Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

aus dem gebrochenen Spiegel grüßte ihn sein Bild,
ihn daran erinnernd, daß er so auf der Straße sich
nicht zeigen dürfe. Er ging nach dem Seitenzimmer
zurück, seinen Rock zu holen. Die Luft wimmelte
wie von Schneeflocken. Von der Zugluft, welche die
aufgestoßene Thür verursachte, wirbelten die Federn
aus den Betten, welche sie in muthwilliger Zerstö¬
rungslust aufgeschnitten. Vergebens suchte er nach
Rock und Hut. Sie waren verschwunden, gestohlen.
Fort aus dieser Höhle der Verwüstung! Die ihm
wohlbekannte Hinterthür war verschlossen, der Schlüssel
fehlte. Er eilte zurück nach dem Vorzimmer; auch
diese Thür war zu; er war eingeschlossen. Sollte er
Lärm machen? Nach so vielem Lärm? Er hatte
keinen Grund die Trommel des Aufruhrs zu rühren.

Indem er noch, unschlüssig was er thun solle,
aufmerksam beobachtend umher ging, fiel sein Auge
auf einen Kamin, der nach alter Art in einen wei¬
ten, aber nur kurzen Schornstein führte. Er erinnerte
sich aus fröhlichen Abenden, daß die heitere Unter¬
haltung oft durch das Brausen des Windes gestört
wurde, wenn es stark wehte, selbst Regen und
Schneewirbel unter die lustigen Kinder hier getrieben
wurden.

Indem er den Kamin untersuchen wollte, ob
von da vielleicht ein Ausgang zu entdecken wäre,
entdeckte er etwas, was er nicht erwartet, einen Stock
und zwei Beine, die sich vergebens in die Höhe zu
ziehen suchten. Als er sie ergriff, stieß eine Stimme,

aus dem gebrochenen Spiegel grüßte ihn ſein Bild,
ihn daran erinnernd, daß er ſo auf der Straße ſich
nicht zeigen dürfe. Er ging nach dem Seitenzimmer
zurück, ſeinen Rock zu holen. Die Luft wimmelte
wie von Schneeflocken. Von der Zugluft, welche die
aufgeſtoßene Thür verurſachte, wirbelten die Federn
aus den Betten, welche ſie in muthwilliger Zerſtö¬
rungsluſt aufgeſchnitten. Vergebens ſuchte er nach
Rock und Hut. Sie waren verſchwunden, geſtohlen.
Fort aus dieſer Höhle der Verwüſtung! Die ihm
wohlbekannte Hinterthür war verſchloſſen, der Schlüſſel
fehlte. Er eilte zurück nach dem Vorzimmer; auch
dieſe Thür war zu; er war eingeſchloſſen. Sollte er
Lärm machen? Nach ſo vielem Lärm? Er hatte
keinen Grund die Trommel des Aufruhrs zu rühren.

Indem er noch, unſchlüſſig was er thun ſolle,
aufmerkſam beobachtend umher ging, fiel ſein Auge
auf einen Kamin, der nach alter Art in einen wei¬
ten, aber nur kurzen Schornſtein führte. Er erinnerte
ſich aus fröhlichen Abenden, daß die heitere Unter¬
haltung oft durch das Brauſen des Windes geſtört
wurde, wenn es ſtark wehte, ſelbſt Regen und
Schneewirbel unter die luſtigen Kinder hier getrieben
wurden.

Indem er den Kamin unterſuchen wollte, ob
von da vielleicht ein Ausgang zu entdecken wäre,
entdeckte er etwas, was er nicht erwartet, einen Stock
und zwei Beine, die ſich vergebens in die Höhe zu
ziehen ſuchten. Als er ſie ergriff, ſtieß eine Stimme,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="322"/>
aus dem gebrochenen Spiegel grüßte ihn &#x017F;ein Bild,<lb/>
ihn daran erinnernd, daß er &#x017F;o auf der Straße &#x017F;ich<lb/>
nicht zeigen dürfe. Er ging nach dem Seitenzimmer<lb/>
zurück, &#x017F;einen Rock zu holen. Die Luft wimmelte<lb/>
wie von Schneeflocken. Von der Zugluft, welche die<lb/>
aufge&#x017F;toßene Thür verur&#x017F;achte, wirbelten die Federn<lb/>
aus den Betten, welche &#x017F;ie in muthwilliger Zer&#x017F;tö¬<lb/>
rungslu&#x017F;t aufge&#x017F;chnitten. Vergebens &#x017F;uchte er nach<lb/>
Rock und Hut. Sie waren ver&#x017F;chwunden, ge&#x017F;tohlen.<lb/>
Fort aus die&#x017F;er Höhle der Verwü&#x017F;tung! Die ihm<lb/>
wohlbekannte Hinterthür war ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, der Schlü&#x017F;&#x017F;el<lb/>
fehlte. Er eilte zurück nach dem Vorzimmer; auch<lb/>
die&#x017F;e Thür war zu; er war einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Sollte er<lb/>
Lärm machen? Nach &#x017F;o vielem Lärm? Er hatte<lb/>
keinen Grund die Trommel des Aufruhrs zu rühren.</p><lb/>
        <p>Indem er noch, un&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ig was er thun &#x017F;olle,<lb/>
aufmerk&#x017F;am beobachtend umher ging, fiel &#x017F;ein Auge<lb/>
auf einen Kamin, der nach alter Art in einen wei¬<lb/>
ten, aber nur kurzen Schorn&#x017F;tein führte. Er erinnerte<lb/>
&#x017F;ich aus fröhlichen Abenden, daß die heitere Unter¬<lb/>
haltung oft durch das Brau&#x017F;en des Windes ge&#x017F;tört<lb/>
wurde, wenn es &#x017F;tark wehte, &#x017F;elb&#x017F;t Regen und<lb/>
Schneewirbel unter die lu&#x017F;tigen Kinder hier getrieben<lb/>
wurden.</p><lb/>
        <p>Indem er den Kamin unter&#x017F;uchen wollte, ob<lb/>
von da vielleicht ein Ausgang zu entdecken wäre,<lb/>
entdeckte er etwas, was er nicht erwartet, einen Stock<lb/>
und zwei Beine, die &#x017F;ich vergebens in die Höhe zu<lb/>
ziehen &#x017F;uchten. Als er &#x017F;ie ergriff, &#x017F;tieß eine Stimme,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0336] aus dem gebrochenen Spiegel grüßte ihn ſein Bild, ihn daran erinnernd, daß er ſo auf der Straße ſich nicht zeigen dürfe. Er ging nach dem Seitenzimmer zurück, ſeinen Rock zu holen. Die Luft wimmelte wie von Schneeflocken. Von der Zugluft, welche die aufgeſtoßene Thür verurſachte, wirbelten die Federn aus den Betten, welche ſie in muthwilliger Zerſtö¬ rungsluſt aufgeſchnitten. Vergebens ſuchte er nach Rock und Hut. Sie waren verſchwunden, geſtohlen. Fort aus dieſer Höhle der Verwüſtung! Die ihm wohlbekannte Hinterthür war verſchloſſen, der Schlüſſel fehlte. Er eilte zurück nach dem Vorzimmer; auch dieſe Thür war zu; er war eingeſchloſſen. Sollte er Lärm machen? Nach ſo vielem Lärm? Er hatte keinen Grund die Trommel des Aufruhrs zu rühren. Indem er noch, unſchlüſſig was er thun ſolle, aufmerkſam beobachtend umher ging, fiel ſein Auge auf einen Kamin, der nach alter Art in einen wei¬ ten, aber nur kurzen Schornſtein führte. Er erinnerte ſich aus fröhlichen Abenden, daß die heitere Unter¬ haltung oft durch das Brauſen des Windes geſtört wurde, wenn es ſtark wehte, ſelbſt Regen und Schneewirbel unter die luſtigen Kinder hier getrieben wurden. Indem er den Kamin unterſuchen wollte, ob von da vielleicht ein Ausgang zu entdecken wäre, entdeckte er etwas, was er nicht erwartet, einen Stock und zwei Beine, die ſich vergebens in die Höhe zu ziehen ſuchten. Als er ſie ergriff, ſtieß eine Stimme,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/336
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 1. Berlin, 1852, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe01_1852/336>, abgerufen am 01.05.2024.