"Zeigen Sie. Sollt' ich mich im Datum geirrt haben!"
Der Kaufmann hielt den Wechsel seitwärts in die Höhe. Sein Bein und Stock blieben die Barriere. "Sie haben ja wohl gute Augen. -- Sehen Sie? -- Sie sehen vielleicht nicht Alles. Ich auch nicht. -- Die Schrift ist blaß. Herr Legationsrath, seit acht Tagen wird sie jeden Tag blässer, und in acht Tagen hätte ich einen weißen Papierstreifen in der Tasche. Ist das nicht curios?"
Wandel hielt die Hand vor's Gesicht, um besser zu sehen. Plötzlich drehte er sich auf den Hacken um, und sank auf den Stuhl zurück mit einem lauten Auflachen. Van Asten verlor keine seiner Bewegungen aus dem Auge.
"Das ist curios."
"Nur curios, Herr Legationsrath?"
"Waren Sie besorgt, daß ich den Wechsel um deswillen nicht honoriren würde?"
"Besorgt eigentlich nicht, Herr Legationsrath, ich ließ nur, als ich's merkte, vom Notar eine vidimirte Abschrift nehmen, und den curiosen Fall ad proto¬ collum vermerken."
"Die Geschichte wird immer hübscher. Ich hatte damals eine sympathetische Dinte präparirt, und tauchte wahrscheinlich aus Versehen die Feder beim Ausfüllen des Wechsels hinein. Wollen Sie gefälligst herge¬ ben, der Schade ist im Moment reparirt."
Er stellte eines der Kohlenbecken vom Heerde auf den Fenstersims.
IV. 21
„Zeigen Sie. Sollt' ich mich im Datum geirrt haben!“
Der Kaufmann hielt den Wechſel ſeitwärts in die Höhe. Sein Bein und Stock blieben die Barriere. „Sie haben ja wohl gute Augen. — Sehen Sie? — Sie ſehen vielleicht nicht Alles. Ich auch nicht. — Die Schrift iſt blaß. Herr Legationsrath, ſeit acht Tagen wird ſie jeden Tag bläſſer, und in acht Tagen hätte ich einen weißen Papierſtreifen in der Taſche. Iſt das nicht curios?“
Wandel hielt die Hand vor's Geſicht, um beſſer zu ſehen. Plötzlich drehte er ſich auf den Hacken um, und ſank auf den Stuhl zurück mit einem lauten Auflachen. Van Aſten verlor keine ſeiner Bewegungen aus dem Auge.
„Das iſt curios.“
„Nur curios, Herr Legationsrath?“
„Waren Sie beſorgt, daß ich den Wechſel um deswillen nicht honoriren würde?“
„Beſorgt eigentlich nicht, Herr Legationsrath, ich ließ nur, als ich's merkte, vom Notar eine vidimirte Abſchrift nehmen, und den curioſen Fall ad proto¬ collum vermerken.“
„Die Geſchichte wird immer hübſcher. Ich hatte damals eine ſympathetiſche Dinte präparirt, und tauchte wahrſcheinlich aus Verſehen die Feder beim Ausfüllen des Wechſels hinein. Wollen Sie gefälligſt herge¬ ben, der Schade iſt im Moment reparirt.“
Er ſtellte eines der Kohlenbecken vom Heerde auf den Fenſterſims.
IV. 21
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„Zeigen Sie. Sollt' ich mich im Datum geirrt
haben!“
Der Kaufmann hielt den Wechſel ſeitwärts in
die Höhe. Sein Bein und Stock blieben die Barriere.
„Sie haben ja wohl gute Augen. — Sehen Sie? —
Sie ſehen vielleicht nicht Alles. Ich auch nicht. —
Die Schrift iſt blaß. Herr Legationsrath, ſeit acht
Tagen wird ſie jeden Tag bläſſer, und in acht Tagen
hätte ich einen weißen Papierſtreifen in der Taſche.
Iſt das nicht curios?“
Wandel hielt die Hand vor's Geſicht, um beſſer zu
ſehen. Plötzlich drehte er ſich auf den Hacken um, und
ſank auf den Stuhl zurück mit einem lauten Auflachen.
Van Aſten verlor keine ſeiner Bewegungen aus dem Auge.
„Das iſt curios.“
„Nur curios, Herr Legationsrath?“
„Waren Sie beſorgt, daß ich den Wechſel um
deswillen nicht honoriren würde?“
„Beſorgt eigentlich nicht, Herr Legationsrath, ich
ließ nur, als ich's merkte, vom Notar eine vidimirte
Abſchrift nehmen, und den curioſen Fall ad proto¬
collum vermerken.“
„Die Geſchichte wird immer hübſcher. Ich hatte
damals eine ſympathetiſche Dinte präparirt, und tauchte
wahrſcheinlich aus Verſehen die Feder beim Ausfüllen
des Wechſels hinein. Wollen Sie gefälligſt herge¬
ben, der Schade iſt im Moment reparirt.“
Er ſtellte eines der Kohlenbecken vom Heerde
auf den Fenſterſims.
IV. 21
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/331>, abgerufen am 16.06.2024.
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