was man ohne Zweck thut, ist meiner Natur ent¬ gegen."
"Der Zweck! Curios! Fragen Sie meinen Haushofmeister. Der Mensch hat es verdient."
"Daß Sie sich selbst strafen, und Ihren besten Kutscher zerschlagen lassen, damit er sechs Wochen nicht auf dem Bock sitzen kann, wenn je wieder?"
"Ich war in einer animosen Laune. Wer wider¬ steht einem Impuls?"
"Darum war ich um meine Erlauchte Freundin besorgt, denn der Exceß in der Bestrafung könnte in diesem Staate unangenehme Folgen haben."
"Die sich redressiren lassen."
"Gewiß, es bleibt indeß immer sehr unan¬ genehm, wenn man seine Kräfte zum Redressiren von Vergangenem verwenden muß. Die Meinung, das Publikum übt eine Macht, die wir durch den Widerstand nur intensiv stärker machen. Wenn es hieße, die Fürstin Gargazin hat ihren Leibkutscher zu Tode prügeln lassen, so würde man die Gerichte wohl zum Schweigen bringen, weil Sie die Fürstin Gargazin sind, auch für die Oeffentlichkeit würde die Wissenschaft Atteste bereit haben, daß der Kutscher an einem organischen Fehler gestorben ist, aber das Todesröcheln des Zerfleischten möchte doch etwas Leichengeruch in den harmonischen Duft hauchen, den der Liebreiz einer Natalie Gargazin um sich gezaubert."
Sie schwieg, aber ihre Lippen schwellten sich
was man ohne Zweck thut, iſt meiner Natur ent¬ gegen.“
„Der Zweck! Curios! Fragen Sie meinen Haushofmeiſter. Der Menſch hat es verdient.“
„Daß Sie ſich ſelbſt ſtrafen, und Ihren beſten Kutſcher zerſchlagen laſſen, damit er ſechs Wochen nicht auf dem Bock ſitzen kann, wenn je wieder?“
„Ich war in einer animoſen Laune. Wer wider¬ ſteht einem Impuls?“
„Darum war ich um meine Erlauchte Freundin beſorgt, denn der Exceß in der Beſtrafung könnte in dieſem Staate unangenehme Folgen haben.“
„Die ſich redreſſiren laſſen.“
„Gewiß, es bleibt indeß immer ſehr unan¬ genehm, wenn man ſeine Kräfte zum Redreſſiren von Vergangenem verwenden muß. Die Meinung, das Publikum übt eine Macht, die wir durch den Widerſtand nur intenſiv ſtärker machen. Wenn es hieße, die Fürſtin Gargazin hat ihren Leibkutſcher zu Tode prügeln laſſen, ſo würde man die Gerichte wohl zum Schweigen bringen, weil Sie die Fürſtin Gargazin ſind, auch für die Oeffentlichkeit würde die Wiſſenſchaft Atteſte bereit haben, daß der Kutſcher an einem organiſchen Fehler geſtorben iſt, aber das Todesröcheln des Zerfleiſchten möchte doch etwas Leichengeruch in den harmoniſchen Duft hauchen, den der Liebreiz einer Natalie Gargazin um ſich gezaubert.“
Sie ſchwieg, aber ihre Lippen ſchwellten ſich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0103"n="93"/>
was man ohne Zweck thut, iſt meiner Natur ent¬<lb/>
gegen.“</p><lb/><p>„Der Zweck! Curios! Fragen Sie meinen<lb/>
Haushofmeiſter. Der Menſch hat es verdient.“</p><lb/><p>„Daß Sie ſich ſelbſt ſtrafen, und Ihren beſten<lb/>
Kutſcher zerſchlagen laſſen, damit er ſechs Wochen<lb/>
nicht auf dem Bock ſitzen kann, wenn je wieder?“</p><lb/><p>„Ich war in einer animoſen Laune. Wer wider¬<lb/>ſteht einem Impuls?“</p><lb/><p>„Darum war ich um meine Erlauchte Freundin<lb/>
beſorgt, denn der Exceß in der Beſtrafung könnte<lb/>
in dieſem Staate unangenehme Folgen haben.“</p><lb/><p>„Die ſich redreſſiren laſſen.“</p><lb/><p>„Gewiß, es bleibt indeß immer ſehr unan¬<lb/>
genehm, wenn man ſeine Kräfte zum Redreſſiren<lb/>
von Vergangenem verwenden muß. Die Meinung,<lb/>
das Publikum übt eine Macht, die wir durch den<lb/>
Widerſtand nur intenſiv ſtärker machen. Wenn es<lb/>
hieße, die Fürſtin Gargazin hat ihren Leibkutſcher<lb/>
zu Tode prügeln laſſen, ſo würde man die Gerichte<lb/>
wohl zum Schweigen bringen, weil Sie die Fürſtin<lb/>
Gargazin ſind, auch für die Oeffentlichkeit würde<lb/>
die Wiſſenſchaft Atteſte bereit haben, daß der Kutſcher<lb/>
an einem organiſchen Fehler geſtorben iſt, aber das<lb/>
Todesröcheln des Zerfleiſchten möchte doch etwas<lb/>
Leichengeruch in den harmoniſchen Duft hauchen,<lb/>
den der Liebreiz einer Natalie Gargazin um ſich<lb/>
gezaubert.“</p><lb/><p>Sie ſchwieg, aber ihre Lippen ſchwellten ſich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0103]
was man ohne Zweck thut, iſt meiner Natur ent¬
gegen.“
„Der Zweck! Curios! Fragen Sie meinen
Haushofmeiſter. Der Menſch hat es verdient.“
„Daß Sie ſich ſelbſt ſtrafen, und Ihren beſten
Kutſcher zerſchlagen laſſen, damit er ſechs Wochen
nicht auf dem Bock ſitzen kann, wenn je wieder?“
„Ich war in einer animoſen Laune. Wer wider¬
ſteht einem Impuls?“
„Darum war ich um meine Erlauchte Freundin
beſorgt, denn der Exceß in der Beſtrafung könnte
in dieſem Staate unangenehme Folgen haben.“
„Die ſich redreſſiren laſſen.“
„Gewiß, es bleibt indeß immer ſehr unan¬
genehm, wenn man ſeine Kräfte zum Redreſſiren
von Vergangenem verwenden muß. Die Meinung,
das Publikum übt eine Macht, die wir durch den
Widerſtand nur intenſiv ſtärker machen. Wenn es
hieße, die Fürſtin Gargazin hat ihren Leibkutſcher
zu Tode prügeln laſſen, ſo würde man die Gerichte
wohl zum Schweigen bringen, weil Sie die Fürſtin
Gargazin ſind, auch für die Oeffentlichkeit würde
die Wiſſenſchaft Atteſte bereit haben, daß der Kutſcher
an einem organiſchen Fehler geſtorben iſt, aber das
Todesröcheln des Zerfleiſchten möchte doch etwas
Leichengeruch in den harmoniſchen Duft hauchen,
den der Liebreiz einer Natalie Gargazin um ſich
gezaubert.“
Sie ſchwieg, aber ihre Lippen ſchwellten ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/103>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.