Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

lichkeit, den Schalk in mir zu wittern, von dem es
dort heißt, daß unter allen Geistern, die verneinen,
er dem Herrn der Schöpfung am wenigsten verhaßt
sei. Doch das laß ich auf sich beruhen, es ist Ge¬
schmackssache, wie Alles in der Welt, Antipathieen
und Sympathieen. Was sich anzieht, was sich ab¬
stößt, es ist Alles ein Spiel der Laune, die wir nicht
ergründen, der Kern des Kernes, die Ursach der
Ursach, nach der die schöne Königin Charlotte selbst
einen Leibnitz umsonst fragte und quälte. Nein, da¬
nach müssen wir nicht suchen, nicht grübeln, um
Gotteswillen; wir Alle sind ja nach Ihrem Glau¬
ben -- Erwählte oder Verstoßene, denen die Gnade
leuchtet, oder es blieb in ihnen finster. Haben Sie
doch Erbarmen mit solchem Finstergebliebenen, er
kann ja nicht für seine Maulwurfsaugen, noch daß
sein Blut so kalt blieb als das arctische Meer.
Wenn Sie da weiter fragen wollten, hohe Frau,
auf welche Fragen stießen Sie, Räthsel, die selbst
Ihr Glaube, der Berge versetzt, nicht löst. Zum
Exempel, warum gab der Panurg sich die Mühe,
Meer da oben am Nordpol zu schaffen, wenn es
sofort zu Eis erstarrte? Wir Skeptiker würden fra¬
gen, warum schuf er nicht sogleich Eis? es wäre
doch einfacher, bequemer, consequenter gewesen. Was
hat dies arme Salzwasser verschuldet, daß es die
schmerzliche Metamorphose erduldete? Muß es, wie
ein neugeboren Kind, die Sünden seiner Erzeuger
büßen? Und warum büßen in alle Ewigkeit, denn

lichkeit, den Schalk in mir zu wittern, von dem es
dort heißt, daß unter allen Geiſtern, die verneinen,
er dem Herrn der Schöpfung am wenigſten verhaßt
ſei. Doch das laß ich auf ſich beruhen, es iſt Ge¬
ſchmacksſache, wie Alles in der Welt, Antipathieen
und Sympathieen. Was ſich anzieht, was ſich ab¬
ſtößt, es iſt Alles ein Spiel der Laune, die wir nicht
ergründen, der Kern des Kernes, die Urſach der
Urſach, nach der die ſchöne Königin Charlotte ſelbſt
einen Leibnitz umſonſt fragte und quälte. Nein, da¬
nach müſſen wir nicht ſuchen, nicht grübeln, um
Gotteswillen; wir Alle ſind ja nach Ihrem Glau¬
ben — Erwählte oder Verſtoßene, denen die Gnade
leuchtet, oder es blieb in ihnen finſter. Haben Sie
doch Erbarmen mit ſolchem Finſtergebliebenen, er
kann ja nicht für ſeine Maulwurfsaugen, noch daß
ſein Blut ſo kalt blieb als das arctiſche Meer.
Wenn Sie da weiter fragen wollten, hohe Frau,
auf welche Fragen ſtießen Sie, Räthſel, die ſelbſt
Ihr Glaube, der Berge verſetzt, nicht löſt. Zum
Exempel, warum gab der Panurg ſich die Mühe,
Meer da oben am Nordpol zu ſchaffen, wenn es
ſofort zu Eis erſtarrte? Wir Skeptiker würden fra¬
gen, warum ſchuf er nicht ſogleich Eis? es wäre
doch einfacher, bequemer, conſequenter geweſen. Was
hat dies arme Salzwaſſer verſchuldet, daß es die
ſchmerzliche Metamorphoſe erduldete? Muß es, wie
ein neugeboren Kind, die Sünden ſeiner Erzeuger
büßen? Und warum büßen in alle Ewigkeit, denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="174"/>
lichkeit, den Schalk in mir zu wittern, von dem es<lb/>
dort heißt, daß unter allen Gei&#x017F;tern, die verneinen,<lb/>
er dem Herrn der Schöpfung am wenig&#x017F;ten verhaßt<lb/>
&#x017F;ei. Doch das laß ich auf &#x017F;ich beruhen, es i&#x017F;t Ge¬<lb/>
&#x017F;chmacks&#x017F;ache, wie Alles in der Welt, Antipathieen<lb/>
und Sympathieen. Was &#x017F;ich anzieht, was &#x017F;ich ab¬<lb/>
&#x017F;tößt, es i&#x017F;t Alles ein Spiel der Laune, die wir nicht<lb/>
ergründen, der Kern des Kernes, die Ur&#x017F;ach der<lb/>
Ur&#x017F;ach, nach der die &#x017F;chöne Königin Charlotte &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
einen Leibnitz um&#x017F;on&#x017F;t fragte und quälte. Nein, da¬<lb/>
nach mü&#x017F;&#x017F;en wir nicht &#x017F;uchen, nicht grübeln, um<lb/>
Gotteswillen; wir Alle &#x017F;ind ja nach Ihrem Glau¬<lb/>
ben &#x2014; Erwählte oder Ver&#x017F;toßene, denen die Gnade<lb/>
leuchtet, oder es blieb in ihnen fin&#x017F;ter. Haben Sie<lb/>
doch Erbarmen mit &#x017F;olchem Fin&#x017F;tergebliebenen, er<lb/>
kann ja nicht für &#x017F;eine Maulwurfsaugen, noch daß<lb/>
&#x017F;ein Blut &#x017F;o kalt blieb als das arcti&#x017F;che Meer.<lb/>
Wenn Sie da weiter fragen wollten, hohe Frau,<lb/>
auf welche Fragen &#x017F;tießen Sie, Räth&#x017F;el, die &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Ihr Glaube, der Berge ver&#x017F;etzt, nicht lö&#x017F;t. Zum<lb/>
Exempel, warum gab der Panurg &#x017F;ich die Mühe,<lb/>
Meer da oben am Nordpol zu &#x017F;chaffen, wenn es<lb/>
&#x017F;ofort zu Eis er&#x017F;tarrte? Wir Skeptiker würden fra¬<lb/>
gen, warum &#x017F;chuf er nicht &#x017F;ogleich Eis? es wäre<lb/>
doch einfacher, bequemer, con&#x017F;equenter gewe&#x017F;en. Was<lb/>
hat dies arme Salzwa&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;chuldet, daß es die<lb/>
&#x017F;chmerzliche Metamorpho&#x017F;e erduldete? Muß es, wie<lb/>
ein neugeboren Kind, die Sünden &#x017F;einer Erzeuger<lb/>
büßen? Und warum büßen in alle Ewigkeit, denn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0184] lichkeit, den Schalk in mir zu wittern, von dem es dort heißt, daß unter allen Geiſtern, die verneinen, er dem Herrn der Schöpfung am wenigſten verhaßt ſei. Doch das laß ich auf ſich beruhen, es iſt Ge¬ ſchmacksſache, wie Alles in der Welt, Antipathieen und Sympathieen. Was ſich anzieht, was ſich ab¬ ſtößt, es iſt Alles ein Spiel der Laune, die wir nicht ergründen, der Kern des Kernes, die Urſach der Urſach, nach der die ſchöne Königin Charlotte ſelbſt einen Leibnitz umſonſt fragte und quälte. Nein, da¬ nach müſſen wir nicht ſuchen, nicht grübeln, um Gotteswillen; wir Alle ſind ja nach Ihrem Glau¬ ben — Erwählte oder Verſtoßene, denen die Gnade leuchtet, oder es blieb in ihnen finſter. Haben Sie doch Erbarmen mit ſolchem Finſtergebliebenen, er kann ja nicht für ſeine Maulwurfsaugen, noch daß ſein Blut ſo kalt blieb als das arctiſche Meer. Wenn Sie da weiter fragen wollten, hohe Frau, auf welche Fragen ſtießen Sie, Räthſel, die ſelbſt Ihr Glaube, der Berge verſetzt, nicht löſt. Zum Exempel, warum gab der Panurg ſich die Mühe, Meer da oben am Nordpol zu ſchaffen, wenn es ſofort zu Eis erſtarrte? Wir Skeptiker würden fra¬ gen, warum ſchuf er nicht ſogleich Eis? es wäre doch einfacher, bequemer, conſequenter geweſen. Was hat dies arme Salzwaſſer verſchuldet, daß es die ſchmerzliche Metamorphoſe erduldete? Muß es, wie ein neugeboren Kind, die Sünden ſeiner Erzeuger büßen? Und warum büßen in alle Ewigkeit, denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/184
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/184>, abgerufen am 14.05.2024.