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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Oscar Linke.
Von rosigen Wolken beglänzt auf schweigender Berghöh',
Wo Blumen süß erblühten in prangenden Farben und Düften,
Da trat mir entgegen in schneeweiß leuchtender Frische
Die Hohe, die Große mit lustvoll schmachtenden Augen.
Nicht zähmt' ich mir länger das Herz in der Brust, und gewaltig
Umschloß ich bestürmend in glühendem Sehnen die Holde,
Die Liebe gewährte verzückt voll stummen Gehorsams,
Das eigene Herz von Eros selber bezwungen.
Ich war zum Gott, zum höchsten der Götter geworden.
O Glück, für welches so ärmlich die Sprache der Menschen,
Das nimmer des Zeitstroms schäumender Wirbel hinabreißt,
Dich hatt' ich und hielt ich! Und dann, als wieder erwachte
Das trunkene Aug', wo erwacht' es sodann?
Auf stygischer Flur in dem rollenden Rad!
Laut schrie ich zuerst, von unendlicher Qual
Zerrissen das Herz --
Ich hatte das Höchste besessen!
Ihr Unbarmherzigen droben im rosigen Lichte,
Verewigen könnt ihr die Schmerzen des Erdegebor'nen,
Indessen verewigt ihr sie, so lindert die Zeit sie.
Stumpf, stumpf ist der Stachel geworden, und immer im Herzen
Erblüht so gesund noch und blühend ein selig Erinnern.
Und wär's ein Rosengewölk, lustathmend, gewesen,
Das ich umfing in geblendeter Herzensberauschung --
Nein! Nimmer bekehren sie mich, und häuften sie grausam
Erfinderisch über mich kaum zu erdenkende Strafen!
Ha, nimmer bekehren sie mich, nicht Menschen noch Götter,
Ihr thörichtes Mährchen zu glauben in kindlicher Einfalt!
Ich täusche mich nicht: Kein Traum mein kühnster Gedanke!
O rausche du nur, wild brausendes Rad!
Verwirrest doch nicht mein geistiges Aug'!
Und berstete rings umkrachend die Welt,
Aufjauchzt' ich auch dann:
Ich habe das Höchste besessen!


Oscar Linke.
Von roſigen Wolken beglänzt auf ſchweigender Berghöh’,
Wo Blumen ſüß erblühten in prangenden Farben und Düften,
Da trat mir entgegen in ſchneeweiß leuchtender Friſche
Die Hohe, die Große mit luſtvoll ſchmachtenden Augen.
Nicht zähmt’ ich mir länger das Herz in der Bruſt, und gewaltig
Umſchloß ich beſtürmend in glühendem Sehnen die Holde,
Die Liebe gewährte verzückt voll ſtummen Gehorſams,
Das eigene Herz von Eros ſelber bezwungen.
Ich war zum Gott, zum höchſten der Götter geworden.
O Glück, für welches ſo ärmlich die Sprache der Menſchen,
Das nimmer des Zeitſtroms ſchäumender Wirbel hinabreißt,
Dich hatt’ ich und hielt ich! Und dann, als wieder erwachte
Das trunkene Aug’, wo erwacht’ es ſodann?
Auf ſtygiſcher Flur in dem rollenden Rad!
Laut ſchrie ich zuerſt, von unendlicher Qual
Zerriſſen das Herz —
Ich hatte das Höchſte beſeſſen!
Ihr Unbarmherzigen droben im roſigen Lichte,
Verewigen könnt ihr die Schmerzen des Erdegebor’nen,
Indeſſen verewigt ihr ſie, ſo lindert die Zeit ſie.
Stumpf, ſtumpf iſt der Stachel geworden, und immer im Herzen
Erblüht ſo geſund noch und blühend ein ſelig Erinnern.
Und wär’s ein Roſengewölk, luſtathmend, geweſen,
Das ich umfing in geblendeter Herzensberauſchung —
Nein! Nimmer bekehren ſie mich, und häuften ſie grauſam
Erfinderiſch über mich kaum zu erdenkende Strafen!
Ha, nimmer bekehren ſie mich, nicht Menſchen noch Götter,
Ihr thörichtes Mährchen zu glauben in kindlicher Einfalt!
Ich täuſche mich nicht: Kein Traum mein kühnſter Gedanke!
O rauſche du nur, wild brauſendes Rad!
Verwirreſt doch nicht mein geiſtiges Aug’!
Und berſtete rings umkrachend die Welt,
Aufjauchzt’ ich auch dann:
Ich habe das Höchſte beſeſſen!


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[43/0061] Oscar Linke. Von roſigen Wolken beglänzt auf ſchweigender Berghöh’, Wo Blumen ſüß erblühten in prangenden Farben und Düften, Da trat mir entgegen in ſchneeweiß leuchtender Friſche Die Hohe, die Große mit luſtvoll ſchmachtenden Augen. Nicht zähmt’ ich mir länger das Herz in der Bruſt, und gewaltig Umſchloß ich beſtürmend in glühendem Sehnen die Holde, Die Liebe gewährte verzückt voll ſtummen Gehorſams, Das eigene Herz von Eros ſelber bezwungen. Ich war zum Gott, zum höchſten der Götter geworden. O Glück, für welches ſo ärmlich die Sprache der Menſchen, Das nimmer des Zeitſtroms ſchäumender Wirbel hinabreißt, Dich hatt’ ich und hielt ich! Und dann, als wieder erwachte Das trunkene Aug’, wo erwacht’ es ſodann? Auf ſtygiſcher Flur in dem rollenden Rad! Laut ſchrie ich zuerſt, von unendlicher Qual Zerriſſen das Herz — Ich hatte das Höchſte beſeſſen! Ihr Unbarmherzigen droben im roſigen Lichte, Verewigen könnt ihr die Schmerzen des Erdegebor’nen, Indeſſen verewigt ihr ſie, ſo lindert die Zeit ſie. Stumpf, ſtumpf iſt der Stachel geworden, und immer im Herzen Erblüht ſo geſund noch und blühend ein ſelig Erinnern. Und wär’s ein Roſengewölk, luſtathmend, geweſen, Das ich umfing in geblendeter Herzensberauſchung — Nein! Nimmer bekehren ſie mich, und häuften ſie grauſam Erfinderiſch über mich kaum zu erdenkende Strafen! Ha, nimmer bekehren ſie mich, nicht Menſchen noch Götter, Ihr thörichtes Mährchen zu glauben in kindlicher Einfalt! Ich täuſche mich nicht: Kein Traum mein kühnſter Gedanke! O rauſche du nur, wild brauſendes Rad! Verwirreſt doch nicht mein geiſtiges Aug’! Und berſtete rings umkrachend die Welt, Aufjauchzt’ ich auch dann: Ich habe das Höchſte beſeſſen!

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/61>, abgerufen am 29.04.2024.