Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Arno Holz.
Da schien mir alles verweht und vergangen,
Was ich betrauerte winterlang;
Und alle Saiten des Herzens klangen
Zusammen im Auferstehungsgesang.
O, solche Seelenklänge dringen
Weit höher noch in die Himmel empor,
Als je auf seinen Flatterschwingen
Ein Vogel sich in der Luft verlor!
Ja, Fest der Ostern, nun warst du gezogen
Auch endlich in diese verödete Brust;
Und dies Herz, das so oft schon das Leben betrogen,
Erzitterte wieder von süßer Lust
Und schlägt nun der hohen Feier entgegen,
Die über die Erde zu gießen verheißt
Den herlichsten aller himmlischen Segen,
Den welterlösenden, heiligen Geist.
Der heilige Geist ist die ewige Liebe,
Die Gott in die Herzen der Menschen gesenkt,
Und die mit jedem Ostertriebe
Von neuem sich zum Lichte drängt.
Sie schwebt herab vom Himmelssaale
Zu Jedem, der an sie noch glaubt --
O neige, neige die goldene Schaale
Auch hier auf dieses Beterhaupt!


Frühling.
(Frühling 1884.)

Originalbeitrag.

I.
Wohl haben sie dich alle schon besungen
Und singen dich noch immer an, o Lenz,
Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,
Meld ich mich auch zur großen Concurrenz.
Doch fürcht ich fast, ich bin dir zu prosaisch,
Aus meinen Versen sprüht kein Fünkchen Geist;
Und denk ich gar an deinen Dichter Kleist,
Klingt meine Sprache mir fast wie Havaisch.

Arno Holz.
Da ſchien mir alles verweht und vergangen,
Was ich betrauerte winterlang;
Und alle Saiten des Herzens klangen
Zuſammen im Auferſtehungsgeſang.
O, ſolche Seelenklänge dringen
Weit höher noch in die Himmel empor,
Als je auf ſeinen Flatterſchwingen
Ein Vogel ſich in der Luft verlor!
Ja, Feſt der Oſtern, nun warſt du gezogen
Auch endlich in dieſe verödete Bruſt;
Und dies Herz, das ſo oft ſchon das Leben betrogen,
Erzitterte wieder von ſüßer Luſt
Und ſchlägt nun der hohen Feier entgegen,
Die über die Erde zu gießen verheißt
Den herlichſten aller himmliſchen Segen,
Den welterlöſenden, heiligen Geiſt.
Der heilige Geiſt iſt die ewige Liebe,
Die Gott in die Herzen der Menſchen geſenkt,
Und die mit jedem Oſtertriebe
Von neuem ſich zum Lichte drängt.
Sie ſchwebt herab vom Himmelsſaale
Zu Jedem, der an ſie noch glaubt —
O neige, neige die goldene Schaale
Auch hier auf dieſes Beterhaupt!


Frühling.
(Frühling 1884.)

Originalbeitrag.

I.
Wohl haben ſie dich alle ſchon beſungen
Und ſingen dich noch immer an, o Lenz,
Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,
Meld ich mich auch zur großen Concurrenz.
Doch fürcht ich faſt, ich bin dir zu proſaiſch,
Aus meinen Verſen ſprüht kein Fünkchen Geiſt;
Und denk ich gar an deinen Dichter Kleiſt,
Klingt meine Sprache mir faſt wie Havaiſch.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0155" n="137"/>
            <fw place="top" type="header">Arno Holz.</fw><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Da &#x017F;chien mir alles verweht und vergangen,</l><lb/>
              <l>Was ich betrauerte winterlang;</l><lb/>
              <l>Und alle Saiten des Herzens klangen</l><lb/>
              <l>Zu&#x017F;ammen im Aufer&#x017F;tehungsge&#x017F;ang.</l><lb/>
              <l>O, &#x017F;olche Seelenklänge dringen</l><lb/>
              <l>Weit höher noch in die Himmel empor,</l><lb/>
              <l>Als je auf &#x017F;einen Flatter&#x017F;chwingen</l><lb/>
              <l>Ein Vogel &#x017F;ich in der Luft verlor!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Ja, Fe&#x017F;t der O&#x017F;tern, nun war&#x017F;t du gezogen</l><lb/>
              <l>Auch endlich in die&#x017F;e verödete Bru&#x017F;t;</l><lb/>
              <l>Und dies Herz, das &#x017F;o oft &#x017F;chon das Leben betrogen,</l><lb/>
              <l>Erzitterte wieder von &#x017F;üßer Lu&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chlägt nun der hohen Feier entgegen,</l><lb/>
              <l>Die über die Erde zu gießen verheißt</l><lb/>
              <l>Den herlich&#x017F;ten aller himmli&#x017F;chen Segen,</l><lb/>
              <l>Den welterlö&#x017F;enden, heiligen Gei&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Der heilige Gei&#x017F;t i&#x017F;t die ewige Liebe,</l><lb/>
              <l>Die Gott in die Herzen der Men&#x017F;chen ge&#x017F;enkt,</l><lb/>
              <l>Und die mit jedem O&#x017F;tertriebe</l><lb/>
              <l>Von neuem &#x017F;ich zum Lichte drängt.</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;chwebt herab vom Himmels&#x017F;aale</l><lb/>
              <l>Zu Jedem, der an &#x017F;ie noch glaubt &#x2014;</l><lb/>
              <l>O neige, neige die goldene Schaale</l><lb/>
              <l>Auch hier auf die&#x017F;es Beterhaupt!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Frühling.</hi><lb/>
(<hi rendition="#g">Frühling</hi> 1884.)</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="1">
                <l>Wohl haben &#x017F;ie dich alle &#x017F;chon be&#x017F;ungen</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;ingen dich noch immer an, o Lenz,</l><lb/>
                <l>Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen,</l><lb/>
                <l>Meld ich mich auch zur großen Concurrenz.</l><lb/>
                <l>Doch fürcht ich fa&#x017F;t, ich bin dir zu pro&#x017F;ai&#x017F;ch,</l><lb/>
                <l>Aus meinen Ver&#x017F;en &#x017F;prüht kein Fünkchen Gei&#x017F;t;</l><lb/>
                <l>Und denk ich gar an deinen Dichter Klei&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Klingt meine Sprache mir fa&#x017F;t wie Havai&#x017F;ch.</l>
              </lg><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0155] Arno Holz. Da ſchien mir alles verweht und vergangen, Was ich betrauerte winterlang; Und alle Saiten des Herzens klangen Zuſammen im Auferſtehungsgeſang. O, ſolche Seelenklänge dringen Weit höher noch in die Himmel empor, Als je auf ſeinen Flatterſchwingen Ein Vogel ſich in der Luft verlor! Ja, Feſt der Oſtern, nun warſt du gezogen Auch endlich in dieſe verödete Bruſt; Und dies Herz, das ſo oft ſchon das Leben betrogen, Erzitterte wieder von ſüßer Luſt Und ſchlägt nun der hohen Feier entgegen, Die über die Erde zu gießen verheißt Den herlichſten aller himmliſchen Segen, Den welterlöſenden, heiligen Geiſt. Der heilige Geiſt iſt die ewige Liebe, Die Gott in die Herzen der Menſchen geſenkt, Und die mit jedem Oſtertriebe Von neuem ſich zum Lichte drängt. Sie ſchwebt herab vom Himmelsſaale Zu Jedem, der an ſie noch glaubt — O neige, neige die goldene Schaale Auch hier auf dieſes Beterhaupt! Frühling. (Frühling 1884.) Originalbeitrag. I. Wohl haben ſie dich alle ſchon beſungen Und ſingen dich noch immer an, o Lenz, Doch da dein Zauber nun auch mich bezwungen, Meld ich mich auch zur großen Concurrenz. Doch fürcht ich faſt, ich bin dir zu proſaiſch, Aus meinen Verſen ſprüht kein Fünkchen Geiſt; Und denk ich gar an deinen Dichter Kleiſt, Klingt meine Sprache mir faſt wie Havaiſch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/155
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/155>, abgerufen am 29.04.2024.