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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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"Ein Cäsar Borgia würde freilich in solchem Falle
Mittel finden; auch haben sehr kluge Köpfe sich da¬
durch der Welt erhalten, die allerdings mehr von
ihrem Ingenium profitirt hat, als von zehn Hau¬
degen, welche die Weinhäuser mit ihren Radomon¬
taden erfüllen. Indessen, wir sind keine Borgias
und das neunzehnte Jahrhundert verträgt keine Sti¬
lets und Banditen."

"Aber es muß seine edelsten Männer schützen.
Es giebt auch andre Mittel, eine höhere Polizei,
eine Justiz. Bovillard der Vater muß es erfahren,
er muß endlich etwas thun, dem Unwesen seines
Sohnes zu steuern. Der König selbst ist entsetzt über
diese blutigen Raufereien --"

Der Gast hatte ihren Arm ergriffen: "Um des
Himmels willen, meine gütigste Freundin, soll ich
bereuen, daß ich im Vertrauen die Lippen öffnete.
Es war Alles Scherz --"

"Nein, es ist Ernst."

"Wenn Sie dem Dinge den Namen gönnen,
so beschwöre ich Sie, kein Sterbenswörtchen davon!
Sie werden mich verstehen. Was ist das Leben?
Eine Anweisung auf Geltung. Wird dieser Wechsel
zurückgewiesen, was bleibt uns davon! Wer mag
der Lebensluft, in der wir nur athmen können,
den Rücken kehren! Ich rechne also auf Ihre Dis¬
cretion. Jedes Wörtchen, jeder Wink könnte von
meinen Feinden anders gedeutet werden. Es ist ja
auch möglich, daß der junge Mann sich eines Besseren

„Ein Cäſar Borgia würde freilich in ſolchem Falle
Mittel finden; auch haben ſehr kluge Köpfe ſich da¬
durch der Welt erhalten, die allerdings mehr von
ihrem Ingenium profitirt hat, als von zehn Hau¬
degen, welche die Weinhäuſer mit ihren Radomon¬
taden erfüllen. Indeſſen, wir ſind keine Borgias
und das neunzehnte Jahrhundert verträgt keine Sti¬
lets und Banditen.“

„Aber es muß ſeine edelſten Männer ſchützen.
Es giebt auch andre Mittel, eine höhere Polizei,
eine Juſtiz. Bovillard der Vater muß es erfahren,
er muß endlich etwas thun, dem Unweſen ſeines
Sohnes zu ſteuern. Der König ſelbſt iſt entſetzt über
dieſe blutigen Raufereien —“

Der Gaſt hatte ihren Arm ergriffen: „Um des
Himmels willen, meine gütigſte Freundin, ſoll ich
bereuen, daß ich im Vertrauen die Lippen öffnete.
Es war Alles Scherz —“

„Nein, es iſt Ernſt.“

„Wenn Sie dem Dinge den Namen gönnen,
ſo beſchwöre ich Sie, kein Sterbenswörtchen davon!
Sie werden mich verſtehen. Was iſt das Leben?
Eine Anweiſung auf Geltung. Wird dieſer Wechſel
zurückgewieſen, was bleibt uns davon! Wer mag
der Lebensluft, in der wir nur athmen können,
den Rücken kehren! Ich rechne alſo auf Ihre Dis¬
cretion. Jedes Wörtchen, jeder Wink könnte von
meinen Feinden anders gedeutet werden. Es iſt ja
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[74/0084] „Ein Cäſar Borgia würde freilich in ſolchem Falle Mittel finden; auch haben ſehr kluge Köpfe ſich da¬ durch der Welt erhalten, die allerdings mehr von ihrem Ingenium profitirt hat, als von zehn Hau¬ degen, welche die Weinhäuſer mit ihren Radomon¬ taden erfüllen. Indeſſen, wir ſind keine Borgias und das neunzehnte Jahrhundert verträgt keine Sti¬ lets und Banditen.“ „Aber es muß ſeine edelſten Männer ſchützen. Es giebt auch andre Mittel, eine höhere Polizei, eine Juſtiz. Bovillard der Vater muß es erfahren, er muß endlich etwas thun, dem Unweſen ſeines Sohnes zu ſteuern. Der König ſelbſt iſt entſetzt über dieſe blutigen Raufereien —“ Der Gaſt hatte ihren Arm ergriffen: „Um des Himmels willen, meine gütigſte Freundin, ſoll ich bereuen, daß ich im Vertrauen die Lippen öffnete. Es war Alles Scherz —“ „Nein, es iſt Ernſt.“ „Wenn Sie dem Dinge den Namen gönnen, ſo beſchwöre ich Sie, kein Sterbenswörtchen davon! Sie werden mich verſtehen. Was iſt das Leben? Eine Anweiſung auf Geltung. Wird dieſer Wechſel zurückgewieſen, was bleibt uns davon! Wer mag der Lebensluft, in der wir nur athmen können, den Rücken kehren! Ich rechne alſo auf Ihre Dis¬ cretion. Jedes Wörtchen, jeder Wink könnte von meinen Feinden anders gedeutet werden. Es iſt ja auch möglich, daß der junge Mann ſich eines Beſſeren

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/84>, abgerufen am 02.05.2024.