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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Im Animalischen ist auf natürliche Weise dasselbe durch
Fleisch und Fett gegeben. Wie pittoresk, gleich Rosen und
Lilien, ist z. B. im purpurrosigen Schinken das schnee- oder
blühweiße Fett! -- Man vergleicht dieses immer mit Mandel-
kern, als ob man nicht diesen mit jenem noch besser vergleichen
könnte. Die Kunst bildet sinnig diese Naturprototypen nach,
man spickt Rebhühner, Haasen, Lebern etc., und der Italiäner
setzt fetten Fischen etc. sehr zweckmäßig pikantere Sardellen zu.

So giebt man denn auch, wie schon die Salernitanische
Schule postulirt, Aepfel und Nüsse, Trauben und Mandeln
zum Dessert. Und dazu und dafür paßt es auch sehr wohl.
So sind Erdbeeren mit Zucker und Wein, wenn man sie nicht
lieber rein für sich ißt, allerliebst, dulden aber in sich selber
schon auch den zarten animalischen Gegensatz von Milch. So
vertragen Aepfel Parmesankäse; -- frische Feigen Schinken etc.
Doch wird das Obst am besten nicht mit, sondern nach Ani-
malischem genossen.

Der Hauptgegensatz wird immer durch Animalisches und
Vegetabilisches repräsentirt. Die Gegensätze je im Vegetabili-
schen und Animalischen selbst sind immer Nebensachen, die den
Hauptgegensatz keineswegs entbehrlich machen, vielmehr auf das
Glänzendste bestätigen und als Einleitendes, Begleitendes und
Nachfolgendes, als untergeordnete kleinere Gegensätze Höherer,
Bedeutenderer, aber als nicht mehr, volle Geltung behalten mögen.

Nach allem Gesagten und dem dadurch gewonnenen posi-
tiven Prinzip und objektiven Inhalt, erweitert sich die schon
gegebene Eßdefinition, als Maxime ausgedrückt, also: Lasse
gute und angemessene Produkte der Natur und Kunst in gehö-
riger Menge und Verbindung, d. h. je nach den Gegensätzen des
Vegetabilischen und Animalischen, mit Heiterkeit, Ruhe, Sinn
und Bewußtsein, auf subjektiv und objektiv angenehme und
geschmackvolle Weise, Dir schmecken.




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Im Animaliſchen iſt auf natuͤrliche Weiſe daſſelbe durch
Fleiſch und Fett gegeben. Wie pittoresk, gleich Roſen und
Lilien, iſt z. B. im purpurroſigen Schinken das ſchnee- oder
bluͤhweiße Fett! — Man vergleicht dieſes immer mit Mandel-
kern, als ob man nicht dieſen mit jenem noch beſſer vergleichen
koͤnnte. Die Kunſt bildet ſinnig dieſe Naturprototypen nach,
man ſpickt Rebhuͤhner, Haaſen, Lebern ꝛc., und der Italiaͤner
ſetzt fetten Fiſchen ꝛc. ſehr zweckmaͤßig pikantere Sardellen zu.

So giebt man denn auch, wie ſchon die Salernitaniſche
Schule poſtulirt, Aepfel und Nuͤſſe, Trauben und Mandeln
zum Deſſert. Und dazu und dafuͤr paßt es auch ſehr wohl.
So ſind Erdbeeren mit Zucker und Wein, wenn man ſie nicht
lieber rein fuͤr ſich ißt, allerliebſt, dulden aber in ſich ſelber
ſchon auch den zarten animaliſchen Gegenſatz von Milch. So
vertragen Aepfel Parmeſankaͤſe; — friſche Feigen Schinken ꝛc.
Doch wird das Obſt am beſten nicht mit, ſondern nach Ani-
maliſchem genoſſen.

Der Hauptgegenſatz wird immer durch Animaliſches und
Vegetabiliſches repraͤſentirt. Die Gegenſaͤtze je im Vegetabili-
ſchen und Animaliſchen ſelbſt ſind immer Nebenſachen, die den
Hauptgegenſatz keineswegs entbehrlich machen, vielmehr auf das
Glaͤnzendſte beſtaͤtigen und als Einleitendes, Begleitendes und
Nachfolgendes, als untergeordnete kleinere Gegenſaͤtze Hoͤherer,
Bedeutenderer, aber als nicht mehr, volle Geltung behalten moͤgen.

Nach allem Geſagten und dem dadurch gewonnenen poſi-
tiven Prinzip und objektiven Inhalt, erweitert ſich die ſchon
gegebene Eßdefinition, als Maxime ausgedruͤckt, alſo: Laſſe
gute und angemeſſene Produkte der Natur und Kunſt in gehoͤ-
riger Menge und Verbindung, d. h. je nach den Gegenſaͤtzen des
Vegetabiliſchen und Animaliſchen, mit Heiterkeit, Ruhe, Sinn
und Bewußtſein, auf ſubjektiv und objektiv angenehme und
geſchmackvolle Weiſe, Dir ſchmecken.




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[163/0177] Im Animaliſchen iſt auf natuͤrliche Weiſe daſſelbe durch Fleiſch und Fett gegeben. Wie pittoresk, gleich Roſen und Lilien, iſt z. B. im purpurroſigen Schinken das ſchnee- oder bluͤhweiße Fett! — Man vergleicht dieſes immer mit Mandel- kern, als ob man nicht dieſen mit jenem noch beſſer vergleichen koͤnnte. Die Kunſt bildet ſinnig dieſe Naturprototypen nach, man ſpickt Rebhuͤhner, Haaſen, Lebern ꝛc., und der Italiaͤner ſetzt fetten Fiſchen ꝛc. ſehr zweckmaͤßig pikantere Sardellen zu. So giebt man denn auch, wie ſchon die Salernitaniſche Schule poſtulirt, Aepfel und Nuͤſſe, Trauben und Mandeln zum Deſſert. Und dazu und dafuͤr paßt es auch ſehr wohl. So ſind Erdbeeren mit Zucker und Wein, wenn man ſie nicht lieber rein fuͤr ſich ißt, allerliebſt, dulden aber in ſich ſelber ſchon auch den zarten animaliſchen Gegenſatz von Milch. So vertragen Aepfel Parmeſankaͤſe; — friſche Feigen Schinken ꝛc. Doch wird das Obſt am beſten nicht mit, ſondern nach Ani- maliſchem genoſſen. Der Hauptgegenſatz wird immer durch Animaliſches und Vegetabiliſches repraͤſentirt. Die Gegenſaͤtze je im Vegetabili- ſchen und Animaliſchen ſelbſt ſind immer Nebenſachen, die den Hauptgegenſatz keineswegs entbehrlich machen, vielmehr auf das Glaͤnzendſte beſtaͤtigen und als Einleitendes, Begleitendes und Nachfolgendes, als untergeordnete kleinere Gegenſaͤtze Hoͤherer, Bedeutenderer, aber als nicht mehr, volle Geltung behalten moͤgen. Nach allem Geſagten und dem dadurch gewonnenen poſi- tiven Prinzip und objektiven Inhalt, erweitert ſich die ſchon gegebene Eßdefinition, als Maxime ausgedruͤckt, alſo: Laſſe gute und angemeſſene Produkte der Natur und Kunſt in gehoͤ- riger Menge und Verbindung, d. h. je nach den Gegenſaͤtzen des Vegetabiliſchen und Animaliſchen, mit Heiterkeit, Ruhe, Sinn und Bewußtſein, auf ſubjektiv und objektiv angenehme und geſchmackvolle Weiſe, Dir ſchmecken. 11*

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/177>, abgerufen am 29.04.2024.