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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808.

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Mit einem starken Bogen,
Darauf viel Pfeil gezogen,
Damit will er mich heben
Aus diesem schweren Leben.

Zu solchem Schreckgesicht
Kann ich stillschweigen nicht,
Ich schrei mit lauter Stimmen:
"O Knabe laß dein Grimmen,
"Nicht wollst, weil ich thu schlafen,
"Jezt brauchen deine Waffen."
5.

Ach hartes Herz, laß dich doch eins erweichen,
Laß mich zu deiner Huld doch noch gereichen;
Wen sollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.
Ach starker Fels, laß dich doch eins bewegen,
Thu dein gewohnte Härt eins von dir legen;
Wen sollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.
Ach veste Burg, laß dich doch eins gewinnen,
Ach reicher Brunn, laß mich nicht gar verbrinnen;
Wen sollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.
6.

Wer sehen will zween lebendige Brunnen,
Der soll mein zwey betrübte Augen sehen,
Die mir vor Weinen schier sind ausgerunnen.

Mit einem ſtarken Bogen,
Darauf viel Pfeil gezogen,
Damit will er mich heben
Aus dieſem ſchweren Leben.

Zu ſolchem Schreckgeſicht
Kann ich ſtillſchweigen nicht,
Ich ſchrei mit lauter Stimmen:
„O Knabe laß dein Grimmen,
„Nicht wollſt, weil ich thu ſchlafen,
„Jezt brauchen deine Waffen.“
5.

Ach hartes Herz, laß dich doch eins erweichen,
Laß mich zu deiner Huld doch noch gereichen;
Wen ſollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.
Ach ſtarker Fels, laß dich doch eins bewegen,
Thu dein gewohnte Haͤrt eins von dir legen;
Wen ſollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.
Ach veſte Burg, laß dich doch eins gewinnen,
Ach reicher Brunn, laß mich nicht gar verbrinnen;
Wen ſollt doch nicht erbarmen,
Daß ich muß als erarmen.
6.

Wer ſehen will zween lebendige Brunnen,
Der ſoll mein zwey betruͤbte Augen ſehen,
Die mir vor Weinen ſchier ſind ausgerunnen.

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[5/0015] Mit einem ſtarken Bogen, Darauf viel Pfeil gezogen, Damit will er mich heben Aus dieſem ſchweren Leben. Zu ſolchem Schreckgeſicht Kann ich ſtillſchweigen nicht, Ich ſchrei mit lauter Stimmen: „O Knabe laß dein Grimmen, „Nicht wollſt, weil ich thu ſchlafen, „Jezt brauchen deine Waffen.“ 5. Ach hartes Herz, laß dich doch eins erweichen, Laß mich zu deiner Huld doch noch gereichen; Wen ſollt doch nicht erbarmen, Daß ich muß als erarmen. Ach ſtarker Fels, laß dich doch eins bewegen, Thu dein gewohnte Haͤrt eins von dir legen; Wen ſollt doch nicht erbarmen, Daß ich muß als erarmen. Ach veſte Burg, laß dich doch eins gewinnen, Ach reicher Brunn, laß mich nicht gar verbrinnen; Wen ſollt doch nicht erbarmen, Daß ich muß als erarmen. 6. Wer ſehen will zween lebendige Brunnen, Der ſoll mein zwey betruͤbte Augen ſehen, Die mir vor Weinen ſchier ſind ausgerunnen.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 3. Heidelberg, 1808, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn03_1808/15>, abgerufen am 29.04.2024.