Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite
Er kleidet sie in königlich Wat,
Mit Weinen und Klagen er sie umfaht.
Er sprach: "Ach weh mir armen Mann!
"Was soll ich jetzund fangen an?
"Die Hochzeit dein war ich bedacht
"Zu halten bald mit herrlicher Pracht,
"Mit Trommeln und mit Saitenspiel,
"Zu haben Lust und Freuden viel.
"So muß ich mich nun dein verwegen,
"Und dich dem grausen Drachen geben.
"Ach Gott, daß ich vor dir wär todt,
"Daß ich nicht seh dein Blut so roth."
Er gab ihr weinend manchen Kuß,
Sein Töchterlein fiel ihm zu Fuß:
"Lebt wohl, lebt wohl Herr Vater mein!
"Gern sterb ich um des Volkes Pein."
Der König schied mit Ach und Weh,
Man führt sein Kind zum Drachensee.
Als sie da saß in Trauren schwer,
Da ritt der Ritter Georg daher.
"O Jungfrau zart! gieb mir Bescheid,
"Warum stehst du in solchem Leid?"
Die Jungfrau sprach: "Flieh bald von hier!
"Daß du nicht sterben mußt mit mir."

Er kleidet ſie in koͤniglich Wat,
Mit Weinen und Klagen er ſie umfaht.
Er ſprach: „Ach weh mir armen Mann!
„Was ſoll ich jetzund fangen an?
„Die Hochzeit dein war ich bedacht
„Zu halten bald mit herrlicher Pracht,
„Mit Trommeln und mit Saitenſpiel,
„Zu haben Luſt und Freuden viel.
„So muß ich mich nun dein verwegen,
„Und dich dem grauſen Drachen geben.
„Ach Gott, daß ich vor dir waͤr todt,
„Daß ich nicht ſeh dein Blut ſo roth.“
Er gab ihr weinend manchen Kuß,
Sein Toͤchterlein fiel ihm zu Fuß:
„Lebt wohl, lebt wohl Herr Vater mein!
„Gern ſterb ich um des Volkes Pein.“
Der Koͤnig ſchied mit Ach und Weh,
Man fuͤhrt ſein Kind zum Drachenſee.
Als ſie da ſaß in Trauren ſchwer,
Da ritt der Ritter Georg daher.
„O Jungfrau zart! gieb mir Beſcheid,
„Warum ſtehſt du in ſolchem Leid?“
Die Jungfrau ſprach: „Flieh bald von hier!
„Daß du nicht ſterben mußt mit mir.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0162" n="153"/>
            <lg n="23">
              <l>Er kleidet &#x017F;ie in ko&#x0364;niglich Wat,</l><lb/>
              <l>Mit Weinen und Klagen er &#x017F;ie umfaht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="24">
              <l>Er &#x017F;prach: &#x201E;Ach weh mir armen Mann!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was &#x017F;oll ich jetzund fangen an?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="25">
              <l>&#x201E;Die Hochzeit dein war ich bedacht</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu halten bald mit herrlicher Pracht,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="26">
              <l>&#x201E;Mit Trommeln und mit Saiten&#x017F;piel,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zu haben Lu&#x017F;t und Freuden viel.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="27">
              <l>&#x201E;So muß ich mich nun dein verwegen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und dich dem grau&#x017F;en Drachen geben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="28">
              <l>&#x201E;Ach Gott, daß ich vor dir wa&#x0364;r todt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß ich nicht &#x017F;eh dein Blut &#x017F;o roth.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l>Er gab ihr weinend manchen Kuß,</l><lb/>
              <l>Sein To&#x0364;chterlein fiel ihm zu Fuß:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="30">
              <l>&#x201E;Lebt wohl, lebt wohl Herr Vater mein!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Gern &#x017F;terb ich um des Volkes Pein.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="31">
              <l>Der Ko&#x0364;nig &#x017F;chied mit Ach und Weh,</l><lb/>
              <l>Man fu&#x0364;hrt &#x017F;ein Kind zum Drachen&#x017F;ee.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="32">
              <l>Als &#x017F;ie da &#x017F;aß in Trauren &#x017F;chwer,</l><lb/>
              <l>Da ritt der Ritter Georg daher.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="33">
              <l>&#x201E;O Jungfrau zart! gieb mir Be&#x017F;cheid,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Warum &#x017F;teh&#x017F;t du in &#x017F;olchem Leid?&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="34">
              <l>Die Jungfrau &#x017F;prach: &#x201E;Flieh bald von hier!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß du nicht &#x017F;terben mußt mit mir.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0162] Er kleidet ſie in koͤniglich Wat, Mit Weinen und Klagen er ſie umfaht. Er ſprach: „Ach weh mir armen Mann! „Was ſoll ich jetzund fangen an? „Die Hochzeit dein war ich bedacht „Zu halten bald mit herrlicher Pracht, „Mit Trommeln und mit Saitenſpiel, „Zu haben Luſt und Freuden viel. „So muß ich mich nun dein verwegen, „Und dich dem grauſen Drachen geben. „Ach Gott, daß ich vor dir waͤr todt, „Daß ich nicht ſeh dein Blut ſo roth.“ Er gab ihr weinend manchen Kuß, Sein Toͤchterlein fiel ihm zu Fuß: „Lebt wohl, lebt wohl Herr Vater mein! „Gern ſterb ich um des Volkes Pein.“ Der Koͤnig ſchied mit Ach und Weh, Man fuͤhrt ſein Kind zum Drachenſee. Als ſie da ſaß in Trauren ſchwer, Da ritt der Ritter Georg daher. „O Jungfrau zart! gieb mir Beſcheid, „Warum ſtehſt du in ſolchem Leid?“ Die Jungfrau ſprach: „Flieh bald von hier! „Daß du nicht ſterben mußt mit mir.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/162
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/162>, abgerufen am 11.12.2024.