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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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könnt und sollt mich nicht anders machen als ich bin.
Dann flog ein eigenthümliches Lächeln über die Lip¬
pen, welche die Magistratsperson so treffend gemalt
hatte.

"Der Herr Legationsrath von Wandel lassen
ihren Respect vermelden!" sprach der eintretende Die¬
ner, nachdem ein Zug an der Thürglocke sie aus ihren
Gedanken aufgeschreckt.

"Ich lasse dem Herrn Legationsrath für seine
unerwartete Attention danken."

Der Bediente ging aber noch nicht, obgleich die
Dienerschaft gewöhnt worden zu schweigen, wenn die
Geheimräthin mit einer ihrer scharfen Bemerkungen
eine Rede abschnitt. Es hatte sich manches in dem
Hause verändert, die Geheimräthin schnitt viel öfter,
rascher, die Reden ab; sie sprach am liebsten mit sich,
und man sah ihr an, daß sie in der Unterhaltung
dem mit ihr Redenden nur äußerlich Aufmerksamkeit
schenkte, während ihre Gedanken andre Wege gingen.

"Ists noch etwas, Heinrich?" fragte sie als der
Bediente nicht ging. Er hieß eigentlich Johann,
hatte aber beim Eintritt in den Dienst diesen Namen
ablegen müssen.

"Herr Legationsrath --" sagte der Bediente und
stockte vor dem Blick der Geheimräthin.

"Hat mir seinen Respect durch seinen Bedienten
vermelden lassen, wiederholte sie rasch. Weiter hat
er mir doch nichts zu sagen?"

"Sie lassen der Frau Geheimräthin sagen, Frau

könnt und ſollt mich nicht anders machen als ich bin.
Dann flog ein eigenthümliches Lächeln über die Lip¬
pen, welche die Magiſtratsperſon ſo treffend gemalt
hatte.

„Der Herr Legationsrath von Wandel laſſen
ihren Reſpect vermelden!“ ſprach der eintretende Die¬
ner, nachdem ein Zug an der Thürglocke ſie aus ihren
Gedanken aufgeſchreckt.

„Ich laſſe dem Herrn Legationsrath für ſeine
unerwartete Attention danken.“

Der Bediente ging aber noch nicht, obgleich die
Dienerſchaft gewöhnt worden zu ſchweigen, wenn die
Geheimräthin mit einer ihrer ſcharfen Bemerkungen
eine Rede abſchnitt. Es hatte ſich manches in dem
Hauſe verändert, die Geheimräthin ſchnitt viel öfter,
raſcher, die Reden ab; ſie ſprach am liebſten mit ſich,
und man ſah ihr an, daß ſie in der Unterhaltung
dem mit ihr Redenden nur äußerlich Aufmerkſamkeit
ſchenkte, während ihre Gedanken andre Wege gingen.

„Iſts noch etwas, Heinrich?“ fragte ſie als der
Bediente nicht ging. Er hieß eigentlich Johann,
hatte aber beim Eintritt in den Dienſt dieſen Namen
ablegen müſſen.

„Herr Legationsrath —“ ſagte der Bediente und
ſtockte vor dem Blick der Geheimräthin.

„Hat mir ſeinen Reſpect durch ſeinen Bedienten
vermelden laſſen, wiederholte ſie raſch. Weiter hat
er mir doch nichts zu ſagen?“

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[197/0207] könnt und ſollt mich nicht anders machen als ich bin. Dann flog ein eigenthümliches Lächeln über die Lip¬ pen, welche die Magiſtratsperſon ſo treffend gemalt hatte. „Der Herr Legationsrath von Wandel laſſen ihren Reſpect vermelden!“ ſprach der eintretende Die¬ ner, nachdem ein Zug an der Thürglocke ſie aus ihren Gedanken aufgeſchreckt. „Ich laſſe dem Herrn Legationsrath für ſeine unerwartete Attention danken.“ Der Bediente ging aber noch nicht, obgleich die Dienerſchaft gewöhnt worden zu ſchweigen, wenn die Geheimräthin mit einer ihrer ſcharfen Bemerkungen eine Rede abſchnitt. Es hatte ſich manches in dem Hauſe verändert, die Geheimräthin ſchnitt viel öfter, raſcher, die Reden ab; ſie ſprach am liebſten mit ſich, und man ſah ihr an, daß ſie in der Unterhaltung dem mit ihr Redenden nur äußerlich Aufmerkſamkeit ſchenkte, während ihre Gedanken andre Wege gingen. „Iſts noch etwas, Heinrich?“ fragte ſie als der Bediente nicht ging. Er hieß eigentlich Johann, hatte aber beim Eintritt in den Dienſt dieſen Namen ablegen müſſen. „Herr Legationsrath —“ ſagte der Bediente und ſtockte vor dem Blick der Geheimräthin. „Hat mir ſeinen Reſpect durch ſeinen Bedienten vermelden laſſen, wiederholte ſie raſch. Weiter hat er mir doch nichts zu ſagen?“ „Sie laſſen der Frau Geheimräthin ſagen, Frau

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/207>, abgerufen am 27.04.2024.