Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

da ich ziemlich offen mit ihnen conversire, ist es doch
nicht meine Schuld, wenn ich Dinge erfahre, an
denen mir wirklich nichts gelegen ist. Ich soll ja
auch wohl ein Crösus sein, und bald wieder ein
Glücksritter! Soll ich nicht auch nach einer reichen Ehe
mich umsehen! -- Er seufzte: Und die Geister einer
unaussprechlich geliebten Gattin schweben noch um
ihren Grabeshügel! Doch genug davon. Meinethal¬
ben lassen Sie mich einen Cagliostro sein. Im Uebri¬
gen habe ich noch Niemand verhehlt, daß der Zustand
meiner Güter in Thüringen mich hergeführt hat.
Treffliche Güter, aber verwildert unter meinem Vor¬
besitzer. Es bedarf einer wissenschaftlichen Agricultur¬
behandlung, um ihre Ertragsfähigkeit auf die Höhe
zu bringen, die ich mir zum Ziel gesetzt. Ich besitze
chemische Kenntnisse, wer aber kann alles wissen, wer
braucht nicht des Rathes, fremder Einsicht! In Berlin
finde ich einen Hermbstädt, Klaproth, Flittner. Sie
sind meine Lehrer, Freunde, ich consultire sie, experi¬
mentire mit ihnen in der Zersetzung von Kalkerde,
Mergel, in allen Arten künstlicher Dungarten. Das
meine Beschäftigung hier. -- Sie selbst aber sehen
mich ungläubig an. Ach, ich versichere Sie, in dieser
Wissenschaft allein ist mein Trost. Hier ist Wahrheit,
hier lern' ich kennen, was sich bindet, was sich ab¬
stößt, hier ist Folgerung, Zusammenhang, hier lös
ich mir Räthsel, welche der Ballsaal der Menschen¬
welt mit seinen tausendfachen bunten Umhüllungen
und Masken so verwirrend umhüllt, daß oft das

da ich ziemlich offen mit ihnen converſire, iſt es doch
nicht meine Schuld, wenn ich Dinge erfahre, an
denen mir wirklich nichts gelegen iſt. Ich ſoll ja
auch wohl ein Cröſus ſein, und bald wieder ein
Glücksritter! Soll ich nicht auch nach einer reichen Ehe
mich umſehen! — Er ſeufzte: Und die Geiſter einer
unausſprechlich geliebten Gattin ſchweben noch um
ihren Grabeshügel! Doch genug davon. Meinethal¬
ben laſſen Sie mich einen Caglioſtro ſein. Im Uebri¬
gen habe ich noch Niemand verhehlt, daß der Zuſtand
meiner Güter in Thüringen mich hergeführt hat.
Treffliche Güter, aber verwildert unter meinem Vor¬
beſitzer. Es bedarf einer wiſſenſchaftlichen Agricultur¬
behandlung, um ihre Ertragsfähigkeit auf die Höhe
zu bringen, die ich mir zum Ziel geſetzt. Ich beſitze
chemiſche Kenntniſſe, wer aber kann alles wiſſen, wer
braucht nicht des Rathes, fremder Einſicht! In Berlin
finde ich einen Hermbſtädt, Klaproth, Flittner. Sie
ſind meine Lehrer, Freunde, ich conſultire ſie, experi¬
mentire mit ihnen in der Zerſetzung von Kalkerde,
Mergel, in allen Arten künſtlicher Dungarten. Das
meine Beſchäftigung hier. — Sie ſelbſt aber ſehen
mich ungläubig an. Ach, ich verſichere Sie, in dieſer
Wiſſenſchaft allein iſt mein Troſt. Hier iſt Wahrheit,
hier lern' ich kennen, was ſich bindet, was ſich ab¬
ſtößt, hier iſt Folgerung, Zuſammenhang, hier lös
ich mir Räthſel, welche der Ballſaal der Menſchen¬
welt mit ſeinen tauſendfachen bunten Umhüllungen
und Masken ſo verwirrend umhüllt, daß oft das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="71"/>
da ich ziemlich offen mit ihnen conver&#x017F;ire, i&#x017F;t es doch<lb/>
nicht meine Schuld, wenn ich Dinge erfahre, an<lb/>
denen mir wirklich nichts gelegen i&#x017F;t. Ich &#x017F;oll ja<lb/>
auch wohl ein Crö&#x017F;us &#x017F;ein, und bald wieder ein<lb/>
Glücksritter! Soll ich nicht auch nach einer reichen Ehe<lb/>
mich um&#x017F;ehen! &#x2014; Er &#x017F;eufzte: Und die Gei&#x017F;ter einer<lb/>
unaus&#x017F;prechlich geliebten Gattin &#x017F;chweben noch um<lb/>
ihren Grabeshügel! Doch genug davon. Meinethal¬<lb/>
ben la&#x017F;&#x017F;en Sie mich einen Caglio&#x017F;tro &#x017F;ein. Im Uebri¬<lb/>
gen habe ich noch Niemand verhehlt, daß der Zu&#x017F;tand<lb/>
meiner Güter in Thüringen mich hergeführt hat.<lb/>
Treffliche Güter, aber verwildert unter meinem Vor¬<lb/>
be&#x017F;itzer. Es bedarf einer wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Agricultur¬<lb/>
behandlung, um ihre Ertragsfähigkeit auf die Höhe<lb/>
zu bringen, die ich mir zum Ziel ge&#x017F;etzt. Ich be&#x017F;itze<lb/>
chemi&#x017F;che Kenntni&#x017F;&#x017F;e, wer aber kann alles wi&#x017F;&#x017F;en, wer<lb/>
braucht nicht des Rathes, fremder Ein&#x017F;icht! In Berlin<lb/>
finde ich einen Hermb&#x017F;tädt, Klaproth, Flittner. Sie<lb/>
&#x017F;ind meine Lehrer, Freunde, ich con&#x017F;ultire &#x017F;ie, experi¬<lb/>
mentire mit ihnen in der Zer&#x017F;etzung von Kalkerde,<lb/>
Mergel, in allen Arten kün&#x017F;tlicher Dungarten. Das<lb/>
meine Be&#x017F;chäftigung hier. &#x2014; Sie &#x017F;elb&#x017F;t aber &#x017F;ehen<lb/>
mich ungläubig an. Ach, ich ver&#x017F;ichere Sie, in die&#x017F;er<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft allein i&#x017F;t mein Tro&#x017F;t. Hier i&#x017F;t Wahrheit,<lb/>
hier lern' ich kennen, was &#x017F;ich bindet, was &#x017F;ich ab¬<lb/>
&#x017F;tößt, hier i&#x017F;t Folgerung, Zu&#x017F;ammenhang, hier lös<lb/>
ich mir Räth&#x017F;el, welche der Ball&#x017F;aal der Men&#x017F;chen¬<lb/>
welt mit &#x017F;einen tau&#x017F;endfachen bunten Umhüllungen<lb/>
und Masken &#x017F;o verwirrend umhüllt, daß oft das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0081] da ich ziemlich offen mit ihnen converſire, iſt es doch nicht meine Schuld, wenn ich Dinge erfahre, an denen mir wirklich nichts gelegen iſt. Ich ſoll ja auch wohl ein Cröſus ſein, und bald wieder ein Glücksritter! Soll ich nicht auch nach einer reichen Ehe mich umſehen! — Er ſeufzte: Und die Geiſter einer unausſprechlich geliebten Gattin ſchweben noch um ihren Grabeshügel! Doch genug davon. Meinethal¬ ben laſſen Sie mich einen Caglioſtro ſein. Im Uebri¬ gen habe ich noch Niemand verhehlt, daß der Zuſtand meiner Güter in Thüringen mich hergeführt hat. Treffliche Güter, aber verwildert unter meinem Vor¬ beſitzer. Es bedarf einer wiſſenſchaftlichen Agricultur¬ behandlung, um ihre Ertragsfähigkeit auf die Höhe zu bringen, die ich mir zum Ziel geſetzt. Ich beſitze chemiſche Kenntniſſe, wer aber kann alles wiſſen, wer braucht nicht des Rathes, fremder Einſicht! In Berlin finde ich einen Hermbſtädt, Klaproth, Flittner. Sie ſind meine Lehrer, Freunde, ich conſultire ſie, experi¬ mentire mit ihnen in der Zerſetzung von Kalkerde, Mergel, in allen Arten künſtlicher Dungarten. Das meine Beſchäftigung hier. — Sie ſelbſt aber ſehen mich ungläubig an. Ach, ich verſichere Sie, in dieſer Wiſſenſchaft allein iſt mein Troſt. Hier iſt Wahrheit, hier lern' ich kennen, was ſich bindet, was ſich ab¬ ſtößt, hier iſt Folgerung, Zuſammenhang, hier lös ich mir Räthſel, welche der Ballſaal der Menſchen¬ welt mit ſeinen tauſendfachen bunten Umhüllungen und Masken ſo verwirrend umhüllt, daß oft das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/81
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/81>, abgerufen am 02.05.2024.