Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

nur einen gewissen Classiker zu ediren brauchen, und
eine Anstellung und Anerkennung hätte ihm nicht
gefehlt. Aber man sagt, das gilt jetzt nicht mehr
viel. Da wandte er sich den jüngern Geistern zu,
die aus der Natur, veralteten Poeten und der Mystik,
Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten.
Abgestandene Aufklärung nannten diese jungen Genies
die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen
berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem
Wege war kein Platz mehr für sie zur Geltung zu
kommen. Van Asten wollte auch Dichter sein."

"Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter.
Er sagte mir, wer fühlt, daß seine Begabung für
die Poesie nicht ausreicht, soll davon bei Zeiten ab¬
stehen."

"Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen
Schule hat noch kein einziger eine Anstellung erhal¬
ten. Herr Iffland will auch ihre Theaterstücke nicht
zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden
Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat
Dein Herr van Asten sich auch wieder auf anderes
geworfen. Er will ein selbstständiger Mann, ein
Character sein. Er hat sich von seinem Vater ge¬
trennt, der ein angesehener reicher Mann ist, und
will sich selbst sein Fortkommen verschaffen. Wenn
es ihm gelingt, hat er recht. Das ist die Aufgabe
des Genius, aus sich heraus seine Welt sich zu er¬
schaffen. Sein Anfang ist recht hübsch. Er tritt
nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬

nur einen gewiſſen Claſſiker zu ediren brauchen, und
eine Anſtellung und Anerkennung hätte ihm nicht
gefehlt. Aber man ſagt, das gilt jetzt nicht mehr
viel. Da wandte er ſich den jüngern Geiſtern zu,
die aus der Natur, veralteten Poeten und der Myſtik,
Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten.
Abgeſtandene Aufklärung nannten dieſe jungen Genies
die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen
berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem
Wege war kein Platz mehr für ſie zur Geltung zu
kommen. Van Aſten wollte auch Dichter ſein.“

„Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter.
Er ſagte mir, wer fühlt, daß ſeine Begabung für
die Poeſie nicht ausreicht, ſoll davon bei Zeiten ab¬
ſtehen.“

„Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen
Schule hat noch kein einziger eine Anſtellung erhal¬
ten. Herr Iffland will auch ihre Theaterſtücke nicht
zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden
Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat
Dein Herr van Aſten ſich auch wieder auf anderes
geworfen. Er will ein ſelbſtſtändiger Mann, ein
Character ſein. Er hat ſich von ſeinem Vater ge¬
trennt, der ein angeſehener reicher Mann iſt, und
will ſich ſelbſt ſein Fortkommen verſchaffen. Wenn
es ihm gelingt, hat er recht. Das iſt die Aufgabe
des Genius, aus ſich heraus ſeine Welt ſich zu er¬
ſchaffen. Sein Anfang iſt recht hübſch. Er tritt
nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="47"/>
nur einen gewi&#x017F;&#x017F;en Cla&#x017F;&#x017F;iker zu ediren brauchen, und<lb/>
eine An&#x017F;tellung und Anerkennung hätte ihm nicht<lb/>
gefehlt. Aber man &#x017F;agt, das gilt jetzt nicht mehr<lb/>
viel. Da wandte er &#x017F;ich den jüngern Gei&#x017F;tern zu,<lb/>
die aus der Natur, veralteten Poeten und der My&#x017F;tik,<lb/>
Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten.<lb/>
Abge&#x017F;tandene Aufklärung nannten die&#x017F;e jungen Genies<lb/>
die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen<lb/>
berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem<lb/>
Wege war kein Platz mehr für &#x017F;ie zur Geltung zu<lb/>
kommen. Van A&#x017F;ten wollte auch Dichter &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter.<lb/>
Er &#x017F;agte mir, wer fühlt, daß &#x017F;eine Begabung für<lb/>
die Poe&#x017F;ie nicht ausreicht, &#x017F;oll davon bei Zeiten ab¬<lb/>
&#x017F;tehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen<lb/>
Schule hat noch kein einziger eine An&#x017F;tellung erhal¬<lb/>
ten. Herr Iffland will auch ihre Theater&#x017F;tücke nicht<lb/>
zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden<lb/>
Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat<lb/>
Dein Herr van A&#x017F;ten &#x017F;ich auch wieder auf anderes<lb/>
geworfen. Er will ein &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändiger Mann, ein<lb/>
Character &#x017F;ein. Er hat &#x017F;ich von &#x017F;einem Vater ge¬<lb/>
trennt, der ein ange&#x017F;ehener reicher Mann i&#x017F;t, und<lb/>
will &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ein Fortkommen ver&#x017F;chaffen. Wenn<lb/>
es ihm gelingt, hat er recht. Das i&#x017F;t die Aufgabe<lb/>
des Genius, aus &#x017F;ich heraus &#x017F;eine Welt &#x017F;ich zu er¬<lb/>
&#x017F;chaffen. Sein Anfang i&#x017F;t recht hüb&#x017F;ch. Er tritt<lb/>
nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0057] nur einen gewiſſen Claſſiker zu ediren brauchen, und eine Anſtellung und Anerkennung hätte ihm nicht gefehlt. Aber man ſagt, das gilt jetzt nicht mehr viel. Da wandte er ſich den jüngern Geiſtern zu, die aus der Natur, veralteten Poeten und der Myſtik, Gott weiß, welche Schätze zu graben vermeinten. Abgeſtandene Aufklärung nannten dieſe jungen Genies die Werke, durch welche jene Männer, die vor ihnen berühmt waren, ihren Ruhm gewonnen. Auf dem Wege war kein Platz mehr für ſie zur Geltung zu kommen. Van Aſten wollte auch Dichter ſein.“ „Das hat er wieder aufgegeben, liebe Mutter. Er ſagte mir, wer fühlt, daß ſeine Begabung für die Poeſie nicht ausreicht, ſoll davon bei Zeiten ab¬ ſtehen.“ „Sehr vernünftig. Von der ganzen jungen Schule hat noch kein einziger eine Anſtellung erhal¬ ten. Herr Iffland will auch ihre Theaterſtücke nicht zur Aufführung bringen. Es hat einen glänzenden Schein, mein Kind, aber es gilt nicht. Darum hat Dein Herr van Aſten ſich auch wieder auf anderes geworfen. Er will ein ſelbſtſtändiger Mann, ein Character ſein. Er hat ſich von ſeinem Vater ge¬ trennt, der ein angeſehener reicher Mann iſt, und will ſich ſelbſt ſein Fortkommen verſchaffen. Wenn es ihm gelingt, hat er recht. Das iſt die Aufgabe des Genius, aus ſich heraus ſeine Welt ſich zu er¬ ſchaffen. Sein Anfang iſt recht hübſch. Er tritt nicht auf wie ein junger Candidat, der mit gekrümm¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/57
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/57>, abgerufen am 02.05.2024.