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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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um das Mißverständniß zu constatiren. Siegen aber
in diesem Augenblick bei uns die Feuerköpfe, so ist
Alles verloren; und wenn im Schrecken der Nacht
ein Ministerrath gehalten wird, weiß wer, ob ein
Schlaftrunkener nicht die Fackel ins Pulverfaß wirft."

"Haben Sie mir noch mehr zu sagen, mein
Vater?"

"Dein Herzenswunsch ist es, und Dir verzeih
ich's und den jungen Leuten und patriotischen Frauen,
die keinen Blick in unsre Verhältnisse haben, und ob
wir können, was wir wollen."

"Wenn der Eroberer schon mit Angst uns auf¬
marschirt in seinem Rücken erblickt!"

"So wird er Kehrt machen, wenn er uns in
die Zähne sieht, meinst Du!" -- Der Geheimrath
blickte sich um, wie wenn er einen Lauscher fürchtete.
Mit gedämpfter Stimme sprach er: -- "Wir sind
nicht gerüstet, da hast Du die Wahrheit, die man
nicht aussprechen darf. Die Schulden der Rhein¬
campagne sind noch nicht ganz gedeckt, die Mobil¬
machung nach der Weichsel hat ein neues Loch in
den Schatz gefressen. Wir haben kein Geld, auf
keine Subsidien zu rechnen, da wir mit England
blank stehen, es sieht so schlimm in unserer Kasse
aus, daß Herr von Stein drauf dringt, Papier¬
geld zu machen. Wer wird das in Zahlung an¬
nehmen?"

"Die Millionen, Vater, die unser Kriegswesen
jährlich -- "

um das Mißverſtändniß zu conſtatiren. Siegen aber
in dieſem Augenblick bei uns die Feuerköpfe, ſo iſt
Alles verloren; und wenn im Schrecken der Nacht
ein Miniſterrath gehalten wird, weiß wer, ob ein
Schlaftrunkener nicht die Fackel ins Pulverfaß wirft.“

„Haben Sie mir noch mehr zu ſagen, mein
Vater?“

„Dein Herzenswunſch iſt es, und Dir verzeih
ich's und den jungen Leuten und patriotiſchen Frauen,
die keinen Blick in unſre Verhältniſſe haben, und ob
wir können, was wir wollen.“

„Wenn der Eroberer ſchon mit Angſt uns auf¬
marſchirt in ſeinem Rücken erblickt!“

„So wird er Kehrt machen, wenn er uns in
die Zähne ſieht, meinſt Du!“ — Der Geheimrath
blickte ſich um, wie wenn er einen Lauſcher fürchtete.
Mit gedämpfter Stimme ſprach er: — „Wir ſind
nicht gerüſtet, da haſt Du die Wahrheit, die man
nicht ausſprechen darf. Die Schulden der Rhein¬
campagne ſind noch nicht ganz gedeckt, die Mobil¬
machung nach der Weichſel hat ein neues Loch in
den Schatz gefreſſen. Wir haben kein Geld, auf
keine Subſidien zu rechnen, da wir mit England
blank ſtehen, es ſieht ſo ſchlimm in unſerer Kaſſe
aus, daß Herr von Stein drauf dringt, Papier¬
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nehmen?“

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jährlich — “

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[332/0342] um das Mißverſtändniß zu conſtatiren. Siegen aber in dieſem Augenblick bei uns die Feuerköpfe, ſo iſt Alles verloren; und wenn im Schrecken der Nacht ein Miniſterrath gehalten wird, weiß wer, ob ein Schlaftrunkener nicht die Fackel ins Pulverfaß wirft.“ „Haben Sie mir noch mehr zu ſagen, mein Vater?“ „Dein Herzenswunſch iſt es, und Dir verzeih ich's und den jungen Leuten und patriotiſchen Frauen, die keinen Blick in unſre Verhältniſſe haben, und ob wir können, was wir wollen.“ „Wenn der Eroberer ſchon mit Angſt uns auf¬ marſchirt in ſeinem Rücken erblickt!“ „So wird er Kehrt machen, wenn er uns in die Zähne ſieht, meinſt Du!“ — Der Geheimrath blickte ſich um, wie wenn er einen Lauſcher fürchtete. Mit gedämpfter Stimme ſprach er: — „Wir ſind nicht gerüſtet, da haſt Du die Wahrheit, die man nicht ausſprechen darf. Die Schulden der Rhein¬ campagne ſind noch nicht ganz gedeckt, die Mobil¬ machung nach der Weichſel hat ein neues Loch in den Schatz gefreſſen. Wir haben kein Geld, auf keine Subſidien zu rechnen, da wir mit England blank ſtehen, es ſieht ſo ſchlimm in unſerer Kaſſe aus, daß Herr von Stein drauf dringt, Papier¬ geld zu machen. Wer wird das in Zahlung an¬ nehmen?“ „Die Millionen, Vater, die unſer Kriegsweſen jährlich — “

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/342>, abgerufen am 30.04.2024.