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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Aber die Fürstin arrangirte nichts, sie ließ Alles
gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht
wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man
möchte sagen auch nicht wie eine Freundin, sondern
wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf
dieses Haus und Alles darin zustand. Sie hatte ihre
besonderen Zimmer, Diener, sie konnte Besuche
empfangen, ausfahren, wie sie Lust hatte. Sie erschien
oder blieb aus, wenn Gesellschaft sich versammelte;
die Fürstin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn sie
Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es
nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem
Penchant zu leben.

Die Königin Louise hatte wieder gelegentlich den
Wunsch geäußert, die schöne Adelheid zu sehen. Der
Wunsch einer Königin ist sonst Befehl. Aber als
Adelheid die Augen niedergeschlagen und geantwortet
hatte: Was soll ich vor der hohen Frau! war die
Fürstin ihr mit der liebenswürdigsten Art um den
Hals gefallen: "Sie haben Recht, was sollen Sie da!
Warum sich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬
sonen werfen in der einen Stunde einen Wunsch hin,
um ihn in der nächsten zu vergessen."

Gegen vertraute Freunde äußerte sie: "Wo die
Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der
Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur.
Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr
fremd sind, vergeht sie oder schießt zu einer unnatür¬
lichen Bastardart auf. Und eine Pflanze, die im

Aber die Fürſtin arrangirte nichts, ſie ließ Alles
gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht
wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man
möchte ſagen auch nicht wie eine Freundin, ſondern
wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf
dieſes Haus und Alles darin zuſtand. Sie hatte ihre
beſonderen Zimmer, Diener, ſie konnte Beſuche
empfangen, ausfahren, wie ſie Luſt hatte. Sie erſchien
oder blieb aus, wenn Geſellſchaft ſich verſammelte;
die Fürſtin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn ſie
Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es
nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem
Penchant zu leben.

Die Königin Louiſe hatte wieder gelegentlich den
Wunſch geäußert, die ſchöne Adelheid zu ſehen. Der
Wunſch einer Königin iſt ſonſt Befehl. Aber als
Adelheid die Augen niedergeſchlagen und geantwortet
hatte: Was ſoll ich vor der hohen Frau! war die
Fürſtin ihr mit der liebenswürdigſten Art um den
Hals gefallen: „Sie haben Recht, was ſollen Sie da!
Warum ſich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬
ſonen werfen in der einen Stunde einen Wunſch hin,
um ihn in der nächſten zu vergeſſen.“

Gegen vertraute Freunde äußerte ſie: „Wo die
Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der
Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur.
Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr
fremd ſind, vergeht ſie oder ſchießt zu einer unnatür¬
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[69/0079] Aber die Fürſtin arrangirte nichts, ſie ließ Alles gehen, wie es wollte. Das junge Mädchen war nicht wie eine Untergebene, nicht wie eine Tochter, man möchte ſagen auch nicht wie eine Freundin, ſondern wie eine Herrin aufgenommen, der ein Recht auf dieſes Haus und Alles darin zuſtand. Sie hatte ihre beſonderen Zimmer, Diener, ſie konnte Beſuche empfangen, ausfahren, wie ſie Luſt hatte. Sie erſchien oder blieb aus, wenn Geſellſchaft ſich verſammelte; die Fürſtin betrachtete es als Freundlichkeit, wenn ſie Theil nahm, und dankte ihr, jedoch mit der Bitte, es nie als ein Opfer zu betrachten, vielmehr ganz ihrem Penchant zu leben. Die Königin Louiſe hatte wieder gelegentlich den Wunſch geäußert, die ſchöne Adelheid zu ſehen. Der Wunſch einer Königin iſt ſonſt Befehl. Aber als Adelheid die Augen niedergeſchlagen und geantwortet hatte: Was ſoll ich vor der hohen Frau! war die Fürſtin ihr mit der liebenswürdigſten Art um den Hals gefallen: „Sie haben Recht, was ſollen Sie da! Warum ſich einen Zwang anthun. Solche hohe Per¬ ſonen werfen in der einen Stunde einen Wunſch hin, um ihn in der nächſten zu vergeſſen.“ Gegen vertraute Freunde äußerte ſie: „Wo die Sonnenblume wuchert, verkäme das Veilchen. Der Gärtner behandelt jede Pflanze nach ihrer Natur. Zwingt man ihr Licht, Erde, Wärme auf, die ihr fremd ſind, vergeht ſie oder ſchießt zu einer unnatür¬ lichen Baſtardart auf. Und eine Pflanze, die im

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/79>, abgerufen am 29.04.2024.