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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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in seinem Testament kein Wort der Erinnerung für Madame Condorcets Tochter, noch für deren Kinder, noch hinterliess er ihnen irgend welche Andenken. Die Undankbarkeit Fauriels ist ein trauriges Beispiel menschlicher Schwäche. Sie trifft nur ihn, während das Andenken an Madame de Condorcet bei allen fortbestehen wird!

Madame de Condorcet verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens nur mit Wohltun und Krankenpflege der Ortsarmen beschäftigt.

Sie starb am 8. Oktober 1822; in ihrem Testament stand der Wunsch ausgesprochen, auf der Armenabteilung des Pere Lachaise, ohne jede geistliche Zeremonie, in der denkbar einfachsten Weise bestattet zu werden.

Sie schliesst sich dem Zuge der ewigen Schönheiten an, jener teueren, lieben, zarten, unfassbaren Schatten, die des Vorzuges teilhaftig sind, durch ganze Zeitalter hindurch mit wahrer Liebe geliebt zu werden.

Wir bringen hier einige Auszüge aus ihren "Briefen über die Sympathie", die sie ihrem Freunde Cabanis gewidmet hatte:

"Mein lieber Cabanis, es scheint mir, dass der Mensch kein interessanteres Objekt der Betrachtung haben kann, als den Menschen. Gibt es tatsächlich eine befriedigendere und süssere Beschäftigung, als die Regungen unserer Seele auf diese selbst zu richten, ihre Wirkungen zu studieren, ihre Schwankungen aufzuzeichnen, unsere Fähigkeiten dazu zu benützen, sich zu beobachten und sich gegenseitig zu erraten und nach den flüchtigen und verborgenen Gesetzen zu suchen, nach denen unser Verstand und unsere Empfindung handelt. Auch scheint es mir, oft mit sich allein zu verkehren, das anmutigste und weiseste Leben; es kann zu den Freuden "lebhafte und tiefe Empfindungen zu geben, Weisheit und Philosophie hinzufügen."

"Die Schule der Schmerzen und Widerwärtigkeiten ist sehr wirksam, den Menschen teilnehmender und menschlicher zu machen. Wie nötig wäre euch, ihr Reichen und

in seinem Testament kein Wort der Erinnerung für Madame Condorcets Tochter, noch für deren Kinder, noch hinterliess er ihnen irgend welche Andenken. Die Undankbarkeit Fauriels ist ein trauriges Beispiel menschlicher Schwäche. Sie trifft nur ihn, während das Andenken an Madame de Condorcet bei allen fortbestehen wird!

Madame de Condorcet verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens nur mit Wohltun und Krankenpflege der Ortsarmen beschäftigt.

Sie starb am 8. Oktober 1822; in ihrem Testament stand der Wunsch ausgesprochen, auf der Armenabteilung des Père Lachaise, ohne jede geistliche Zeremonie, in der denkbar einfachsten Weise bestattet zu werden.

Sie schliesst sich dem Zuge der ewigen Schönheiten an, jener teueren, lieben, zarten, unfassbaren Schatten, die des Vorzuges teilhaftig sind, durch ganze Zeitalter hindurch mit wahrer Liebe geliebt zu werden.

Wir bringen hier einige Auszüge aus ihren „Briefen über die Sympathie“, die sie ihrem Freunde Cabanis gewidmet hatte:

„Mein lieber Cabanis, es scheint mir, dass der Mensch kein interessanteres Objekt der Betrachtung haben kann, als den Menschen. Gibt es tatsächlich eine befriedigendere und süssere Beschäftigung, als die Regungen unserer Seele auf diese selbst zu richten, ihre Wirkungen zu studieren, ihre Schwankungen aufzuzeichnen, unsere Fähigkeiten dazu zu benützen, sich zu beobachten und sich gegenseitig zu erraten und nach den flüchtigen und verborgenen Gesetzen zu suchen, nach denen unser Verstand und unsere Empfindung handelt. Auch scheint es mir, oft mit sich allein zu verkehren, das anmutigste und weiseste Leben; es kann zu den Freuden „lebhafte und tiefe Empfindungen zu geben, Weisheit und Philosophie hinzufügen.“

„Die Schule der Schmerzen und Widerwärtigkeiten ist sehr wirksam, den Menschen teilnehmender und menschlicher zu machen. Wie nötig wäre euch, ihr Reichen und

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[242/0266] in seinem Testament kein Wort der Erinnerung für Madame Condorcets Tochter, noch für deren Kinder, noch hinterliess er ihnen irgend welche Andenken. Die Undankbarkeit Fauriels ist ein trauriges Beispiel menschlicher Schwäche. Sie trifft nur ihn, während das Andenken an Madame de Condorcet bei allen fortbestehen wird! Madame de Condorcet verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens nur mit Wohltun und Krankenpflege der Ortsarmen beschäftigt. Sie starb am 8. Oktober 1822; in ihrem Testament stand der Wunsch ausgesprochen, auf der Armenabteilung des Père Lachaise, ohne jede geistliche Zeremonie, in der denkbar einfachsten Weise bestattet zu werden. Sie schliesst sich dem Zuge der ewigen Schönheiten an, jener teueren, lieben, zarten, unfassbaren Schatten, die des Vorzuges teilhaftig sind, durch ganze Zeitalter hindurch mit wahrer Liebe geliebt zu werden. Wir bringen hier einige Auszüge aus ihren „Briefen über die Sympathie“, die sie ihrem Freunde Cabanis gewidmet hatte: „Mein lieber Cabanis, es scheint mir, dass der Mensch kein interessanteres Objekt der Betrachtung haben kann, als den Menschen. Gibt es tatsächlich eine befriedigendere und süssere Beschäftigung, als die Regungen unserer Seele auf diese selbst zu richten, ihre Wirkungen zu studieren, ihre Schwankungen aufzuzeichnen, unsere Fähigkeiten dazu zu benützen, sich zu beobachten und sich gegenseitig zu erraten und nach den flüchtigen und verborgenen Gesetzen zu suchen, nach denen unser Verstand und unsere Empfindung handelt. Auch scheint es mir, oft mit sich allein zu verkehren, das anmutigste und weiseste Leben; es kann zu den Freuden „lebhafte und tiefe Empfindungen zu geben, Weisheit und Philosophie hinzufügen.“ „Die Schule der Schmerzen und Widerwärtigkeiten ist sehr wirksam, den Menschen teilnehmender und menschlicher zu machen. Wie nötig wäre euch, ihr Reichen und

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/266>, abgerufen am 29.04.2024.