Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Klag erhört ein Engel fein,
Als Jüngling ging er zu ihr ein,
Sprach: "Jungfrau sey ohn' Sorgen,
"Von mir sollst bleiben unberührt,
"Wart mit Geduld bis Morgen,
"So will ich helfen dir davon,
"Bald leg du meine Kleider an,
"Und geh aus diesem Hause."
So tauschten sie denn ihr Gewand,
Sie gieng, er blieb ohn Grausen.
Betrunken in des Kaisers Wein,
Trat bald ein Kriegsknecht zu ihm ein,
Thät sündlig auf ihn dringen,
Der Jüngling rang in Gotteskraft,
Und thät ihn niederringen.
Des ward der Kaiser sehr ergrimmt,
Als er vom Knecht die Klag vernimmt,
Läßt greifen sie und binden.
O Wunder groß! O Wunder groß!
Ein Jüngling thät er finden.
"Bist du ein Christ?" der Kaiser fragt,
"Ich bin getauft," der Jüngling sagt,
"Von ihr bin ich getaufet.
"Sie gehet frey und unberührt,
"Euch Heiden all zu taufen."

Die Klag erhoͤrt ein Engel fein,
Als Juͤngling ging er zu ihr ein,
Sprach: „Jungfrau ſey ohn' Sorgen,
„Von mir ſollſt bleiben unberuͤhrt,
„Wart mit Geduld bis Morgen,
„So will ich helfen dir davon,
„Bald leg du meine Kleider an,
„Und geh aus dieſem Hauſe.“
So tauſchten ſie denn ihr Gewand,
Sie gieng, er blieb ohn Grauſen.
Betrunken in des Kaiſers Wein,
Trat bald ein Kriegsknecht zu ihm ein,
Thaͤt ſuͤndlig auf ihn dringen,
Der Juͤngling rang in Gotteskraft,
Und thaͤt ihn niederringen.
Des ward der Kaiſer ſehr ergrimmt,
Als er vom Knecht die Klag vernimmt,
Laͤßt greifen ſie und binden.
O Wunder groß! O Wunder groß!
Ein Juͤngling thaͤt er finden.
„Biſt du ein Chriſt?“ der Kaiſer fragt,
„Ich bin getauft,“ der Juͤngling ſagt,
„Von ihr bin ich getaufet.
„Sie gehet frey und unberuͤhrt,
„Euch Heiden all zu taufen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0156" n="147"/>
            <lg n="4">
              <l>Die Klag erho&#x0364;rt ein Engel fein,</l><lb/>
              <l>Als Ju&#x0364;ngling ging er zu ihr ein,</l><lb/>
              <l>Sprach: &#x201E;Jungfrau &#x017F;ey ohn' Sorgen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Von mir &#x017F;oll&#x017F;t bleiben unberu&#x0364;hrt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wart mit Geduld bis Morgen,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>&#x201E;So will ich helfen dir davon,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bald leg du meine Kleider an,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und geh aus die&#x017F;em Hau&#x017F;e.&#x201C;</l><lb/>
              <l>So tau&#x017F;chten &#x017F;ie denn ihr Gewand,</l><lb/>
              <l>Sie gieng, er blieb ohn Grau&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Betrunken in des Kai&#x017F;ers Wein,</l><lb/>
              <l>Trat bald ein Kriegsknecht zu ihm ein,</l><lb/>
              <l>Tha&#x0364;t &#x017F;u&#x0364;ndlig auf ihn dringen,</l><lb/>
              <l>Der Ju&#x0364;ngling rang in Gotteskraft,</l><lb/>
              <l>Und tha&#x0364;t ihn niederringen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Des ward der Kai&#x017F;er &#x017F;ehr ergrimmt,</l><lb/>
              <l>Als er vom Knecht die Klag vernimmt,</l><lb/>
              <l>La&#x0364;ßt greifen &#x017F;ie und binden.</l><lb/>
              <l>O Wunder groß! O Wunder groß!</l><lb/>
              <l>Ein Ju&#x0364;ngling tha&#x0364;t er finden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>&#x201E;Bi&#x017F;t du ein Chri&#x017F;t?&#x201C; der Kai&#x017F;er fragt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ich bin getauft,&#x201C; der Ju&#x0364;ngling &#x017F;agt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Von ihr bin ich getaufet.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sie gehet frey und unberu&#x0364;hrt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Euch Heiden all zu taufen.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0156] Die Klag erhoͤrt ein Engel fein, Als Juͤngling ging er zu ihr ein, Sprach: „Jungfrau ſey ohn' Sorgen, „Von mir ſollſt bleiben unberuͤhrt, „Wart mit Geduld bis Morgen, „So will ich helfen dir davon, „Bald leg du meine Kleider an, „Und geh aus dieſem Hauſe.“ So tauſchten ſie denn ihr Gewand, Sie gieng, er blieb ohn Grauſen. Betrunken in des Kaiſers Wein, Trat bald ein Kriegsknecht zu ihm ein, Thaͤt ſuͤndlig auf ihn dringen, Der Juͤngling rang in Gotteskraft, Und thaͤt ihn niederringen. Des ward der Kaiſer ſehr ergrimmt, Als er vom Knecht die Klag vernimmt, Laͤßt greifen ſie und binden. O Wunder groß! O Wunder groß! Ein Juͤngling thaͤt er finden. „Biſt du ein Chriſt?“ der Kaiſer fragt, „Ich bin getauft,“ der Juͤngling ſagt, „Von ihr bin ich getaufet. „Sie gehet frey und unberuͤhrt, „Euch Heiden all zu taufen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/156
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/156>, abgerufen am 29.04.2024.