Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.zwei, namentlich Angestellte und solche, die es werden, oder Es giebt ferner ganze Nationen wie einzelne Menschen, zwei, namentlich Angeſtellte und ſolche, die es werden, oder Es giebt ferner ganze Nationen wie einzelne Menſchen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276" n="262"/> zwei, namentlich Angeſtellte und ſolche, die es werden, oder<lb/> bleiben, oder ſteigen wollten, zuſammen, ſo berochen ſie ſich<lb/> gegenſeitig von allen Seiten, um von etwa wahrgenommenen<lb/> Liberalitaͤten und Gallizismen gehoͤrigen Ortes moͤglichen Nutzen<lb/> zu ziehen. Da nun auf dieſem Talisman-Motto ausdruͤcklich<lb/> bemerkt war, daß boͤſe Menſchen keine Lieder ſingen, ſo lag es<lb/> nahe, daß man, um zu zeigen, man ſei eine gute Haut, nichts<lb/> Beſſeres thun koͤnnte, als Lieder ſingen. Lief auch manch-<lb/> mal ein mit zitternder Stimme geſungenes Freiheits- oder Poh-<lb/> lenlied mit unter, ſo konnte wieder die Aegide des Motto vor-<lb/> gehalten werden und decken. Man vergaß aber, daß eine Po-<lb/> lizei nicht geruͤhrt werden darf und ſehr wohl weiß, daß <hi rendition="#g">Don<lb/> Juan</hi>, und <hi rendition="#g">Caspar</hi> im Freiſchuͤtz, die Beide der Teufel holt,<lb/> auch Lieder ſingen, und <hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi> ſogar ein morali-<lb/> ſches Lied intonirt.</p><lb/> <p>Es giebt ferner ganze Nationen wie einzelne Menſchen,<lb/> welche bei Tiſch Geſundheiten trinken zu muͤſſen glauben. Be-<lb/> kanntlich lebt das freie England in dieſer Beziehung unter einem<lb/> ſehr unbequemen Zwang. Die alten Roͤmer hatten bei Tiſche<lb/> einen eigenen <hi rendition="#aq">Magister bibendi,</hi> dem es oblag, die Geſundhei-<lb/> ten auszubringen. Es war einigermaßen <hi rendition="#aq">gê</hi>nant, wenn der<lb/> Name des Gaſtes, deſſen Geſundheit man zu trinken hatte,<lb/> etwas lang war, da es die Sitte mit ſich brachte, ſo viel Be-<lb/> cher zu leeren, als jener Name Buchſtaben enthielt. Auch in<lb/> Deutſchland herrſchte fruͤher ein ſehr anſtrengendes Geſundheit-<lb/> trinken, welches gegenwaͤrtig, mit Ausnahme einzelner Toaſts,<lb/> gluͤcklicherweiſe ſo ziemlich außer Gebrauch gekommen, vielleicht<lb/> aber, in Folge der ſchon beſprochenen weltgeſchichtlichen retro-<lb/> graden Schwankungen, bald wieder aufkommt. So glaube ich<lb/> denn nur bemerken zu muͤſſen, daß ein Toaſt von Ellenlaͤnge<lb/> nicht ganz ſo kurz zu ſein ſcheint, als er vielleicht ſein koͤnnte,<lb/> wenn er weniger lang waͤre, und daß es anſtaͤndig iſt, bei<lb/> hohen Toaſt’s moͤglichſt laut: „hoch!“ zu ſchreien. Es ſoll<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [262/0276]
zwei, namentlich Angeſtellte und ſolche, die es werden, oder
bleiben, oder ſteigen wollten, zuſammen, ſo berochen ſie ſich
gegenſeitig von allen Seiten, um von etwa wahrgenommenen
Liberalitaͤten und Gallizismen gehoͤrigen Ortes moͤglichen Nutzen
zu ziehen. Da nun auf dieſem Talisman-Motto ausdruͤcklich
bemerkt war, daß boͤſe Menſchen keine Lieder ſingen, ſo lag es
nahe, daß man, um zu zeigen, man ſei eine gute Haut, nichts
Beſſeres thun koͤnnte, als Lieder ſingen. Lief auch manch-
mal ein mit zitternder Stimme geſungenes Freiheits- oder Poh-
lenlied mit unter, ſo konnte wieder die Aegide des Motto vor-
gehalten werden und decken. Man vergaß aber, daß eine Po-
lizei nicht geruͤhrt werden darf und ſehr wohl weiß, daß Don
Juan, und Caspar im Freiſchuͤtz, die Beide der Teufel holt,
auch Lieder ſingen, und Mephiſtopheles ſogar ein morali-
ſches Lied intonirt.
Es giebt ferner ganze Nationen wie einzelne Menſchen,
welche bei Tiſch Geſundheiten trinken zu muͤſſen glauben. Be-
kanntlich lebt das freie England in dieſer Beziehung unter einem
ſehr unbequemen Zwang. Die alten Roͤmer hatten bei Tiſche
einen eigenen Magister bibendi, dem es oblag, die Geſundhei-
ten auszubringen. Es war einigermaßen gênant, wenn der
Name des Gaſtes, deſſen Geſundheit man zu trinken hatte,
etwas lang war, da es die Sitte mit ſich brachte, ſo viel Be-
cher zu leeren, als jener Name Buchſtaben enthielt. Auch in
Deutſchland herrſchte fruͤher ein ſehr anſtrengendes Geſundheit-
trinken, welches gegenwaͤrtig, mit Ausnahme einzelner Toaſts,
gluͤcklicherweiſe ſo ziemlich außer Gebrauch gekommen, vielleicht
aber, in Folge der ſchon beſprochenen weltgeſchichtlichen retro-
graden Schwankungen, bald wieder aufkommt. So glaube ich
denn nur bemerken zu muͤſſen, daß ein Toaſt von Ellenlaͤnge
nicht ganz ſo kurz zu ſein ſcheint, als er vielleicht ſein koͤnnte,
wenn er weniger lang waͤre, und daß es anſtaͤndig iſt, bei
hohen Toaſt’s moͤglichſt laut: „hoch!“ zu ſchreien. Es ſoll
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