Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

einer nur von fern sich blicken läßt, wenn Ihr ihnen
offen entgegenträtet, ein ernst Wort mit ihnen
sprächet, so würdet Ihr manches anders finden, als
Ihr denket. Sie sind auch Menschen, aber wenn
Ihr sie nur als Vogelscheuche betrachtet, das macht
sie wild und boshaft."

"Aber Du giebst mir doch recht, daß man ein
jung Frauenzimmer vor den Officieren wahren muß.
Vor allem eins, das noch unerfahren ist?"

"Da schlägst Du dich selbst. Ein jung Frauen¬
zimmer, das sich zu benehmen weiß, läuft weit we¬
niger Gefahr als eins, das schon vor Schrecken
aufschreiet, wenn's einen Federbusch sieht, weil die
Mama ihm gesagt, es soll sich davor in Acht nehmen,
wie vor einem Raubthiere. Denn das sind unsere
jungen Officiere, wenn's auch nicht mehr dieselben
sind, doch nicht. Ich sag's grad heraus, Ihr Herren
von der Feder und die anderen, Ihr habt sie ver¬
derben helfen. Warum macht Ihr ihnen überall
Platz und weicht vor ihnen zurück, wo Ihr's nicht
nöthig hattet. Ist's nicht eine Schande, wenn ein
alter Kriegsrath oder ein ehrenwerther Kaufmann
mit grauem Haar vor einem Lieutenant oder gar
einem Fähnrich ausweicht. Wo steht's denn ge¬
schrieben, daß es so sein soll. Wenn Ihr ihnen nicht
immer das Feld ließet, und das Maul schlösset, son¬
dern grad 'raus den jungen Herrchen die Wahrheit
sagtet, nun je Einer oder der Andere würde ein Mal
anlaufen, aber im Ganzen würde es anders, wenn

einer nur von fern ſich blicken läßt, wenn Ihr ihnen
offen entgegenträtet, ein ernſt Wort mit ihnen
ſprächet, ſo würdet Ihr manches anders finden, als
Ihr denket. Sie ſind auch Menſchen, aber wenn
Ihr ſie nur als Vogelſcheuche betrachtet, das macht
ſie wild und boshaft.“

„Aber Du giebſt mir doch recht, daß man ein
jung Frauenzimmer vor den Officieren wahren muß.
Vor allem eins, das noch unerfahren iſt?“

„Da ſchlägſt Du dich ſelbſt. Ein jung Frauen¬
zimmer, das ſich zu benehmen weiß, läuft weit we¬
niger Gefahr als eins, das ſchon vor Schrecken
aufſchreiet, wenn's einen Federbuſch ſieht, weil die
Mama ihm geſagt, es ſoll ſich davor in Acht nehmen,
wie vor einem Raubthiere. Denn das ſind unſere
jungen Officiere, wenn's auch nicht mehr dieſelben
ſind, doch nicht. Ich ſag's grad heraus, Ihr Herren
von der Feder und die anderen, Ihr habt ſie ver¬
derben helfen. Warum macht Ihr ihnen überall
Platz und weicht vor ihnen zurück, wo Ihr's nicht
nöthig hattet. Iſt's nicht eine Schande, wenn ein
alter Kriegsrath oder ein ehrenwerther Kaufmann
mit grauem Haar vor einem Lieutenant oder gar
einem Fähnrich ausweicht. Wo ſteht's denn ge¬
ſchrieben, daß es ſo ſein ſoll. Wenn Ihr ihnen nicht
immer das Feld ließet, und das Maul ſchlöſſet, ſon¬
dern grad 'raus den jungen Herrchen die Wahrheit
ſagtet, nun je Einer oder der Andere würde ein Mal
anlaufen, aber im Ganzen würde es anders, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="136"/>
einer nur von fern &#x017F;ich blicken läßt, wenn Ihr ihnen<lb/>
offen entgegenträtet, ein ern&#x017F;t Wort mit ihnen<lb/>
&#x017F;prächet, &#x017F;o würdet Ihr manches anders finden, als<lb/>
Ihr denket. Sie &#x017F;ind auch Men&#x017F;chen, aber wenn<lb/>
Ihr &#x017F;ie nur als Vogel&#x017F;cheuche betrachtet, das macht<lb/>
&#x017F;ie wild und boshaft.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber Du gieb&#x017F;t mir doch recht, daß man ein<lb/>
jung Frauenzimmer vor den Officieren wahren muß.<lb/>
Vor allem eins, das noch unerfahren i&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da &#x017F;chläg&#x017F;t Du dich &#x017F;elb&#x017F;t. Ein jung Frauen¬<lb/>
zimmer, das &#x017F;ich zu benehmen weiß, läuft weit we¬<lb/>
niger Gefahr als eins, das &#x017F;chon vor Schrecken<lb/>
auf&#x017F;chreiet, wenn's einen Federbu&#x017F;ch &#x017F;ieht, weil die<lb/>
Mama ihm ge&#x017F;agt, es &#x017F;oll &#x017F;ich davor in Acht nehmen,<lb/>
wie vor einem Raubthiere. Denn das &#x017F;ind un&#x017F;ere<lb/>
jungen Officiere, wenn's auch nicht mehr die&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ind, doch nicht. Ich &#x017F;ag's grad heraus, Ihr Herren<lb/>
von der Feder und die anderen, Ihr habt &#x017F;ie ver¬<lb/>
derben helfen. Warum macht Ihr ihnen überall<lb/>
Platz und weicht vor ihnen zurück, wo Ihr's nicht<lb/>
nöthig hattet. I&#x017F;t's nicht eine Schande, wenn ein<lb/>
alter Kriegsrath oder ein ehrenwerther Kaufmann<lb/>
mit grauem Haar vor einem Lieutenant oder gar<lb/>
einem Fähnrich ausweicht. Wo &#x017F;teht's denn ge¬<lb/>
&#x017F;chrieben, daß es &#x017F;o &#x017F;ein &#x017F;oll. Wenn Ihr ihnen nicht<lb/>
immer das Feld ließet, und das Maul &#x017F;chlö&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;on¬<lb/>
dern grad 'raus den jungen Herrchen die Wahrheit<lb/>
&#x017F;agtet, nun je Einer oder der Andere würde ein Mal<lb/>
anlaufen, aber im Ganzen würde es anders, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] einer nur von fern ſich blicken läßt, wenn Ihr ihnen offen entgegenträtet, ein ernſt Wort mit ihnen ſprächet, ſo würdet Ihr manches anders finden, als Ihr denket. Sie ſind auch Menſchen, aber wenn Ihr ſie nur als Vogelſcheuche betrachtet, das macht ſie wild und boshaft.“ „Aber Du giebſt mir doch recht, daß man ein jung Frauenzimmer vor den Officieren wahren muß. Vor allem eins, das noch unerfahren iſt?“ „Da ſchlägſt Du dich ſelbſt. Ein jung Frauen¬ zimmer, das ſich zu benehmen weiß, läuft weit we¬ niger Gefahr als eins, das ſchon vor Schrecken aufſchreiet, wenn's einen Federbuſch ſieht, weil die Mama ihm geſagt, es ſoll ſich davor in Acht nehmen, wie vor einem Raubthiere. Denn das ſind unſere jungen Officiere, wenn's auch nicht mehr dieſelben ſind, doch nicht. Ich ſag's grad heraus, Ihr Herren von der Feder und die anderen, Ihr habt ſie ver¬ derben helfen. Warum macht Ihr ihnen überall Platz und weicht vor ihnen zurück, wo Ihr's nicht nöthig hattet. Iſt's nicht eine Schande, wenn ein alter Kriegsrath oder ein ehrenwerther Kaufmann mit grauem Haar vor einem Lieutenant oder gar einem Fähnrich ausweicht. Wo ſteht's denn ge¬ ſchrieben, daß es ſo ſein ſoll. Wenn Ihr ihnen nicht immer das Feld ließet, und das Maul ſchlöſſet, ſon¬ dern grad 'raus den jungen Herrchen die Wahrheit ſagtet, nun je Einer oder der Andere würde ein Mal anlaufen, aber im Ganzen würde es anders, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/150
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/150>, abgerufen am 05.05.2024.