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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Wolfgang Kirchbach.
Sie zogen zusammen ins tiefe Thal,
Da blühten der Blumen so viele.
Dem Brüderlein ward das Suchen zur Qual,
Dem Schwesterlein ward es zum Spiele.
Die Blume brach das Mägdelein
Und jubelt und klatscht in die Hände.
Dem Bruder ward das Herz zu Stein,
Da hatte das Jauchzen ein Ende.
Aufs Haupt wohl stürzt ihr ein Schwertesschwung,
Da trug eine Krone die Gute,
Da lag eine Königin hold und jung
Im Purpurmantel von Blute.
Die Lippen der blutigen Blümelein
Den Purpur getrunken haben,
Die Sonne bleichte das weiße Gebein,
Doch Niemand hat es begraben.
Und Wind und Wetter und Sturmesbraus,
Die haben die Knöchlein verstreuet,
Im Köpfchen sogar, da haust eine Maus,
Ein Mäuschen, das Niemand scheuet.
"Wo ist dein Schwesterlein schön und hold?"
Mein Schwesterlein ist gestorben.
Mein ist die Krone von blut'gem Gold,
Den Purpur hab ich erworben!
"Wie starb dein Schwesterlein hold und traut?"
Ein Schlag hat sie gerühret!
Dem Teufel hat sie sich angetraut,
Der hat ihr die Blume erspüret.
Die Blume, die ward ihr Eigenthum --
Ich hab' eine andre gebrochen!
Mein ist des Thrones blut'ger Ruhm --
Was kamst du mit Zwei'n in die Wochen?!

17*
Wolfgang Kirchbach.
Sie zogen zuſammen ins tiefe Thal,
Da blühten der Blumen ſo viele.
Dem Brüderlein ward das Suchen zur Qual,
Dem Schweſterlein ward es zum Spiele.
Die Blume brach das Mägdelein
Und jubelt und klatſcht in die Hände.
Dem Bruder ward das Herz zu Stein,
Da hatte das Jauchzen ein Ende.
Aufs Haupt wohl ſtürzt ihr ein Schwertesſchwung,
Da trug eine Krone die Gute,
Da lag eine Königin hold und jung
Im Purpurmantel von Blute.
Die Lippen der blutigen Blümelein
Den Purpur getrunken haben,
Die Sonne bleichte das weiße Gebein,
Doch Niemand hat es begraben.
Und Wind und Wetter und Sturmesbraus,
Die haben die Knöchlein verſtreuet,
Im Köpfchen ſogar, da hauſt eine Maus,
Ein Mäuschen, das Niemand ſcheuet.
„Wo iſt dein Schweſterlein ſchön und hold?“
Mein Schweſterlein iſt geſtorben.
Mein iſt die Krone von blut’gem Gold,
Den Purpur hab ich erworben!
„Wie ſtarb dein Schweſterlein hold und traut?“
Ein Schlag hat ſie gerühret!
Dem Teufel hat ſie ſich angetraut,
Der hat ihr die Blume erſpüret.
Die Blume, die ward ihr Eigenthum —
Ich hab’ eine andre gebrochen!
Mein iſt des Thrones blut’ger Ruhm —
Was kamſt du mit Zwei’n in die Wochen?!

17*
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[259/0277] Wolfgang Kirchbach. Sie zogen zuſammen ins tiefe Thal, Da blühten der Blumen ſo viele. Dem Brüderlein ward das Suchen zur Qual, Dem Schweſterlein ward es zum Spiele. Die Blume brach das Mägdelein Und jubelt und klatſcht in die Hände. Dem Bruder ward das Herz zu Stein, Da hatte das Jauchzen ein Ende. Aufs Haupt wohl ſtürzt ihr ein Schwertesſchwung, Da trug eine Krone die Gute, Da lag eine Königin hold und jung Im Purpurmantel von Blute. Die Lippen der blutigen Blümelein Den Purpur getrunken haben, Die Sonne bleichte das weiße Gebein, Doch Niemand hat es begraben. Und Wind und Wetter und Sturmesbraus, Die haben die Knöchlein verſtreuet, Im Köpfchen ſogar, da hauſt eine Maus, Ein Mäuschen, das Niemand ſcheuet. „Wo iſt dein Schweſterlein ſchön und hold?“ Mein Schweſterlein iſt geſtorben. Mein iſt die Krone von blut’gem Gold, Den Purpur hab ich erworben! „Wie ſtarb dein Schweſterlein hold und traut?“ Ein Schlag hat ſie gerühret! Dem Teufel hat ſie ſich angetraut, Der hat ihr die Blume erſpüret. Die Blume, die ward ihr Eigenthum — Ich hab’ eine andre gebrochen! Mein iſt des Thrones blut’ger Ruhm — Was kamſt du mit Zwei’n in die Wochen?! 17*

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/277>, abgerufen am 27.04.2024.