Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

es gekauft, der Kaufmann, seine Waaren, Preise, es
ward alles ausführlich behandelt, die Krone der Ver¬
wunderung aber blieb, daß Adelheid und ihre Mutter
es selbst zugeschnitten und genäht, "und sitzt wie an¬
gegossen, rief die Tante, nu seht, wenn Ihr das
könntet! Und Mamsell Kriegsräthin thuts nur zum
Plaisir. Denn ihr Herr Vater würde ihr ja gern den
ersten Schneider ins Haus schicken, und später werden
ihr ganz andere Leute Kleider machen lassen. Ja, ja."

Das Lächeln der Obristin gefiel Adelheid nicht,
auch mißfiel ihr, daß die Tante immer, um sie her¬
auszustreichen, ihre Nichten demüthigte. Ohne sie zu
beachten, erbot sie sich deshalb gegen Jülli, wenn sie
ein neues Kleid bedürfe, es ihr zuzuschneiden, auch,
wenn sie es wünsche, ihr Unterricht im Schneidern
zu geben, so gut sie es eben könne.

Die Tante war von dem Anerbieten sehr gerührt,
bei der Jülli könnte es vielleicht noch anschlagen,
aber die Karline wäre gar zu faul: "Wer den Unter¬
richt zu schätzen weiß, und was lernt, aus dem kann
alles werden, wie oft habe ich ihnen das gesagt.
Nun sehen sie es mal mit Augen vor sich. Ja, mein
liebes Engelchen, -- verzeihn Sie schon Fräulein
Adelheid, daß ich so zu Ihnen rede, aber ich kann
gar nicht anders, wenn ich Ihnen ins liebe Gesicht
sehe, -- ja das muß ich Ihnen auch sagen, seit ich
die Ehre habe Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben,
da ist mit Ihnen auch schon eine Veränderung vor¬
gegangen. Ach Sie haben einen vortrefflichen Lehrer."

es gekauft, der Kaufmann, ſeine Waaren, Preiſe, es
ward alles ausführlich behandelt, die Krone der Ver¬
wunderung aber blieb, daß Adelheid und ihre Mutter
es ſelbſt zugeſchnitten und genäht, „und ſitzt wie an¬
gegoſſen, rief die Tante, nu ſeht, wenn Ihr das
könntet! Und Mamſell Kriegsräthin thuts nur zum
Plaiſir. Denn ihr Herr Vater würde ihr ja gern den
erſten Schneider ins Haus ſchicken, und ſpäter werden
ihr ganz andere Leute Kleider machen laſſen. Ja, ja.“

Das Lächeln der Obriſtin gefiel Adelheid nicht,
auch mißfiel ihr, daß die Tante immer, um ſie her¬
auszuſtreichen, ihre Nichten demüthigte. Ohne ſie zu
beachten, erbot ſie ſich deshalb gegen Jülli, wenn ſie
ein neues Kleid bedürfe, es ihr zuzuſchneiden, auch,
wenn ſie es wünſche, ihr Unterricht im Schneidern
zu geben, ſo gut ſie es eben könne.

Die Tante war von dem Anerbieten ſehr gerührt,
bei der Jülli könnte es vielleicht noch anſchlagen,
aber die Karline wäre gar zu faul: „Wer den Unter¬
richt zu ſchätzen weiß, und was lernt, aus dem kann
alles werden, wie oft habe ich ihnen das geſagt.
Nun ſehen ſie es mal mit Augen vor ſich. Ja, mein
liebes Engelchen, — verzeihn Sie ſchon Fräulein
Adelheid, daß ich ſo zu Ihnen rede, aber ich kann
gar nicht anders, wenn ich Ihnen ins liebe Geſicht
ſehe, — ja das muß ich Ihnen auch ſagen, ſeit ich
die Ehre habe Ihre Bekanntſchaft gemacht zu haben,
da iſt mit Ihnen auch ſchon eine Veränderung vor¬
gegangen. Ach Sie haben einen vortrefflichen Lehrer.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0296" n="282"/>
es gekauft, der Kaufmann, &#x017F;eine Waaren, Prei&#x017F;e, es<lb/>
ward alles ausführlich behandelt, die Krone der Ver¬<lb/>
wunderung aber blieb, daß Adelheid und ihre Mutter<lb/>
es &#x017F;elb&#x017F;t zuge&#x017F;chnitten und genäht, &#x201E;und &#x017F;itzt wie an¬<lb/>
gego&#x017F;&#x017F;en, rief die Tante, nu &#x017F;eht, wenn Ihr das<lb/>
könntet! Und Mam&#x017F;ell Kriegsräthin thuts nur zum<lb/>
Plai&#x017F;ir. Denn ihr Herr Vater würde ihr ja gern den<lb/>
er&#x017F;ten Schneider ins Haus &#x017F;chicken, und &#x017F;päter werden<lb/>
ihr ganz andere Leute Kleider machen la&#x017F;&#x017F;en. Ja, ja.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das Lächeln der Obri&#x017F;tin gefiel Adelheid nicht,<lb/>
auch mißfiel ihr, daß die Tante immer, um &#x017F;ie her¬<lb/>
auszu&#x017F;treichen, ihre Nichten demüthigte. Ohne &#x017F;ie zu<lb/>
beachten, erbot &#x017F;ie &#x017F;ich deshalb gegen Jülli, wenn &#x017F;ie<lb/>
ein neues Kleid bedürfe, es ihr zuzu&#x017F;chneiden, auch,<lb/>
wenn &#x017F;ie es wün&#x017F;che, ihr Unterricht im Schneidern<lb/>
zu geben, &#x017F;o gut &#x017F;ie es eben könne.</p><lb/>
        <p>Die Tante war von dem Anerbieten &#x017F;ehr gerührt,<lb/>
bei der Jülli könnte es vielleicht noch an&#x017F;chlagen,<lb/>
aber die Karline wäre gar zu faul: &#x201E;Wer den Unter¬<lb/>
richt zu &#x017F;chätzen weiß, und was lernt, aus dem kann<lb/>
alles werden, wie oft habe ich ihnen das ge&#x017F;agt.<lb/>
Nun &#x017F;ehen &#x017F;ie es mal mit Augen vor &#x017F;ich. Ja, mein<lb/>
liebes Engelchen, &#x2014; verzeihn Sie &#x017F;chon Fräulein<lb/>
Adelheid, daß ich &#x017F;o zu Ihnen rede, aber ich kann<lb/>
gar nicht anders, wenn ich Ihnen ins liebe Ge&#x017F;icht<lb/>
&#x017F;ehe, &#x2014; ja das muß ich Ihnen auch &#x017F;agen, &#x017F;eit ich<lb/>
die Ehre habe Ihre Bekannt&#x017F;chaft gemacht zu haben,<lb/>
da i&#x017F;t mit Ihnen auch &#x017F;chon eine Veränderung vor¬<lb/>
gegangen. Ach Sie haben einen vortrefflichen Lehrer.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0296] es gekauft, der Kaufmann, ſeine Waaren, Preiſe, es ward alles ausführlich behandelt, die Krone der Ver¬ wunderung aber blieb, daß Adelheid und ihre Mutter es ſelbſt zugeſchnitten und genäht, „und ſitzt wie an¬ gegoſſen, rief die Tante, nu ſeht, wenn Ihr das könntet! Und Mamſell Kriegsräthin thuts nur zum Plaiſir. Denn ihr Herr Vater würde ihr ja gern den erſten Schneider ins Haus ſchicken, und ſpäter werden ihr ganz andere Leute Kleider machen laſſen. Ja, ja.“ Das Lächeln der Obriſtin gefiel Adelheid nicht, auch mißfiel ihr, daß die Tante immer, um ſie her¬ auszuſtreichen, ihre Nichten demüthigte. Ohne ſie zu beachten, erbot ſie ſich deshalb gegen Jülli, wenn ſie ein neues Kleid bedürfe, es ihr zuzuſchneiden, auch, wenn ſie es wünſche, ihr Unterricht im Schneidern zu geben, ſo gut ſie es eben könne. Die Tante war von dem Anerbieten ſehr gerührt, bei der Jülli könnte es vielleicht noch anſchlagen, aber die Karline wäre gar zu faul: „Wer den Unter¬ richt zu ſchätzen weiß, und was lernt, aus dem kann alles werden, wie oft habe ich ihnen das geſagt. Nun ſehen ſie es mal mit Augen vor ſich. Ja, mein liebes Engelchen, — verzeihn Sie ſchon Fräulein Adelheid, daß ich ſo zu Ihnen rede, aber ich kann gar nicht anders, wenn ich Ihnen ins liebe Geſicht ſehe, — ja das muß ich Ihnen auch ſagen, ſeit ich die Ehre habe Ihre Bekanntſchaft gemacht zu haben, da iſt mit Ihnen auch ſchon eine Veränderung vor¬ gegangen. Ach Sie haben einen vortrefflichen Lehrer.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/296
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/296>, abgerufen am 14.05.2024.