Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

vorüberging. Da ward sie eine andere. Und Du
bist der Mann, an den sich das schwache Mädchen
lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm
zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht,
nun ist's an Dir, zu entscheiden. Du aber bist nun
die Säule, an die der Epheu sich rankt, Du der
Freund, den mir die Götter erzogen. Du sprichst
nun für mich. So an Dich mich schmiegend, will
ich stehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬
glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt,
Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter,
nicht mehr erschrecken."

Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne
in der Linde schauten auf einen Glücklichen und eine
still Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter
jener Zeit gesagt hätten, daß Götter die Sterblichen
darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war
immer gefährlich, aber auch jene Götter täuschten
sich und wurden getäuscht. Sie schaukelten über den
Spiegel auf der See und sahen nicht den Sturm,
der schon ihre Tiefe aufwühlte. -- Ueber die Dächer
tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehrstunde war
wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge.
Es waren aus der einen Stunde drei geworden.

Das süße Geheimniß, was es für andre noch
bleiben sollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter.
Walter hatte es so gewollt. Adelheid erkannte seine
Gründe an, aber sie seufzte, als sie aufstanden. Es
war ein schwerer Gang.

vorüberging. Da ward ſie eine andere. Und Du
biſt der Mann, an den ſich das ſchwache Mädchen
lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm
zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht,
nun iſt's an Dir, zu entſcheiden. Du aber biſt nun
die Säule, an die der Epheu ſich rankt, Du der
Freund, den mir die Götter erzogen. Du ſprichſt
nun für mich. So an Dich mich ſchmiegend, will
ich ſtehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬
glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt,
Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter,
nicht mehr erſchrecken.“

Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne
in der Linde ſchauten auf einen Glücklichen und eine
ſtill Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter
jener Zeit geſagt hätten, daß Götter die Sterblichen
darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war
immer gefährlich, aber auch jene Götter täuſchten
ſich und wurden getäuſcht. Sie ſchaukelten über den
Spiegel auf der See und ſahen nicht den Sturm,
der ſchon ihre Tiefe aufwühlte. — Ueber die Dächer
tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehrſtunde war
wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge.
Es waren aus der einen Stunde drei geworden.

Das ſüße Geheimniß, was es für andre noch
bleiben ſollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter.
Walter hatte es ſo gewollt. Adelheid erkannte ſeine
Gründe an, aber ſie ſeufzte, als ſie aufſtanden. Es
war ein ſchwerer Gang.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="232"/>
vorüberging. Da ward &#x017F;ie eine andere. Und Du<lb/>
bi&#x017F;t der Mann, an den &#x017F;ich das &#x017F;chwache Mädchen<lb/>
lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm<lb/>
zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht,<lb/>
nun i&#x017F;t's an Dir, zu ent&#x017F;cheiden. Du aber bi&#x017F;t nun<lb/>
die Säule, an die der Epheu &#x017F;ich rankt, Du der<lb/>
Freund, den mir die Götter erzogen. Du &#x017F;prich&#x017F;t<lb/>
nun für mich. So an Dich mich &#x017F;chmiegend, will<lb/>
ich &#x017F;tehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬<lb/>
glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt,<lb/>
Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter,<lb/>
nicht mehr er&#x017F;chrecken.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne<lb/>
in der Linde &#x017F;chauten auf einen Glücklichen und eine<lb/>
&#x017F;till Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter<lb/>
jener Zeit ge&#x017F;agt hätten, daß Götter die Sterblichen<lb/>
darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war<lb/>
immer gefährlich, aber auch jene Götter täu&#x017F;chten<lb/>
&#x017F;ich und wurden getäu&#x017F;cht. Sie &#x017F;chaukelten über den<lb/>
Spiegel auf der See und &#x017F;ahen nicht den Sturm,<lb/>
der &#x017F;chon ihre Tiefe aufwühlte. &#x2014; Ueber die Dächer<lb/>
tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehr&#x017F;tunde war<lb/>
wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge.<lb/>
Es waren aus der einen Stunde drei geworden.</p><lb/>
        <p>Das &#x017F;üße Geheimniß, was es für andre noch<lb/>
bleiben &#x017F;ollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter.<lb/>
Walter hatte es &#x017F;o gewollt. Adelheid erkannte &#x017F;eine<lb/>
Gründe an, aber &#x017F;ie &#x017F;eufzte, als &#x017F;ie auf&#x017F;tanden. Es<lb/>
war ein &#x017F;chwerer Gang.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0242] vorüberging. Da ward ſie eine andere. Und Du biſt der Mann, an den ſich das ſchwache Mädchen lehnt, Du der Einzige, den ich werth fand, mich ihm zu geben, wie ich bin. War's Recht oder Unrecht, nun iſt's an Dir, zu entſcheiden. Du aber biſt nun die Säule, an die der Epheu ſich rankt, Du der Freund, den mir die Götter erzogen. Du ſprichſt nun für mich. So an Dich mich ſchmiegend, will ich ſtehen, wenn neue Stürme drohen, und der Un¬ glückliche, der Verlorene, wenn er wieder kommt, Deine Verlobte, Walter, wird, ruhig und heiter, nicht mehr erſchrecken.“ Die Schwalben und die Bienen, und die Sonne in der Linde ſchauten auf einen Glücklichen und eine ſtill Zufriedene. Ein Moment, von dem Dichter jener Zeit geſagt hätten, daß Götter die Sterblichen darum beneiden könnten. Der Neid der Götter war immer gefährlich, aber auch jene Götter täuſchten ſich und wurden getäuſcht. Sie ſchaukelten über den Spiegel auf der See und ſahen nicht den Sturm, der ſchon ihre Tiefe aufwühlte. — Ueber die Dächer tönte es vom Gensd'armenthurm. Die Lehrſtunde war wohl zu Ende. Sie hörten mit Schrecken die Schläge. Es waren aus der einen Stunde drei geworden. Das ſüße Geheimniß, was es für andre noch bleiben ſollte, durfte es nicht vor der Pflegemutter. Walter hatte es ſo gewollt. Adelheid erkannte ſeine Gründe an, aber ſie ſeufzte, als ſie aufſtanden. Es war ein ſchwerer Gang.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/242
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/242>, abgerufen am 29.04.2024.