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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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schen schiefen Gesichter, die Zungen, die sie ihm
streckten, beleidigten ihn nicht, er fühlte sich ihnen
näher gerückt; der König, der ihn einen treuen Diener
genannt, war ihr Herr. Vor seinem Commando,
vor seinem Blick mußten sie zu Bildsäulen erstarren.
Und ihm war es, als müsse der Huldblick des Kö¬
nigs etwas von seiner Majestät und Machtvollkom¬
menheit auch auf ihn ausgegossen haben; auch vor
ihm müßten diese rohen Männer, wenn er es sagen
wolle, was er wußte, in Ehrfurcht erstarren.

Er sagte es zum Glück nicht. Vielmehr kehrte
auf dem Wege bis zu Herrn Josty dem Ehrenmann
die volle Besinnung zurück. Es war kein Traum
gewesen, auch keine Erscheinung aus einem arabischen
Mährchen, vielmehr nichts als die Besiegelung dessen,
was er längst ahnete, vielleicht wußte, und in der
Stadt munkelte es schon. Er sollte nicht mehr lange
Kriegsrath bleiben, er war zu Höherem bestimmt.
Diese Bestimmung drückte sich auch in seiner Haltung
aus, wie er am Tische in der Ecke neben einem andern
Manne gesessen, und mit demselben dem Anschein
nach ein eifriges Gespräch gepflogen hatte.

Der andre Mann, ungefähr im Alter des Kriegs¬
rathes, oder etwas älter, war in seiner Erscheinung
just das Gegentheil. Sein fein geschnittenes, intelli¬
gentes Gesicht ward durch ein Paar kleine graue, ins
Blaue spielende, Augen, wenn sie mit Eifer auf einen
Gegenstand fielen, lebendig. Sonst hatte es mehr
einen calculatorischen Ausdruck, jene verschrumpften,

ſchen ſchiefen Geſichter, die Zungen, die ſie ihm
ſtreckten, beleidigten ihn nicht, er fühlte ſich ihnen
näher gerückt; der König, der ihn einen treuen Diener
genannt, war ihr Herr. Vor ſeinem Commando,
vor ſeinem Blick mußten ſie zu Bildſäulen erſtarren.
Und ihm war es, als müſſe der Huldblick des Kö¬
nigs etwas von ſeiner Majeſtät und Machtvollkom¬
menheit auch auf ihn ausgegoſſen haben; auch vor
ihm müßten dieſe rohen Männer, wenn er es ſagen
wolle, was er wußte, in Ehrfurcht erſtarren.

Er ſagte es zum Glück nicht. Vielmehr kehrte
auf dem Wege bis zu Herrn Joſty dem Ehrenmann
die volle Beſinnung zurück. Es war kein Traum
geweſen, auch keine Erſcheinung aus einem arabiſchen
Mährchen, vielmehr nichts als die Beſiegelung deſſen,
was er längſt ahnete, vielleicht wußte, und in der
Stadt munkelte es ſchon. Er ſollte nicht mehr lange
Kriegsrath bleiben, er war zu Höherem beſtimmt.
Dieſe Beſtimmung drückte ſich auch in ſeiner Haltung
aus, wie er am Tiſche in der Ecke neben einem andern
Manne geſeſſen, und mit demſelben dem Anſchein
nach ein eifriges Geſpräch gepflogen hatte.

Der andre Mann, ungefähr im Alter des Kriegs¬
rathes, oder etwas älter, war in ſeiner Erſcheinung
juſt das Gegentheil. Sein fein geſchnittenes, intelli¬
gentes Geſicht ward durch ein Paar kleine graue, ins
Blaue ſpielende, Augen, wenn ſie mit Eifer auf einen
Gegenſtand fielen, lebendig. Sonſt hatte es mehr
einen calculatoriſchen Ausdruck, jene verſchrumpften,

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[59/0069] ſchen ſchiefen Geſichter, die Zungen, die ſie ihm ſtreckten, beleidigten ihn nicht, er fühlte ſich ihnen näher gerückt; der König, der ihn einen treuen Diener genannt, war ihr Herr. Vor ſeinem Commando, vor ſeinem Blick mußten ſie zu Bildſäulen erſtarren. Und ihm war es, als müſſe der Huldblick des Kö¬ nigs etwas von ſeiner Majeſtät und Machtvollkom¬ menheit auch auf ihn ausgegoſſen haben; auch vor ihm müßten dieſe rohen Männer, wenn er es ſagen wolle, was er wußte, in Ehrfurcht erſtarren. Er ſagte es zum Glück nicht. Vielmehr kehrte auf dem Wege bis zu Herrn Joſty dem Ehrenmann die volle Beſinnung zurück. Es war kein Traum geweſen, auch keine Erſcheinung aus einem arabiſchen Mährchen, vielmehr nichts als die Beſiegelung deſſen, was er längſt ahnete, vielleicht wußte, und in der Stadt munkelte es ſchon. Er ſollte nicht mehr lange Kriegsrath bleiben, er war zu Höherem beſtimmt. Dieſe Beſtimmung drückte ſich auch in ſeiner Haltung aus, wie er am Tiſche in der Ecke neben einem andern Manne geſeſſen, und mit demſelben dem Anſchein nach ein eifriges Geſpräch gepflogen hatte. Der andre Mann, ungefähr im Alter des Kriegs¬ rathes, oder etwas älter, war in ſeiner Erſcheinung juſt das Gegentheil. Sein fein geſchnittenes, intelli¬ gentes Geſicht ward durch ein Paar kleine graue, ins Blaue ſpielende, Augen, wenn ſie mit Eifer auf einen Gegenſtand fielen, lebendig. Sonſt hatte es mehr einen calculatoriſchen Ausdruck, jene verſchrumpften,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/69>, abgerufen am 29.04.2024.