gen, die zu anderen Beschäftigungen berufen waren, hielt sich jetzt ohne Noth zurückgehalten. Die Stunden waren so lang, die Wochen dehnten sich aus zu Monaten. Gedanken von der Zwecklosigkeit des Daseins überschli- chen die Einsamen. Vielleicht, daß diese Stimmung einwirkte, als ich Begebenheiten in meinem Tagebuch notirte, deren Zeuge ich zum Theil auf französischem Boden gewesen. Während einzelne Momente mir noch jetzt so grell lebendig sind, wie meist die in früher Jugend empfangenen Eindrücke, verschwebt das Ganze wie ein Traum ohne Zusammenhang. Sieben Jahre sind vergangen, und nichts hindert mich jetzt mehr nie- derzuschreiben, was noch das Gedächtniß zurückrufen kann, um die hieroglyphischen Notizen zu ergänzen. Wo sie es dennoch dem Leser bleiben, da möge seine Phantasie nachhelfen, wie ich es nicht verschwören will, daß sie auch mir dann und wann die Lücken ausge- füllt hat.
Napoleon war im Sommer 1815, in der kurzen Zeit von dreien Tagen, Sieger, besiegt und vernichtet. Aber die Festungen im nordöstlichen Frankreich waren noch unbezwungen in der Hand der Franzosen, und zu ihrer Belagerung wurde ein Theil des Preußischen Hee- res geführt. Es waltete hier ein sonderbares Verhält- niß ob. Die Verbündeten waren ausgezogen um die
gen, die zu anderen Beſchäftigungen berufen waren, hielt ſich jetzt ohne Noth zurückgehalten. Die Stunden waren ſo lang, die Wochen dehnten ſich aus zu Monaten. Gedanken von der Zweckloſigkeit des Daſeins überſchli- chen die Einſamen. Vielleicht, daß dieſe Stimmung einwirkte, als ich Begebenheiten in meinem Tagebuch notirte, deren Zeuge ich zum Theil auf franzöſiſchem Boden geweſen. Während einzelne Momente mir noch jetzt ſo grell lebendig ſind, wie meiſt die in früher Jugend empfangenen Eindrücke, verſchwebt das Ganze wie ein Traum ohne Zuſammenhang. Sieben Jahre ſind vergangen, und nichts hindert mich jetzt mehr nie- derzuſchreiben, was noch das Gedächtniß zurückrufen kann, um die hieroglyphiſchen Notizen zu ergänzen. Wo ſie es dennoch dem Leſer bleiben, da möge ſeine Phantaſie nachhelfen, wie ich es nicht verſchwören will, daß ſie auch mir dann und wann die Lücken ausge- füllt hat.
Napoleon war im Sommer 1815, in der kurzen Zeit von dreien Tagen, Sieger, beſiegt und vernichtet. Aber die Feſtungen im nordöſtlichen Frankreich waren noch unbezwungen in der Hand der Franzoſen, und zu ihrer Belagerung wurde ein Theil des Preußiſchen Hee- res geführt. Es waltete hier ein ſonderbares Verhält- niß ob. Die Verbündeten waren ausgezogen um die
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gen, die zu anderen Beſchäftigungen berufen waren, hielt
ſich jetzt ohne Noth zurückgehalten. Die Stunden waren
ſo lang, die Wochen dehnten ſich aus zu Monaten.
Gedanken von der Zweckloſigkeit des Daſeins überſchli-
chen die Einſamen. Vielleicht, daß dieſe Stimmung
einwirkte, als ich Begebenheiten in meinem Tagebuch
notirte, deren Zeuge ich zum Theil auf franzöſiſchem
Boden geweſen. Während einzelne Momente mir noch
jetzt ſo grell lebendig ſind, wie meiſt die in früher
Jugend empfangenen Eindrücke, verſchwebt das Ganze
wie ein Traum ohne Zuſammenhang. Sieben Jahre
ſind vergangen, und nichts hindert mich jetzt mehr nie-
derzuſchreiben, was noch das Gedächtniß zurückrufen
kann, um die hieroglyphiſchen Notizen zu ergänzen.
Wo ſie es dennoch dem Leſer bleiben, da möge ſeine
Phantaſie nachhelfen, wie ich es nicht verſchwören will,
daß ſie auch mir dann und wann die Lücken ausge-
füllt hat.
Napoleon war im Sommer 1815, in der kurzen
Zeit von dreien Tagen, Sieger, beſiegt und vernichtet.
Aber die Feſtungen im nordöſtlichen Frankreich waren
noch unbezwungen in der Hand der Franzoſen, und zu
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res geführt. Es waltete hier ein ſonderbares Verhält-
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Alexis, Willibald: Iblou. In: Ders.: Gesammelte Novellen. Erster Band. Berlin, 1830, S. 1–100, hier S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_iblou_1830/7>, abgerufen am 21.03.2023.
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