Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

der ganzen ehrenwerthen Versammlung. Sie schwiegen.
Als wär's eine electrische Berührung, die Alle in
einem Moment umgewandelt hatte! Ein Dritter
würde es ein Gefühl der Geschlagenheit genannt
haben. Sie wußten nicht, was sie zu thun hatten.
Bovillard war wie ein Geist aus der Mauer in
ihre Mitte gedrungen; ein Züscheln oder selbst nur
ein Verständigen durch Blicke war nicht mehr thun¬
lich. Indessen nahm der Wachthabende das Wort:

"Sie kommen in welcher Absicht?"

"Ihren Schutz und Beistand anzusprechen."

Die Sache war auf's Neue vollständig verrückt.

"Werden Sie von der Populace verfolgt?"

"Die Populace kümmert mich nicht."

"Oder wollen Sie sich freiwillig in Arrest über¬
liefern, weil Sie --"

Der Officier hielt inne. --

"Nichts weniger als das."

"So muß ich den Herrn auffordern, sich deut¬
licher zu expliciren."

"Mit dem größten Vergnügen."

Der Wachthabende hatte, um seine Autorität
aufrecht zu erhalten, sich auf den Schemel nieder
gelassen, was der Arrestat und der Rittmeister schon
vor ihm gethan. Auch der Cornet schien Willens,
dem Beispiel zu folgen, als Bovillard mit einer
raschen Schwenkung den vierten und letzen Schemel
vor dem Wachthabenden niedersetzte, und sich selbst
darauf:

der ganzen ehrenwerthen Verſammlung. Sie ſchwiegen.
Als wär's eine electriſche Berührung, die Alle in
einem Moment umgewandelt hatte! Ein Dritter
würde es ein Gefühl der Geſchlagenheit genannt
haben. Sie wußten nicht, was ſie zu thun hatten.
Bovillard war wie ein Geiſt aus der Mauer in
ihre Mitte gedrungen; ein Züſcheln oder ſelbſt nur
ein Verſtändigen durch Blicke war nicht mehr thun¬
lich. Indeſſen nahm der Wachthabende das Wort:

„Sie kommen in welcher Abſicht?“

„Ihren Schutz und Beiſtand anzuſprechen.“

Die Sache war auf's Neue vollſtändig verrückt.

„Werden Sie von der Populace verfolgt?“

„Die Populace kümmert mich nicht.“

„Oder wollen Sie ſich freiwillig in Arreſt über¬
liefern, weil Sie —“

Der Officier hielt inne. —

„Nichts weniger als das.“

„So muß ich den Herrn auffordern, ſich deut¬
licher zu expliciren.“

„Mit dem größten Vergnügen.“

Der Wachthabende hatte, um ſeine Autorität
aufrecht zu erhalten, ſich auf den Schemel nieder
gelaſſen, was der Arreſtat und der Rittmeiſter ſchon
vor ihm gethan. Auch der Cornet ſchien Willens,
dem Beiſpiel zu folgen, als Bovillard mit einer
raſchen Schwenkung den vierten und letzen Schemel
vor dem Wachthabenden niederſetzte, und ſich ſelbſt
darauf:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="205"/>
der ganzen ehrenwerthen Ver&#x017F;ammlung. Sie &#x017F;chwiegen.<lb/>
Als wär's eine electri&#x017F;che Berührung, die Alle in<lb/>
einem Moment umgewandelt hatte! Ein Dritter<lb/>
würde es ein Gefühl der Ge&#x017F;chlagenheit genannt<lb/>
haben. Sie wußten nicht, was &#x017F;ie zu thun hatten.<lb/>
Bovillard war wie ein Gei&#x017F;t aus der Mauer in<lb/>
ihre Mitte gedrungen; ein Zü&#x017F;cheln oder &#x017F;elb&#x017F;t nur<lb/>
ein Ver&#x017F;tändigen durch Blicke war nicht mehr thun¬<lb/>
lich. Inde&#x017F;&#x017F;en nahm der Wachthabende das Wort:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie kommen in welcher Ab&#x017F;icht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihren Schutz und Bei&#x017F;tand anzu&#x017F;prechen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Sache war auf's Neue voll&#x017F;tändig verrückt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Werden Sie von der Populace verfolgt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Populace kümmert mich nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oder wollen Sie &#x017F;ich freiwillig in Arre&#x017F;t über¬<lb/>
liefern, weil Sie &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Officier hielt inne. &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts weniger als das.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So muß ich den Herrn auffordern, &#x017F;ich deut¬<lb/>
licher zu expliciren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit dem größten Vergnügen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Wachthabende hatte, um &#x017F;eine Autorität<lb/>
aufrecht zu erhalten, &#x017F;ich auf den Schemel nieder<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, was der Arre&#x017F;tat und der Rittmei&#x017F;ter &#x017F;chon<lb/>
vor ihm gethan. Auch der Cornet &#x017F;chien Willens,<lb/>
dem Bei&#x017F;piel zu folgen, als Bovillard mit einer<lb/>
ra&#x017F;chen Schwenkung den vierten und letzen Schemel<lb/>
vor dem Wachthabenden nieder&#x017F;etzte, und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
darauf:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0215] der ganzen ehrenwerthen Verſammlung. Sie ſchwiegen. Als wär's eine electriſche Berührung, die Alle in einem Moment umgewandelt hatte! Ein Dritter würde es ein Gefühl der Geſchlagenheit genannt haben. Sie wußten nicht, was ſie zu thun hatten. Bovillard war wie ein Geiſt aus der Mauer in ihre Mitte gedrungen; ein Züſcheln oder ſelbſt nur ein Verſtändigen durch Blicke war nicht mehr thun¬ lich. Indeſſen nahm der Wachthabende das Wort: „Sie kommen in welcher Abſicht?“ „Ihren Schutz und Beiſtand anzuſprechen.“ Die Sache war auf's Neue vollſtändig verrückt. „Werden Sie von der Populace verfolgt?“ „Die Populace kümmert mich nicht.“ „Oder wollen Sie ſich freiwillig in Arreſt über¬ liefern, weil Sie —“ Der Officier hielt inne. — „Nichts weniger als das.“ „So muß ich den Herrn auffordern, ſich deut¬ licher zu expliciren.“ „Mit dem größten Vergnügen.“ Der Wachthabende hatte, um ſeine Autorität aufrecht zu erhalten, ſich auf den Schemel nieder gelaſſen, was der Arreſtat und der Rittmeiſter ſchon vor ihm gethan. Auch der Cornet ſchien Willens, dem Beiſpiel zu folgen, als Bovillard mit einer raſchen Schwenkung den vierten und letzen Schemel vor dem Wachthabenden niederſetzte, und ſich ſelbſt darauf:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/215
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/215>, abgerufen am 29.04.2024.