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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852.

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daß die Demoiselle ferner, in welcher Stellung es
sei, in Dero Nähe verweilt. Ja, wenn sie nur ge¬
traut wären --"

In dem nächsten Augenblick geschah vieles.
Der alte Geistliche hatte sich über den Sterbenden
gebeugt: "Er athmet noch." -- Das Mädchen zu
seinen Füßen rief wie in wahnsinniger Freude: "Louis
schlägt die Augen auf." Der Sonnenschein hatte eine
rothe Scheibe getroffen, und ein rosiger Schein brei¬
tete sich über die eng zusammengedrängte Gruppe
aus. Der Todte lebte noch, er schien zu lächeln, er
erkannte die Gegenstände. Die Königin aber hatte
im nächsten Augenblicke mit dem Prediger heimlich ge¬
sprochen: "Ich übernehme alle Verantwortung."

Der Geistliche erwiderte: "Auf die wage ich es
selbst vor dem höchsten Richter, wo ich bald mit ihm
erscheine. Aber hat er die Besinnung -- und die
junge Dame?"

"Sie wird ihr Ja deutlich sprechen," hatte die
Königin geantwortet und flüsterte Adelheid etwas
in's Ohr: "Bleib knieen, mein Kind!"

Da wollte es der Zufall, während der Pfarrer
in Kürze die liturgischen Formeln der Trauung sprach,
daß ein Knabe des Küsters auf der Orgel intonirte.
Der Sterbende wollte den Kopf aufrichten, das ge¬
lang ihm nicht, aber von seinen Lippen kam es: "Da
rufen sie uns!" Der Prediger sah froh der Königin
in's Gesicht, welche Adelheid schnell einen Ring an
den Finger gesteckt hatte. Das fremde Mädchen aber

daß die Demoiſelle ferner, in welcher Stellung es
ſei, in Dero Nähe verweilt. Ja, wenn ſie nur ge¬
traut wären —“

In dem nächſten Augenblick geſchah vieles.
Der alte Geiſtliche hatte ſich über den Sterbenden
gebeugt: „Er athmet noch.“ — Das Mädchen zu
ſeinen Füßen rief wie in wahnſinniger Freude: „Louis
ſchlägt die Augen auf.“ Der Sonnenſchein hatte eine
rothe Scheibe getroffen, und ein roſiger Schein brei¬
tete ſich über die eng zuſammengedrängte Gruppe
aus. Der Todte lebte noch, er ſchien zu lächeln, er
erkannte die Gegenſtände. Die Königin aber hatte
im nächſten Augenblicke mit dem Prediger heimlich ge¬
ſprochen: „Ich übernehme alle Verantwortung.“

Der Geiſtliche erwiderte: „Auf die wage ich es
ſelbſt vor dem höchſten Richter, wo ich bald mit ihm
erſcheine. Aber hat er die Beſinnung — und die
junge Dame?“

„Sie wird ihr Ja deutlich ſprechen,“ hatte die
Königin geantwortet und flüſterte Adelheid etwas
in's Ohr: „Bleib knieen, mein Kind!“

Da wollte es der Zufall, während der Pfarrer
in Kürze die liturgiſchen Formeln der Trauung ſprach,
daß ein Knabe des Küſters auf der Orgel intonirte.
Der Sterbende wollte den Kopf aufrichten, das ge¬
lang ihm nicht, aber von ſeinen Lippen kam es: „Da
rufen ſie uns!“ Der Prediger ſah froh der Königin
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[309/0319] daß die Demoiſelle ferner, in welcher Stellung es ſei, in Dero Nähe verweilt. Ja, wenn ſie nur ge¬ traut wären —“ In dem nächſten Augenblick geſchah vieles. Der alte Geiſtliche hatte ſich über den Sterbenden gebeugt: „Er athmet noch.“ — Das Mädchen zu ſeinen Füßen rief wie in wahnſinniger Freude: „Louis ſchlägt die Augen auf.“ Der Sonnenſchein hatte eine rothe Scheibe getroffen, und ein roſiger Schein brei¬ tete ſich über die eng zuſammengedrängte Gruppe aus. Der Todte lebte noch, er ſchien zu lächeln, er erkannte die Gegenſtände. Die Königin aber hatte im nächſten Augenblicke mit dem Prediger heimlich ge¬ ſprochen: „Ich übernehme alle Verantwortung.“ Der Geiſtliche erwiderte: „Auf die wage ich es ſelbſt vor dem höchſten Richter, wo ich bald mit ihm erſcheine. Aber hat er die Beſinnung — und die junge Dame?“ „Sie wird ihr Ja deutlich ſprechen,“ hatte die Königin geantwortet und flüſterte Adelheid etwas in's Ohr: „Bleib knieen, mein Kind!“ Da wollte es der Zufall, während der Pfarrer in Kürze die liturgiſchen Formeln der Trauung ſprach, daß ein Knabe des Küſters auf der Orgel intonirte. Der Sterbende wollte den Kopf aufrichten, das ge¬ lang ihm nicht, aber von ſeinen Lippen kam es: „Da rufen ſie uns!“ Der Prediger ſah froh der Königin in's Geſicht, welche Adelheid ſchnell einen Ring an den Finger geſteckt hatte. Das fremde Mädchen aber

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 5. Berlin, 1852, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe05_1852/319>, abgerufen am 29.04.2024.