Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Da bin ich schon viel tausendmal
Bey meinem Schatz gewest.

Da sitzt ein schöner Vogel drauf,
Der pfeift gar wunderschön;
Ich und mein Schätzlein lauern auf,
Wenn wir mitnander gehn.
Der Vogel sitzt in seiner Ruh,
Wohl auf dem höchsten Zweig;
Und schauen wir dem Vogel zu,
So pfeift er allsogleich.
Der Vogel sitzt in seinem Nest,
Wohl auf dem grünen Baum;
Ach Schätzel bin ich bey dir g'west,
Oder ist es nur ein Traum.
Und als ich wiedrum kam zu dir,
Gehauen war der Baum;
Ein andrer Liebster steht bei ihr,
O du verfluchter Traum.
Der Baum, der steht im Odenwald,
Und ich bin in der Schweiz;
Da liegt der Schnee, und ist so kalt,
Mein Herz es mir zerreißt.


Da bin ich ſchon viel tauſendmal
Bey meinem Schatz geweſt.

Da ſitzt ein ſchoͤner Vogel drauf,
Der pfeift gar wunderſchoͤn;
Ich und mein Schaͤtzlein lauern auf,
Wenn wir mitnander gehn.
Der Vogel ſitzt in ſeiner Ruh,
Wohl auf dem hoͤchſten Zweig;
Und ſchauen wir dem Vogel zu,
So pfeift er allſogleich.
Der Vogel ſitzt in ſeinem Neſt,
Wohl auf dem gruͤnen Baum;
Ach Schaͤtzel bin ich bey dir g'weſt,
Oder iſt es nur ein Traum.
Und als ich wiedrum kam zu dir,
Gehauen war der Baum;
Ein andrer Liebſter ſteht bei ihr,
O du verfluchter Traum.
Der Baum, der ſteht im Odenwald,
Und ich bin in der Schweiz;
Da liegt der Schnee, und iſt ſo kalt,
Mein Herz es mir zerreißt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0127" n="117"/>
              <l>Da bin ich &#x017F;chon viel tau&#x017F;endmal</l><lb/>
              <l>Bey meinem Schatz gewe&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Da &#x017F;itzt ein &#x017F;cho&#x0364;ner Vogel drauf,</l><lb/>
              <l>Der pfeift gar wunder&#x017F;cho&#x0364;n;</l><lb/>
              <l>Ich und mein Scha&#x0364;tzlein lauern auf,</l><lb/>
              <l>Wenn wir mitnander gehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Der Vogel &#x017F;itzt in &#x017F;einer Ruh,</l><lb/>
              <l>Wohl auf dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Zweig;</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chauen wir dem Vogel zu,</l><lb/>
              <l>So pfeift er all&#x017F;ogleich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Der Vogel &#x017F;itzt in &#x017F;einem Ne&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Wohl auf dem gru&#x0364;nen Baum;</l><lb/>
              <l>Ach Scha&#x0364;tzel bin ich bey dir g'we&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Oder i&#x017F;t es nur ein Traum.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Und als ich wiedrum kam zu dir,</l><lb/>
              <l>Gehauen war der Baum;</l><lb/>
              <l>Ein andrer Lieb&#x017F;ter &#x017F;teht bei ihr,</l><lb/>
              <l>O du verfluchter Traum.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Der Baum, der &#x017F;teht im Odenwald,</l><lb/>
              <l>Und ich bin in der Schweiz;</l><lb/>
              <l>Da liegt der Schnee, und i&#x017F;t &#x017F;o kalt,</l><lb/>
              <l>Mein Herz es mir zerreißt.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0127] Da bin ich ſchon viel tauſendmal Bey meinem Schatz geweſt. Da ſitzt ein ſchoͤner Vogel drauf, Der pfeift gar wunderſchoͤn; Ich und mein Schaͤtzlein lauern auf, Wenn wir mitnander gehn. Der Vogel ſitzt in ſeiner Ruh, Wohl auf dem hoͤchſten Zweig; Und ſchauen wir dem Vogel zu, So pfeift er allſogleich. Der Vogel ſitzt in ſeinem Neſt, Wohl auf dem gruͤnen Baum; Ach Schaͤtzel bin ich bey dir g'weſt, Oder iſt es nur ein Traum. Und als ich wiedrum kam zu dir, Gehauen war der Baum; Ein andrer Liebſter ſteht bei ihr, O du verfluchter Traum. Der Baum, der ſteht im Odenwald, Und ich bin in der Schweiz; Da liegt der Schnee, und iſt ſo kalt, Mein Herz es mir zerreißt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/127
Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/127>, abgerufen am 27.04.2024.