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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gelten; aber leihe dein Ohr, wo es gewünscht wird, auch dem leichtfertigen Spaße, und ein Lächeln um deinen Mund muß mehr andeuten, als deine Zunge jemals aussprechen darf. Unsern jungen Kavalieren, die ihr Glück im Auslande versuchen, empfehle ich Takt, Feinheit und Mäßigung; durch diese müssen wir überall uns auszeichnen. Aber um deßhalb sollen sie doch in Petersburg zeigen, daß sie Wein und Branntwein zu trinken verstehen, und in Potsdam Taback und Bier vertragen. So gieb du als Hofdame dein eigenes Urtheil gefangen, und zeige doch, daß du eines hast; rechne im Stillen ab mit deiner Sitte, und nimm öffentlich die an, welche deine Herzogin dir gern anpassen möchte. Sie ist schwach, gutmüthig und bequem. Durch die größte Folgsamkeit kannst du einen Charakter der Art dir unterthänig machen, sobald du es nur verstehst, indem du regierst, den Schein des Gehorchens zu bewahren. Auf die Weise stieg das Mädchen von Marienburg bis zu des Czaren Gattin, und ist nun Selbstherrscherin und Kaiserin. Niemand weiß jetzt, welcher Ehrenplatz für ihn offen steht; darum sollte jeder mit der Vorsicht handeln, daß, wenn ihn das Glück erhebt, keine Rückerinnerung ihm schaden kann.

Benigna entgegnete: Wir haben an unserm Hofe schon eine Czarentochter zu viel und keinen Czaren dafür.

Um die junge Fürstin wird sehr bald eine Freierschaar sich sammeln, sagte der Alte. Wenn Einer,

gelten; aber leihe dein Ohr, wo es gewünscht wird, auch dem leichtfertigen Spaße, und ein Lächeln um deinen Mund muß mehr andeuten, als deine Zunge jemals aussprechen darf. Unsern jungen Kavalieren, die ihr Glück im Auslande versuchen, empfehle ich Takt, Feinheit und Mäßigung; durch diese müssen wir überall uns auszeichnen. Aber um deßhalb sollen sie doch in Petersburg zeigen, daß sie Wein und Branntwein zu trinken verstehen, und in Potsdam Taback und Bier vertragen. So gieb du als Hofdame dein eigenes Urtheil gefangen, und zeige doch, daß du eines hast; rechne im Stillen ab mit deiner Sitte, und nimm öffentlich die an, welche deine Herzogin dir gern anpassen möchte. Sie ist schwach, gutmüthig und bequem. Durch die größte Folgsamkeit kannst du einen Charakter der Art dir unterthänig machen, sobald du es nur verstehst, indem du regierst, den Schein des Gehorchens zu bewahren. Auf die Weise stieg das Mädchen von Marienburg bis zu des Czaren Gattin, und ist nun Selbstherrscherin und Kaiserin. Niemand weiß jetzt, welcher Ehrenplatz für ihn offen steht; darum sollte jeder mit der Vorsicht handeln, daß, wenn ihn das Glück erhebt, keine Rückerinnerung ihm schaden kann.

Benigna entgegnete: Wir haben an unserm Hofe schon eine Czarentochter zu viel und keinen Czaren dafür.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/60>, abgerufen am 28.04.2024.