr der Preiß benommen/ Alceſt’ und Portia beſchlieſſen dieſes Chor. Sie dachten nur allein mit dem Gemahl zu ſterben/ Und ein beſondres Lob bey allen zu erwerben; Izt aber muͤſſen ſie ſehr weit zuruͤcke gehn/ Weil unſer Schleſien dergleichen Oreſtillen In ſeinen Graͤntzen hat/ die um des Liebſten willen Aus uͤbermachtem Schmertz zum Tode fertig ſtehn. Die (E) 4

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Zitationshilfe: Abschatz, Hans Assmann von: Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Leipzig, 1704, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/abschatz_gedichte_1704/91>, abgerufen am 02.05.2024.