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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Oskar Jerschke.

Seht ihr den Pfad, der durch den Wald sich windet,
Den wandert fort, bis ihr vom Zaun umhegt
Ein Christusbild an einem Hochweg findet,
Der euch vor Nacht noch in den Thalgrund trägt!"
So schied ich denn, ein Druck der lieben Hände,
Ein heller Blick, ein Gruß, ein letztes Wort. -- -- --
Dann stürmte ich mit Hast das Waldgelände
Den Pfad entlang nach meinem Ziele fort. -- --
So schwer war ich noch nirgends fortgegangen
Als von dem gastlich trauten Försterhaus,
Da draußen trieb mich stets ein wild Verlangen
Nach neuer Länder neue Pracht hinaus.
Die Welt war fremd mir, ich an nichts gekettet,
Und frei noch trieb ich meiner Pläne Spiel,
Heut hatt' ich hier mich, morgen dort gebettet,
Wie's grade meiner Wanderlust gefiel.
Und nun schien mir des Wanderns schönes Leben
Ein Gang vom Paradies ins Ungefähr,
Ein planlos Irren und ein blindes Streben
Und eine Fahrt auf ödem weitem Meer.
Und wie ich schritt und wie des Waldes Bäume
Aufrauschten in des Abends duftgem Wehn,
Versank ich stumm in wunderbare Träume,
Sah Bilder wie ich sie noch nie gesehn. --



Oskar Jerſchke.

Seht ihr den Pfad, der durch den Wald ſich windet,
Den wandert fort, bis ihr vom Zaun umhegt
Ein Chriſtusbild an einem Hochweg findet,
Der euch vor Nacht noch in den Thalgrund trägt!“
So ſchied ich denn, ein Druck der lieben Hände,
Ein heller Blick, ein Gruß, ein letztes Wort. — — —
Dann ſtürmte ich mit Haſt das Waldgelände
Den Pfad entlang nach meinem Ziele fort. — —
So ſchwer war ich noch nirgends fortgegangen
Als von dem gaſtlich trauten Förſterhaus,
Da draußen trieb mich ſtets ein wild Verlangen
Nach neuer Länder neue Pracht hinaus.
Die Welt war fremd mir, ich an nichts gekettet,
Und frei noch trieb ich meiner Pläne Spiel,
Heut hatt’ ich hier mich, morgen dort gebettet,
Wie’s grade meiner Wanderluſt gefiel.
Und nun ſchien mir des Wanderns ſchönes Leben
Ein Gang vom Paradies ins Ungefähr,
Ein planlos Irren und ein blindes Streben
Und eine Fahrt auf ödem weitem Meer.
Und wie ich ſchritt und wie des Waldes Bäume
Aufrauſchten in des Abends duftgem Wehn,
Verſank ich ſtumm in wunderbare Träume,
Sah Bilder wie ich ſie noch nie geſehn. —



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[296/0314] Oskar Jerſchke. Seht ihr den Pfad, der durch den Wald ſich windet, Den wandert fort, bis ihr vom Zaun umhegt Ein Chriſtusbild an einem Hochweg findet, Der euch vor Nacht noch in den Thalgrund trägt!“ So ſchied ich denn, ein Druck der lieben Hände, Ein heller Blick, ein Gruß, ein letztes Wort. — — — Dann ſtürmte ich mit Haſt das Waldgelände Den Pfad entlang nach meinem Ziele fort. — — So ſchwer war ich noch nirgends fortgegangen Als von dem gaſtlich trauten Förſterhaus, Da draußen trieb mich ſtets ein wild Verlangen Nach neuer Länder neue Pracht hinaus. Die Welt war fremd mir, ich an nichts gekettet, Und frei noch trieb ich meiner Pläne Spiel, Heut hatt’ ich hier mich, morgen dort gebettet, Wie’s grade meiner Wanderluſt gefiel. Und nun ſchien mir des Wanderns ſchönes Leben Ein Gang vom Paradies ins Ungefähr, Ein planlos Irren und ein blindes Streben Und eine Fahrt auf ödem weitem Meer. Und wie ich ſchritt und wie des Waldes Bäume Aufrauſchten in des Abends duftgem Wehn, Verſank ich ſtumm in wunderbare Träume, Sah Bilder wie ich ſie noch nie geſehn. —

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/314>, abgerufen am 29.04.2024.