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Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

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Herr Phlipon war ein gesunder, kräftiger, tätiger und grosssprecherischer Mensch und hatte eine Neigung für allen Luxus und Zierat. Trotzdem er ohne Bildung war, hatte er sich einen gewissen Grad von Geschmack und Kenntnisse erworben, die die Beschäftigung mit den schönen Künsten, wenn auch nur oberflächlich, verschafft. So sehr er auch auf den Reichtum und alles, was ihn verschaffen könnte, Wert legte, so verkehrte er doch mit den Kaufleuten nur geschäftlich, Freundschaftsverhältnisse hatte er nur mit Künstlern, Malern, Bildhauern. Er lebte in sehr geordneten Verhältnissen, so lange sein Ehrgeiz Grenzen kannte und er kein Missgeschick zu erdulden hatte. Man kann nicht gerade behaupten, dass er ein tugendhafter Mensch war, aber er hatte viel von dem, was man Ehre nennt. Er liess sich wohl hie und da eine Sache wesentlich teuerer bezahlen, als sie wert war, aber er hätte sich eher das Leben genommen, als den Preis des von ihm gekauften Gegenstandes nicht zu bezahlen.

Seine Frau Marguerite Bimont hatte ihm als Mitgift sehr wenig Geld, aber eine himmlische Seele und ein reizendes Gesicht mitgebracht. Sie war die älteste von sechs Geschwistern, bei denen sie Mutterstelle vertrat, und deshalb entschloss sie sich erst mit 26 Jahren zur Heirat. Ihr empfindsames Herz, ihr liebenswürdiger Charakter hätte sie mit jemand Aufgeklärten, Zartfühlenden verbinden sollen. Aber ihr Vater stellte ihr einen ehrbaren Mann vor, dessen Talent ihr Auskommen sicherte, und ihre Vernunft willigte in diese Wahl!

In Ermanglung des Glückes, das sie nicht erhoffen konnte, wollte sie den Frieden walten lassen, der es teilweise zu ersetzen vermag. Es ist weise, sich in sein Schicksal zu ergeben. Die Freuden sind seltener als man denkt, aber der Trost fehlt der Tugend nie.

Madame Roland war das zweite Kind, das dieser Ehe entspross. Im ganzen hatte das Ehepaar sieben Kinder, von denen jedoch sechs zum Teil gleich nach der Geburt, zum

Herr Phlipon war ein gesunder, kräftiger, tätiger und grosssprecherischer Mensch und hatte eine Neigung für allen Luxus und Zierat. Trotzdem er ohne Bildung war, hatte er sich einen gewissen Grad von Geschmack und Kenntnisse erworben, die die Beschäftigung mit den schönen Künsten, wenn auch nur oberflächlich, verschafft. So sehr er auch auf den Reichtum und alles, was ihn verschaffen könnte, Wert legte, so verkehrte er doch mit den Kaufleuten nur geschäftlich, Freundschaftsverhältnisse hatte er nur mit Künstlern, Malern, Bildhauern. Er lebte in sehr geordneten Verhältnissen, so lange sein Ehrgeiz Grenzen kannte und er kein Missgeschick zu erdulden hatte. Man kann nicht gerade behaupten, dass er ein tugendhafter Mensch war, aber er hatte viel von dem, was man Ehre nennt. Er liess sich wohl hie und da eine Sache wesentlich teuerer bezahlen, als sie wert war, aber er hätte sich eher das Leben genommen, als den Preis des von ihm gekauften Gegenstandes nicht zu bezahlen.

Seine Frau Marguerite Bimont hatte ihm als Mitgift sehr wenig Geld, aber eine himmlische Seele und ein reizendes Gesicht mitgebracht. Sie war die älteste von sechs Geschwistern, bei denen sie Mutterstelle vertrat, und deshalb entschloss sie sich erst mit 26 Jahren zur Heirat. Ihr empfindsames Herz, ihr liebenswürdiger Charakter hätte sie mit jemand Aufgeklärten, Zartfühlenden verbinden sollen. Aber ihr Vater stellte ihr einen ehrbaren Mann vor, dessen Talent ihr Auskommen sicherte, und ihre Vernunft willigte in diese Wahl!

In Ermanglung des Glückes, das sie nicht erhoffen konnte, wollte sie den Frieden walten lassen, der es teilweise zu ersetzen vermag. Es ist weise, sich in sein Schicksal zu ergeben. Die Freuden sind seltener als man denkt, aber der Trost fehlt der Tugend nie.

Madame Roland war das zweite Kind, das dieser Ehe entspross. Im ganzen hatte das Ehepaar sieben Kinder, von denen jedoch sechs zum Teil gleich nach der Geburt, zum

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        <p>Seine Frau Marguerite Bimont hatte ihm als Mitgift sehr wenig Geld, aber eine himmlische Seele und ein reizendes Gesicht mitgebracht. Sie war die älteste von sechs Geschwistern, bei denen sie Mutterstelle vertrat, und deshalb entschloss sie sich erst mit 26 Jahren zur Heirat. Ihr empfindsames Herz, ihr liebenswürdiger Charakter hätte sie mit jemand Aufgeklärten, Zartfühlenden verbinden sollen. Aber ihr Vater stellte ihr einen ehrbaren Mann vor, dessen Talent ihr Auskommen sicherte, und ihre Vernunft willigte in diese Wahl!</p>
        <p>In Ermanglung des Glückes, das sie nicht erhoffen konnte, wollte sie den Frieden walten lassen, der es teilweise zu ersetzen vermag. Es ist weise, sich in sein Schicksal zu ergeben. Die Freuden sind seltener als man denkt, aber der Trost fehlt der Tugend nie.</p>
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[53/0072] Herr Phlipon war ein gesunder, kräftiger, tätiger und grosssprecherischer Mensch und hatte eine Neigung für allen Luxus und Zierat. Trotzdem er ohne Bildung war, hatte er sich einen gewissen Grad von Geschmack und Kenntnisse erworben, die die Beschäftigung mit den schönen Künsten, wenn auch nur oberflächlich, verschafft. So sehr er auch auf den Reichtum und alles, was ihn verschaffen könnte, Wert legte, so verkehrte er doch mit den Kaufleuten nur geschäftlich, Freundschaftsverhältnisse hatte er nur mit Künstlern, Malern, Bildhauern. Er lebte in sehr geordneten Verhältnissen, so lange sein Ehrgeiz Grenzen kannte und er kein Missgeschick zu erdulden hatte. Man kann nicht gerade behaupten, dass er ein tugendhafter Mensch war, aber er hatte viel von dem, was man Ehre nennt. Er liess sich wohl hie und da eine Sache wesentlich teuerer bezahlen, als sie wert war, aber er hätte sich eher das Leben genommen, als den Preis des von ihm gekauften Gegenstandes nicht zu bezahlen. Seine Frau Marguerite Bimont hatte ihm als Mitgift sehr wenig Geld, aber eine himmlische Seele und ein reizendes Gesicht mitgebracht. Sie war die älteste von sechs Geschwistern, bei denen sie Mutterstelle vertrat, und deshalb entschloss sie sich erst mit 26 Jahren zur Heirat. Ihr empfindsames Herz, ihr liebenswürdiger Charakter hätte sie mit jemand Aufgeklärten, Zartfühlenden verbinden sollen. Aber ihr Vater stellte ihr einen ehrbaren Mann vor, dessen Talent ihr Auskommen sicherte, und ihre Vernunft willigte in diese Wahl! In Ermanglung des Glückes, das sie nicht erhoffen konnte, wollte sie den Frieden walten lassen, der es teilweise zu ersetzen vermag. Es ist weise, sich in sein Schicksal zu ergeben. Die Freuden sind seltener als man denkt, aber der Trost fehlt der Tugend nie. Madame Roland war das zweite Kind, das dieser Ehe entspross. Im ganzen hatte das Ehepaar sieben Kinder, von denen jedoch sechs zum Teil gleich nach der Geburt, zum

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Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/72>, abgerufen am 01.05.2024.