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Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die Sprüche ihm nicht mit, sondern hörte so gelassen, schweigend und lächelnd, wie dem Vater, dem Bräutigam zu, der ihr bewies, wie Gerechtigkeit, Treue und Vertrauen immer mehr aus dieser Welt der Arglist verschwänden und der schwarze Egoismus zu einem Ungeheuer anwachse, derweil er seine lachende Faschingsmaske immer bunter ausschmücke. Er bewies es durch tausend Exempel aus der alten Geschichte bis herunter zu der seines eigenen Kutschers, der ihn in der lithauischen Heide verlassen. Aber der Mensch, auf den er bis da Häuser gebaut, sei nicht schlimmer, als alle vom Weibe Gebornen; sie folgten alle nur dem innern dunkeln Drange, der auf die Vernichtung alles Großen, Edlen, Zusammenhängenden hinsteuere. Wer noch in sich den Organismus der edlen Naturkräfte erhalten wolle, habe nichts schleuniger zu thun, als sich von der Masse zu isoliren, und, seinen Ameisenbau betreibend, zu schaufeln und bauen, bis das letzte Haus fertig, auf das der Mensch ein Recht hat.

Benigna fühlte für Sacken die Zuneigung, deren ihre ruhige Seele fähig war. Sie glaubte, er deute auf eine nahe Verbindung, und äußerte einstimmend: Wenn dann nur zwei Seelen sich verstehen, so mag diese Zurückgezogenheit ihnen so reich dünken, daß sie die Welt dafür aufgeben.

In der ganzen Welt durchdringen sich nicht zwei Seelen, erwiderte er rauh. Sie belügen sich, wenn sie versichern, sich zu verstehen, und wenn sie sich für ein-

die Sprüche ihm nicht mit, sondern hörte so gelassen, schweigend und lächelnd, wie dem Vater, dem Bräutigam zu, der ihr bewies, wie Gerechtigkeit, Treue und Vertrauen immer mehr aus dieser Welt der Arglist verschwänden und der schwarze Egoismus zu einem Ungeheuer anwachse, derweil er seine lachende Faschingsmaske immer bunter ausschmücke. Er bewies es durch tausend Exempel aus der alten Geschichte bis herunter zu der seines eigenen Kutschers, der ihn in der lithauischen Heide verlassen. Aber der Mensch, auf den er bis da Häuser gebaut, sei nicht schlimmer, als alle vom Weibe Gebornen; sie folgten alle nur dem innern dunkeln Drange, der auf die Vernichtung alles Großen, Edlen, Zusammenhängenden hinsteuere. Wer noch in sich den Organismus der edlen Naturkräfte erhalten wolle, habe nichts schleuniger zu thun, als sich von der Masse zu isoliren, und, seinen Ameisenbau betreibend, zu schaufeln und bauen, bis das letzte Haus fertig, auf das der Mensch ein Recht hat.

Benigna fühlte für Sacken die Zuneigung, deren ihre ruhige Seele fähig war. Sie glaubte, er deute auf eine nahe Verbindung, und äußerte einstimmend: Wenn dann nur zwei Seelen sich verstehen, so mag diese Zurückgezogenheit ihnen so reich dünken, daß sie die Welt dafür aufgeben.

In der ganzen Welt durchdringen sich nicht zwei Seelen, erwiderte er rauh. Sie belügen sich, wenn sie versichern, sich zu verstehen, und wenn sie sich für ein-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T12:11:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T12:11:53Z)

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Herr von Sacken. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–202. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_sacken_1910/62>, abgerufen am 29.04.2024.