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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Da er vor Kummer schlafen war,
Er findet einen Handschuh weiß,
Wie niemand ihn zu weben weiß.
Ein Bote kam: Herr kommt herüber,
Denn euer Gemahl, die lebet wieder,
Und hat in diese Welt geboren
Ein schöne Tochter auserkohren.
Ob dieser fröhligen Botschaft
Erhielt der Graf zurück die Kraft,
Stand auf und dankte Katharin,
Den Handschuh steckt zum Helme kühn,
Zog wiederum zu seiner Frauen,
die er mit Freuden an thut schauen,
Und küßt das Kind, umfängt das Weib,
Drückt sie zu sich an seinen Leib,
Fing an zu weinen gleich dem Kind,
Bat um Verzeihung seiner Sünd,
Die Gräfin sprach: "Wir sollen loben
"Sankt Katharin im Himmel droben,
"Denn da ich mich vor Leid getödtet,
"Und lag in allen meinen Nöthen,
"Zu mir schon kamen höllsche Knaben,
"Mein Seel sie wollten genommen haben,
"Da hat die heilge Katharin
"Für mich gebeten; Gott verziehn,
"Daß er den Leib der Seel noch liesse,
"Daß sie in ihm noch könnte büssen. --
Die Gräfin ließ ein Kloster bauen,
Die Tochter im Gebet zu schauen,
Der Graf zog ins gelobte Land
Vom Handschuh grosse Kraft empfand,

Da er vor Kummer ſchlafen war,
Er findet einen Handſchuh weiß,
Wie niemand ihn zu weben weiß.
Ein Bote kam: Herr kommt heruͤber,
Denn euer Gemahl, die lebet wieder,
Und hat in dieſe Welt geboren
Ein ſchoͤne Tochter auserkohren.
Ob dieſer froͤhligen Botſchaft
Erhielt der Graf zuruͤck die Kraft,
Stand auf und dankte Katharin,
Den Handſchuh ſteckt zum Helme kuͤhn,
Zog wiederum zu ſeiner Frauen,
die er mit Freuden an thut ſchauen,
Und kuͤßt das Kind, umfaͤngt das Weib,
Druͤckt ſie zu ſich an ſeinen Leib,
Fing an zu weinen gleich dem Kind,
Bat um Verzeihung ſeiner Suͤnd,
Die Graͤfin ſprach: „Wir ſollen loben
„Sankt Katharin im Himmel droben,
„Denn da ich mich vor Leid getoͤdtet,
„Und lag in allen meinen Noͤthen,
„Zu mir ſchon kamen hoͤllſche Knaben,
„Mein Seel ſie wollten genommen haben,
„Da hat die heilge Katharin
„Fuͤr mich gebeten; Gott verziehn,
„Daß er den Leib der Seel noch lieſſe,
„Daß ſie in ihm noch koͤnnte buͤſſen. —
Die Graͤfin ließ ein Kloſter bauen,
Die Tochter im Gebet zu ſchauen,
Der Graf zog ins gelobte Land
Vom Handſchuh groſſe Kraft empfand,

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[324/0336] Da er vor Kummer ſchlafen war, Er findet einen Handſchuh weiß, Wie niemand ihn zu weben weiß. Ein Bote kam: Herr kommt heruͤber, Denn euer Gemahl, die lebet wieder, Und hat in dieſe Welt geboren Ein ſchoͤne Tochter auserkohren. Ob dieſer froͤhligen Botſchaft Erhielt der Graf zuruͤck die Kraft, Stand auf und dankte Katharin, Den Handſchuh ſteckt zum Helme kuͤhn, Zog wiederum zu ſeiner Frauen, die er mit Freuden an thut ſchauen, Und kuͤßt das Kind, umfaͤngt das Weib, Druͤckt ſie zu ſich an ſeinen Leib, Fing an zu weinen gleich dem Kind, Bat um Verzeihung ſeiner Suͤnd, Die Graͤfin ſprach: „Wir ſollen loben „Sankt Katharin im Himmel droben, „Denn da ich mich vor Leid getoͤdtet, „Und lag in allen meinen Noͤthen, „Zu mir ſchon kamen hoͤllſche Knaben, „Mein Seel ſie wollten genommen haben, „Da hat die heilge Katharin „Fuͤr mich gebeten; Gott verziehn, „Daß er den Leib der Seel noch lieſſe, „Daß ſie in ihm noch koͤnnte buͤſſen. — Die Graͤfin ließ ein Kloſter bauen, Die Tochter im Gebet zu ſchauen, Der Graf zog ins gelobte Land Vom Handſchuh groſſe Kraft empfand,

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/336>, abgerufen am 27.04.2024.