Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898."Ach Unsinn, Fenia, -- ich --" Sie antwortete nicht, sondern stand nur regungslos Wohl schaute sie ihn noch an, aber sichtlich ohne Ihre Augen öffneten sich weit, eine Art von Ent¬ Und langsam ergoß sich über ihre Wangen, ihre "Fenia! Fenitschka!" rief er bestürzt, und griff un¬ Der Eindruck war ein ganz seltsamer. Obgleich sie Still, ganz totenstill lag die breite Nebenstraße, wo „Ach Unſinn, Fenia, — ich —“ Sie antwortete nicht, ſondern ſtand nur regungslos Wohl ſchaute ſie ihn noch an, aber ſichtlich ohne Ihre Augen öffneten ſich weit, eine Art von Ent¬ Und langſam ergoß ſich über ihre Wangen, ihre „Fenia! Fenitſchka!“ rief er beſtürzt, und griff un¬ Der Eindruck war ein ganz ſeltſamer. Obgleich ſie Still, ganz totenſtill lag die breite Nebenſtraße, wo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0087" n="83"/> <fw type="pageNum" place="top">— 83 —<lb/></fw> <p>„Ach Unſinn, Fenia, — ich —“</p><lb/> <p>Sie antwortete nicht, ſondern ſtand nur regungslos<lb/> da, und in ihren Mienen prägte ſich etwas ganz Er¬<lb/> greifendes aus, das ihn verſtummen machte.</p><lb/> <p>Wohl ſchaute ſie ihn noch an, aber ſichtlich ohne<lb/> ſich deſſen bewußt zu werden, wohin ſie gerade ſchaute;<lb/> ihre ganze Seele war nach innen gekehrt, — hielt gleich¬<lb/> ſam den Atem an.</p><lb/> <p>Ihre Augen öffneten ſich weit, eine Art von Ent¬<lb/> ſetzen flog durch ſie hindurch, es war, als ſchlüge eine<lb/> plötzliche Erkenntnis, einem Blitze gleich, ihr mitten durch<lb/> die Seele.</p><lb/> <p>Und langſam ergoß ſich über ihre Wangen, ihre<lb/> kleinen Ohren, über den Hals, ſoweit das Pelzwerk da¬<lb/> von einen Fleck ſehen ließ, — eine warme tiefe Röte,<lb/> — immer flammendere Röte. Und ehe Max Wer¬<lb/> ner ſich's verſah, wandte ſie ſich von der Hausmauer<lb/> fort, an der ſie lehnte, und enteilte ihm plötzlich mit<lb/> ſchnellen Schritten.</p><lb/> <p>„Fenia! Fenitſchka!“ rief er beſtürzt, und griff un¬<lb/> willkürlich nach ihr. Aber er griff ins Leere. In we¬<lb/> nigen Sekunden ſchon war ſie um die Ecke gebogen, und<lb/> entſchwand ihm unter den Menſchen, die auf der Haupt¬<lb/> ſtraße vorüberſtrömten.</p><lb/> <p>Der Eindruck war ein ganz ſeltſamer. Obgleich ſie<lb/> mit geſenkten Stimmen zu einander geredet, — und<lb/> mehr noch geſchwiegen, als geredet hatten, war ihm mit<lb/> ihrem Verſchwinden doch, als ſei mit einemmal eine laute,<lb/> gewaltige Unterhaltung verſtummt.</p><lb/> <p>Still, ganz totenſtill lag die breite Nebenſtraße, wo<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0087]
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„Ach Unſinn, Fenia, — ich —“
Sie antwortete nicht, ſondern ſtand nur regungslos
da, und in ihren Mienen prägte ſich etwas ganz Er¬
greifendes aus, das ihn verſtummen machte.
Wohl ſchaute ſie ihn noch an, aber ſichtlich ohne
ſich deſſen bewußt zu werden, wohin ſie gerade ſchaute;
ihre ganze Seele war nach innen gekehrt, — hielt gleich¬
ſam den Atem an.
Ihre Augen öffneten ſich weit, eine Art von Ent¬
ſetzen flog durch ſie hindurch, es war, als ſchlüge eine
plötzliche Erkenntnis, einem Blitze gleich, ihr mitten durch
die Seele.
Und langſam ergoß ſich über ihre Wangen, ihre
kleinen Ohren, über den Hals, ſoweit das Pelzwerk da¬
von einen Fleck ſehen ließ, — eine warme tiefe Röte,
— immer flammendere Röte. Und ehe Max Wer¬
ner ſich's verſah, wandte ſie ſich von der Hausmauer
fort, an der ſie lehnte, und enteilte ihm plötzlich mit
ſchnellen Schritten.
„Fenia! Fenitſchka!“ rief er beſtürzt, und griff un¬
willkürlich nach ihr. Aber er griff ins Leere. In we¬
nigen Sekunden ſchon war ſie um die Ecke gebogen, und
entſchwand ihm unter den Menſchen, die auf der Haupt¬
ſtraße vorüberſtrömten.
Der Eindruck war ein ganz ſeltſamer. Obgleich ſie
mit geſenkten Stimmen zu einander geredet, — und
mehr noch geſchwiegen, als geredet hatten, war ihm mit
ihrem Verſchwinden doch, als ſei mit einemmal eine laute,
gewaltige Unterhaltung verſtummt.
Still, ganz totenſtill lag die breite Nebenſtraße, wo
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Zitationshilfe: | Andreas-Salome, Lou: Fenitschka. Eine Ausschweifung. Stuttgart, 1898, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/andreas_fenitschka_1898/87>, abgerufen am 16.06.2024. |